Twang-Gitarren-Linksfotsch Dick Dale, König der Surfmusik, geht nicht mehr einkaufen

Nehme jenes Ereignis zum Anlass, mal wieder etwas in die Tasten zu masturbieren…
Las vorhin im TAGESSPITZEL den entsprechenden Artikel – dem ist nichts weiter hinzuzufügen, lediglich die Tatsache, der verblichene Typ wird bei heutigen Zeitgenossen *INNEN usw. relativ unbe­kannt sein. Wusste allerdings auch nicht, dass er in den letzten Jahren immer noch herum tourte.
Nur gut, der Artikel stammte Christian Schröder!
H. P. Daniels hätte sich bestimmt wieder in Nebensächlichkeiten verstrickt, jenen Part nehme ich Ätsch Pi mal ab.
Im Laufe des Tages wollte ich Stingray Music lauschen und machte dafür die Glotze an, dort lief gerade ein Programmhinweis für heute Abend: Plattgemacht, Wenn ein Stadtteil verschwindet – bekam mit, wie toll alles mal war!
Unter der Prämisse, die in Jahrzehnten gewachsenen Strukturen abzuleuchten, ist beliebig. Wäre in einem Slum auch nicht anders! Um wie viel besser das Leben von großen Bevölkerungsteilen vorher ablief, wenn plötzlich gewohnte Rahmenbedingung wegbrechen, registrierte ich 1966 in einer Rostocker Heinkel-Siedlung. Eine Ische von mir lebte dort mit ihren Eltern, diese schwärmten genauso, wie deren Altvorderen, von den tollen Lebensverhältnisse unter Adolf damals…

– Unvermittelt kamen mir dabei Erinnerungen an Dick Dale hoch, muss dazu allerdings mit Herumkramerei in der Schublade meiner ausgehenden Kindheit beginnen…
Mit zehn Jahren reichte mir Opas Detektor nicht mehr, hinzu kamen die ewigen Bestrafungen, wenn mich die Erziehungsberechtigte wiedermal beim Lauschen von Westsendern erwischt hatte. Was mit einer ausgewchselten Langwellenspule, lediglich RIAS – Berlin betraf.
Also musste ein Radio besorgt werden, aber woher und nicht stehlen?
Nach dem Büchlein: Mit Spule, Draht und Morsetaste (DDR 1953), folgte anschließende Literatur, zu verbauende Teile wurden verbotenerweise auf den Müllkippen der Umgebung gesammelt, dies dauerte mir alles zu lange.
Da kam unerwartete Hilfe von meinem asozialer Kumpel, mit dem ich absolut keinen Kontakt pflegen durfte – Raimund Kurzel, späterer IM „Büffel“. Der war unwahrscheinlich scharf auf mein altes Schaukelpferd, an dem Ross ließen sich die gerundeten Kufen umdrehen, dann konnte man damit rollen. Er wollte mir eine alte Goebbelsschnauze (DKE 38) besorgen, musste allerdings meinen Teil dazu beitragen und während des Wegfindens Schmiere stehen.
Raimund stieg in die Tischlerwerkstatt vom alten Stolze ein, der war sein Nachbar…
Das kleine Teil verschwand in einem Jutesack und wir rannten über den Alten Markt zu mir nachhause.
Kürze den Rest der Aktion ab.
Keine zwei Stunden war diese Flachzange im Besitz jenes Zossen. Setzte sich der Depp doch auf das rollende Gefährt und wollte darauf die Schulgasse hinunter rasen. Schaffte es bis auf Höhe des Hauses vom Zahnarzt Dechow, als ein Pkw, vom Markt aus, um die Ecke preschte. Vor Schreck sprang er recht ungeschickt ab, wobei vom Pferdchen das rechte Vorderbein brach, während seine anschließenden Erdung mit vielen Malaisen am Körper endete. Humpelt brachte sich der dusselige Reiter vor dem wütenden Fahrer in Sicherheit, am Kino vorbei, das Spatzengebirge hinauf in Richtung der Schulgasse. Wollte anschließend sofort alle kaputten Reste aufklauben, die waren aber nicht mehr vorhanden.
Dem Typ hätte ich es sogar zugetraut, das in die Brüche gegangen Pferdchen beim vorher beklauten Tischler, wieder reparieren zulassen…
Aus meiner Beute schlachtete ich vorsichtig die Innereien aus, zertrümmerte deshalb das Bakelitgehäuse und vergrub die Reste im Garten. Das Chassis wurde erst mal in einen Schuhkarton aus Pappe eingebaut, alles weitere fand sich dann, zimmerte einen neuen Kasten, modifizierte den Audion auch mit weiteren Spulen für verschiedene Kurzwellenbereiche.
Dies ging anfangs mit leichten Schwierigkeiten einher, wegen fehlender Wellenschalter. Kam auf schließlich auf die Idee und erledigte alles mit einem Sowjet-Patent. Setzte irgendwo eine zusätz­lichen Röhrenfassung ein, auf dem verbliebenen Röhrenrest wurden dann die entsprechenden Spu­len befestigt. Es handelte sich für meine Kundschaft immer um austauschbare zusätzlich Wicklungen für das 49 Meter­band, zum täglichen Empfanges von Radio Luxemburg. Man glaubt es kaum, was in der Zeit, An­fang der 60er Jahre, für Massen an Goebbelsschnauzen noch auf den Schuttplätzen landeten.
Selbige umgemodelten Empfänger tauschte ich ewig gegen Sachen ein, welche mir aber nebenbei sehr viel Schwierigkeiten bereiteten, da meine Mutter ewig überall herumstöberte. Stand natürlich ewig auf alle mögliche Schmutz und Schundliteratur aus dem Westen! Die Krönung waren ein Zündplättchenrevolver und das total verrostete Überbleibsel einer Schmeisser MP 40!
Als durch meine Dummheit immer mal etwas von dem Zeug hochgezogen wurde, folgten auf den Fuß wochenlange Stuben- und Gartenarreste, weil ich nie verriet, wo alles herstammte. Außer Mitt­wochs, da musste ich zwingend an den Pioniernachmittagen teilnehmen. Allerdings drückte Opa durch, dass ich während solcher Verurteilungen, am Donnerstag, auch noch an der Junge Geologen-AG teilnehmen durfte…
Endlich konnte ich relativ gut AFN, Radio Freies Europa und Luxemburg lauschen, Twang-Hits wurden auch immer wieder auf Radio Prag gespielt.
Zu jener Zeit begannen Weißbrote den Twang-Sound populär zumachen, dazu gehörten damals besonders Duane Eddy, The Ventures, Dick Dale, The Spotnicks aus Schweden und The Shadows. Weiterhin floss der Twang in Country & Western, Rockabilly und dem Surf-Rock ein.
Die Zone hinkte wieder hinterher, allerdings gab es kurzfristig auch dort eine entsprechende Band – „Die Sputniks“!

Ein Gedanke zu „Twang-Gitarren-Linksfotsch Dick Dale, König der Surfmusik, geht nicht mehr einkaufen

  1. H.P. Daniels

    Hallo Klaus,

    hab das hier gerade zufällig entdeckt. Was für eine schöne Geschichte … was für Erinnerungen.
    Mein erstes Radio war übrigens auch ein Detektor … in München, also im Westen. Nur, dass bei uns die Bauteile ganz leicht zu bekommen waren: Spule, Diode, Drehkondensator, Antenne, Steckbuchsen, Kopfhörer und was man noch brauchte, konnte man um die Ecke im Elektrofachgeschäft kaufen.
    Ach, und Radio Freies Europa (RFE), den westlichen Unterwandersender für den Osten – vielleicht wirst Du es nicht glauben, aber den haben wir auch im Westen, also zumindest in München – mit großer Begeisterung gehört, eben weil da nonstop “unsere” Musik lief. Was ja schon ziemlich exotisch war: Ich saß da in München und hörte diesen tschechischen Sender, wo ich von den Moderatoren kein Wort verstanden hab. Ich werde allerdings nie vergessen, wie da oft die Titel angesagt wurden … was für mich etwa so klang: “Bisnitschka Rrrrollink Stohns” oder “Skuppina Prrritty Tinnks” … so ähnlich.
    Die Zentrale von Radio Free Europe war – wie ich damals irgendwann mit Staunen feststellte – in München.

    Doch bevor ich mich hier in Nebensächlichkeiten verstricke, jetzt mal was ganz anderes:
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/pop/konzertkritik-dick-dale-im-roadrunners-club/1807192.html

    … und noch eine andere Nebensächlichkeit:
    Mein Roman “Runaway” ist gerade im Transit Verlag erschienen …

    Herzlich
    HP

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