Bitte lassen sie die Fenster öffnen, damit die Gerechtigkeit hereinflattern kann!“

Um den Bogen zu schlagen betreffs eines ähnlichen Spruches, wie ihn Fritz Teufel 1967 abließ, muss ich zurück ins Jahr 1965.
– Anschließend folgen noch einige Fußnoten.
Irgendwann im Frühjahr stand „die Meue“ urplötzlich Spätvormittags am „Stammtisch“ in der „Klemme“. (Puffi hätte in besagter Situation sicher abgelassen: „Klaus hockt wiedermal in trauter Runde mit 100 Jahren Zuchthaus.“)
Mir fällt absolut nicht mehr ein, wieso ich in dieser Kneipe hing, statt in der Schule zu sein. Anlässlich meines damaligen Lebenswandels erlaubte ich mir nämlich keine zusätzlich Freizeiten.
„Leute! Dackel ist wieder aufgetaucht. Wir könnten ihn besuchen, allerdings nur kurzfristig im Kreisgericht! Sie wollen ihm eine drüber braten wegen „Beischlafdiebstahls“. Die Verhandlung ist öffentlich!“
Betretenes gegenseitiges Anglotzen. Wieso dieses Delikt? Keiner konnte es sich vorstellen, ich wusste noch nicht mal, um was es da überhaupt ging.
„Wenn wir da jetzt auftauchen, lassen die uns sowieso nicht rein!“
„Die Meue“ zu mir gewandt, „du machst dich vom Acker!“
Das könnte denen so passen.
„Lasst ihn ruhig mitkommen! Kann ihm sehr hilfreich sein für das weiteres Leben, wenn er die sozialistische Rechtspflege beizeiten studieren darf!“
Nach einer peniblen Ausweiskontrolle gelangte alle in den kleinen Saal.
Der Angeklagte griente uns an wie ein Honigkuchenpferd, als er die Horde im Zuschauerraum gewahrte. Wegen aufkeimender Begrüßungszeremonien wurden beide Seite sofort verwarnt. Nebenbei irritierte unsere Anwesenheit das „Hohe Gericht“ etwas.
Dann nahm alles seinen sozialistischen Lauf.
Dackel plapperte anfangs ewig dazwischen, weil er den Pflichtverteidiger ablehnte. Nach mehreren Verwarnungen war auch dies überstanden.
Nun entwickelte sich etwas, wobei das Gefühl aufkam, dass sogar der Richter nicht durchblickte. Von den beiden Blindfischen an seiner Seite, ganz zu schweigen. Diese Schöffen kannte ich noch nicht mal vom Sehen, ebenso ging es mir bei der Geschädigte und ihrer Freundin, der gleichzeitigen Zeugin.
Wo hatte Dackel diese hübschen Käthen nur aufgetrieben?
Alle Anwesenden schienen sich bei diesem Indizienprozess köstlich zu amüsieren. Nur der anwesende „Volkskorrespondent“ (Ich glaube dieser Schmierfink stammte aus Gonna) ballte irgendwann sein Gesicht zur Faust.
Bei dem abhandengekommenen Geschmeide musste es sich um etwas handeln, was aus kleinen Silbermünzen bestand und mit Draht zusammen gerödelt war. Ohrringe und ein Armband gehörten  ebenso dazu, alles aus KuK-Zeiten.
Als Beweis diente lediglich eine Münze, die der Angeklagte nach der ersten Nacht geschenkt bekam und als Beweismittel vor dem Richter lag.
Was auch immer, es entwickelte sich langsam zu Dackels Gunsten, auch mit Hilfe des Pflichtverteidigers. Bis zu dem Zeitpunkt, als der „Beischlafdieb“ das „letzte Wort“ in Anspruch nahm. Dabei absolut nicht kapierte, wie viel Jahre er sich mit dieser „witzigen“ Aktion einhandelte.
„Hohes Gericht! Bitte lassen sie die Fenster öffnen, damit die Gerechtigkeit hereinflattern kann!“
Sekundenbruchteile absolute Stille. In unser schallendes Auflachen mischte sich das  überschlagende Gekreische vom Richter, der die Verhandlung augenblicklich unterbrach. Dackel umgehen hinausführen ließ, ebenfalls die restlichen Anwesenden, bis auf unsere Gruppe nebst Zeitungsmenschen.
Einzeln wurden wir nach vorn gerufen, belehrt und mussten alle wegen „Missachtung“ des Gerichtes eine Geldbuße von 10 Mark abdrücken. Mich hob der Genosse Richter bis zum Schluss auf. Begann nebenher einen nicht enden wollenden Salm, ohne Punkt und Komma.
Klar, in einem Dorf von 15 000 Einwohnern kannten sich die Alteingessenen, sämtliche dummroten Zecken sowieso. Was macht dieser Eierkopp? Bezieht meine Familie und die Abwege als missratener Sohn mit ein.
Dem musste gegengehalten werden, zumal alle Kumpels an der Tür auf mich warteten und amüsiert das Geschehen beobachteten.
Meiner Bitte nach Abkürzung dieser Litanei, entsprach der Richter umgehend. Lauthals verdoppelte er aber meinen Einsatz.
„Die Meue“ sammelte anschließend in der „Klemme“ 20 Mark…

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