(SZ)Trübsal trat früh ins Leben der Autorin Alice Munro, und wer möchte, kann davon aus sicherer Entfernung in ihren Kurzgeschichten lesen. Die dort auftretenden Figuren tragen oft schwer an Wunden, wie sie das Leben in Haidhausen oder auf dem Killesberg selten sch1ägt,ja nicht einmal in
Heslach. Eine dieser Figuren jedenfalls, ein Mann mit Gartenschere, bekennt im Band ,,Liebes Leben“, er fühle sich eigentlich immer nur dann wohl, ,,wenn ich etwas tue, was erledigt werden muss“. Als Bürger dieses unseres Landes wird man da seinerseits kurz die Gartenschere zur Seite legen oder in Gang 13 des Baumarkts bei den Holzdübeln innehalten und sekundieren: Ja, genauso ist es, denn wäre es nicht so, ich nähme mir die Zeit, ein wenig darüber nachzudenken. Aber diese Zeit ist eben nicht, weil ständig etwas gedübelt und gekehrt oder Verpackt und verschenkt oder eingesammelt und hingefahren werden Will. Die Wenigen Pausen, die bislang zwischen dem vielen Müssen geblieben waren, hat nun das Smartphone verstopft mit seinen leuchtenden Abhängigkeitsangeboten. Im Ergebnis der ständigen Beschäftigung mit allem müssen Wir nun bei der dpa lesen: ,,Freizeitstudie: Menschen in Deutschland verlernen das Genießen“.
Da geht es ja schon weiter: Wenn ein Deutscher merkt, puh, bisschen viel los gerade, dann legt er nicht etwa die Füße hoch oder genießt den Sonnenuntergang, nein, dann wird erst einmal eine Freizeitstudie erstellt, wo kamen wir denn sonst hin, am Ende vielleicht ja wirklich noch zum Entspannen. Früher machte man das ja an der See, wer aber heute an die See fahrt, auf den wartet dann meistens schon eine Kursleiterin, die einem freundlich lächelnd erklärt, dass man selbst zum Atmen zu doof ist. Wenn solche Urlaube teuer genug sind, dann gelten sie als Achtsamkeitstraining, und ein solches zu besuchen, ist natürlich immer noch besser, als jeden Abend aus dem Weinkeller die Treppe hochzuschaukeln und den zweiten Syrah mit dem Hinweis zu entkorken, man sei nun mal ein Genusstrinker. Woran es aber offenbar dazwischen fehlt, das ist jenes Faulenzen, das man Oblomowisierung nannte, als auch schon keiner Zeit hatte, in Iwan Gontscharows ,,Oblomow“ vom titelgebenden Helden zu lesen und dessen Forderung nach einem ,,Recht auf Faulheit“.
Genuss ohne Optimierung, vielleicht ist es das, was Oblomow meinte. Genuss mit Optimierung unterscheidet sich davon erheblich und liegt zum Beispiel dann vor, wenn Menschen einen Freizeitpark bauen. In einem solchen wurde übrigens Angela Merkel mal von der Drittklässlerin Luca interviewt, und diese fragte, Was sie, die Kanzlerin, in ihrer Freizeit denn so mache.
Merkel sagte, ,,Manchmal sitze ich ein bisschen und spreche mit meinem Mann“, und wenn das Wort Genuss an der Stelle auch nicht explizit fiel, so schwang es doch heimelig mit, zwischen den Zeilen.
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