UntermieterInners

U-Mieter sind durch die Bank weg recht merkwürdige Gestalten.
Die erste bei Frau E. aus B. war Anfang der achtziger ein junges Mädel.
Nennt man eigentlich weibliche Angestellte in einem Callcenter auch Callgirls? Wenn ja, dann war sie eins – bei „OTTO“.
Als Langzeitstudi verbrachte sie ihre Freizeit am Teflon dieses Versandhauses. Dieses Blondchen kaufte sich vom monatlichen Salär jede Menge Markenklamotten, trug manches gute Stück nur aus dem Kaufhaus in ihr Zimmer. Alle halbe Jahre mistete sie den Schrank aus und die Klamotten landeten dann im Prenzelgebirge.
Da ihr Mitteilungsbedürfnis nicht über Cocktail-Smalltalk unterstes Niveau hinausging, versuchte ich ihr aus dem Weg zu gehen…
1986 zog ich dann ein, als Hintertürchen für meine Freundin musste die WG in Schöneberg am Leben erhalten bleiben, was meinen damaligen Mitbewohnern nur recht war.
Als die beiden erwachsenen Bonsais meiner Vermieterin eigene Nester unterhielten, hieß es für mich, in der Wohnung umzuziehen. Von den 170 □-Metern, wurde ab nun das schönste Zimmer möbliert untervermietet. Nebenbei ließen wir, nach  24-jähriger Probezeit, unsere Zweierbeziehung staatlich sanktionieren.
Alle neuen Mitbewohner hatten es irgendwie mit der Fresserei.

– Der erste Mieter stammte kam Griechenland, aus besseren Verhältnissen. Historiker, der ein nichts sagendes Thema über die zwanziger Jahre abhandelte, um die Eitelkeit seiner Erzeuger zu befriedigen, die sich hochgearbeitet hatten. Dafür musste ein Zertifikat her, damit er anschließend den 4ten und 18ten Buchstaben unseres Alphabetes vor seinen Namen pappen konnte.
Der Junge konnte nur Kaffee kochen, ansonsten lebte er fasst ausschließlich von Imbisskost. Seine süddeutsche Freundin überredete ihn, nach Hamburg umzuziehen. Vielleicht konnte er ja gut poppen und ihr kamen bei seinen Ernährungsversuchen Bedenken, dass er irgendwann die Norm nicht mehr schaffte…
– Der nächste, ein wegen Suffs abgehalfterte, kleine Leinwandgröße – nun trocken.
Sein Leben lief zwischen Fitnessstudio, Diätküche – jeden Tag zwei Rindersteaks mit einer Knolle Knofi und der Glotze ab – gähnende Langeweile füllte das Wochenende aus. Gegen ihn war Blondie hochgradig intellektuell.
– Als nächstes lebte mehrer Monate ein blutjunges Mädchen aus Tunesien bei uns. Sie wollte nach dem Deutschintensivkurs Pharmazie studieren. Stammte auch aus besseren Verhältnissen, konnte aber noch nicht mal Wasser kochen, die Anleitung  für ihre ersten Kochversuche (Nudelgerichte) stammten aus dem Netz, scheinbar von einem ehemaligen Army-Koch aus UK. Es brannte zwar nie etwas an, aber die Teigwaren entpuppten sich anfangs immer als schleimige Masse. Ihr Tunesischer Freund mit dem sie bald zusammenzog war nicht besser drauf, sprach allerdings perfekt Deutsch…
– Aus der Umgebung von Elsterwerder stammte der folgende 12 Monatsmieter, von Amtswegen in Berlin gelandet. Nach einem halbjährigen Kurs in Cottbus, vom Jobcenter finanziert, musste er feststelle, dass er 6 Monate für Nothing die Bank drückte, denn keine Firma arbeite mehr mit dem gerade vermittelten Computerprogramm.
Der Junge entpuppte sich, bis auf eine Kleinigkeit, als der ideale U-Mieter. Stand erst Montagabend wieder auf der Matte, seine Rucksack gefüllt mit gekochten Köstlichkeiten von Omi.
Freitags ging es dann in die Heimat. Am Wochenende mit Kumpels saufend über die Dörfer, “Kanaken klatschen”,  dass er mal kleine Timmies, Roberts, Erics, Dylans und Magnusse zeugt, halte ich momentan für recht unwahrscheinlich, sprach er von seinen „Freunden“ und Kumpels mit einer recht homoerotischen Ehrfurcht.
Dieser eigentlich schweigsame Zeitgenosse, vielleicht 1,60 cm messend, huschte unauffällig barfuss, aber immer in Kampfanzug durch die Bude und sofort retour zu seiner Playstation. Mehrer Stunden täglich ertönten dann aus seinem Zimmer Geräusche von Explosi-onen und Maschinengewehrfeuer, zwischendurch immer wieder Ausrufe: „Du Sau, dich mache ich fertig!“, „Scheiße!“, „Mist! Dreck!“ und Jubelschreie…
Tetris spielte er bestimmt nicht.
In den ruhigen Momenten schien er sich Hörnchen zubauen, denn er quarzte ewig Grass, eigene Ernte aus Omas Garten, das wie Katzenscheiße stank…
Nach einer Probe von mir, kippte der Genosse fast um. Mein Zeug stammte aus der Altmark. Während der Trocknung müffelte unser gesamtes Treppenhaus nach den Pflänzchen. Fast 4 Meter große Teile, sie wuchsen vor der dicken Südwand einer Scheune, auf einem ehemaligen Kolchosmisthaufen …
– Was soll ich über den letzten Mitbewohner, einem Halbpalästinenser ablassen?
Dieser Blindenscheff wohnte am längsten hier, war bei seinem Einzug 26 Jahre und verkaufte sich deutscher als jeder Einheimische, allerdings nicht bei seinen Essgewohnheiten, denn er veredelte Tiefkühlpizza von Feinkost-LIDL.
Anfangs versuchte er noch mit einem Karaokeprogramm eigene Texte zu verarbeiten. Politisch korrekte Schönfärberei. Mir kam es vor, als stammten sie aus einer Therapiegruppe von gefallenen Mädchen.
Als er endlich damit Ruhe gab, lief die ganze Zeit seine Glotze, sogar wenn er pennte…
Sein größtes Problem schienen Türken zu sein: „Ich frage mich immer wieder, was suchen diese Kanaken hier?“
Nicht viel besser kamen Frauen bei ihm weg.
Scheinbar geprägt durch das „Der Fuchs und die Trauben-Syndrom“. Als ich ihn mal nach einer seiner üblichen Verbalattacken danach fragte, konnte er mit dieser Fabel nichts anfange. Allerdings klärte ich ihn auch nicht darüber auf.
„…diese dämlichen Weiber, diese blöden Fotzen, diese Schlampen und Nutten…“
Merkwürdig war bei dem Typ, er konnte nicht richtig locker lachen. Seine Laute erinnerten mich immer an das Meckern eines Ziegenbocks, wenn man ihn am Strick oder an den Hörnern in den Stall zurren wollte und das Vieh sich dabei stur stellte. In solchen Fällen hilft nur hinhakeln mit dem Knie in die Rippen, dann erfolgen solche Geräusche.
Auch Lächeln war unserem Frauenfreund fremd, er grinste nur immer nur recht merkwürdig, speziell nach bestimmten Fragen von mir. So auch geschehen, als ich von ihm wissen wollte: „Sag mal, alle Weiber sind Fotzen, außer Mutti, oder?“
Gott noch mal, wenn er sich mal hetero paart und Ableger zeugt, sicher auch in Mengen…
Vielleicht entwickelt er sich ja anders und versucht es folgenlos mit Mastdarmschwangerschaften, das wäre in der heutigen, bleihaltigen Zeit ein Segen…

Vor längerer Zeit wedelte der Luftzug nach dem Fensteröffnen in seinem Zimmer,  ein DIN A4 Blatt vor meine Füße. Es war von der Regalwand gesegelt und ich musste es archivieren, da mir so etwas noch nie untergekommen war – sein Wochenplan, mir ist allerdings nicht bekannt, ob er diese Listen immer anlegte.
Vielleicht machte er ja heimlich eine Therapie und es handelte sich um die Anweisung eines Püchologen…
Ach so, meine Untermietemacken wurden glatt unterschlagen. Nur so weit, ich hasse Fastfood, koche gern und gut…
Als Türke deutscher Herkunft mag ich auch die einheimische Kost. Seit einigen Monaten gehen wir manchmal im „Maria“, vis-à-vis vom ADAC in der Bundesallee etwas einpicken, die Kinder haben diesen kleinen Laden entdeckt.
Auf der Karte befinden sich überschaubare internationale Gerichte, wer sich nicht auf der Flucht befindet und Bratkartoffeln mag, sollte es ansagen, die gibt es dann ganz kross.
Die beiden Indischen Köche kommen an die Machart von meiner Oma heran!

Unser neuer Mitbewohner gefällt uns sehr, allerdings wohnt er draußen.
Er quatscht kein dummer Zeug, erscheint abendlich pünktlich wie ein Maurer, immer kurz vor Zehn. Vor ein paar Wochen fiel er mir auf, als ich ihn hängend an den verschmähten Meisenknödeln  mümmeln sah.
Seine Macke besteht neuerdings darin, wenn er rechts vom Knöterich in die Schale des Blumenkastens hopst, rennt er anschließend zweimal auf den Wasserschenkeln der Fenster hin und her, dann wird sein Abendmahl begutachtet.
Am liebsten frisst dieser kleine Freund Kuchen, Schnittkäse, Knackies und Rinde vom Falkenbrot (Es handelt sich dabei auch um unser Lieblingsbrot) aus der Körnerfresserbäckerei. Französischen Camembert mag er nicht sonderlich (Gutmenschen sei hier gesagt, ich glaube nicht, dass er oder sie etwas gegen Franzosen hat), ebenso Speck…

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