Who the fuck is Johann Caspar Schmidt?

Letzten Dienstag musste ich in der Baguetterie mal wieder auf die „BZ“ zurückgreifen, weil die beiden TAGESSPITZEL sich verflüchtigt hatten und traute dann meinen Augen nicht.
In jener Postille existiert periodisch eine Seite, auf der man Leuten gedenkt, die sich in die ewigen Jagdgründe verkrümelt haben. Es wird hin und wieder auch an Persönlichkeiten erinnert, die eigentlich schon lange dem Vergessen anheim gefallen sind.
Besagte sog. Nchrufe in der Springerpostille finde ich oft besser, als die freitags im Tagesspiegel, da sie kürzer gefasst sind und ohne zusätzliches BlaBla auskommen.
Im Holtzbrinck-Blättchen keimt in mir oft der Verdacht auf, dass deren Artikel letztlich nur wegen der Knete gestreckt werden. Darüber hinaus stolperten meine Äuglein in den „BZ“ noch nie über Nachrufe auf irgendwelches dummrotes Stalinistenpack aus dem Osten, deren Biographien teilweise auch noch unsäglich geklittert werden von Schreiberlingen, die sich ihr Handwerk noch im sozialistischen Schlaraffenland aneigneten…
Fand ich schon bemerkenswert, dass ausgerechnet Berlins größter Zeitung aus Springers Medientempel in der Kochstraße, an Stirner erinnerte. Ob da jemand auf seinem langen Marsch durch die Institutionen in besagtem Hochhaus hängen geblieben war?
Jene Notiz, über die Schlichtheit des Grabes von Max S., hätte ich eher einem bekifften Redakteur der Schülerzeitung zugetraut. Möchte aber auch niemanden überfordern, schließlich kennt doch heute fast keine Sau mehr diesen Mann. Trotzdem sollte der geneigte Leser die wenigen Zeilen bei WIKI mal überfliegen. Und anschließend den einen oder anderen Vergleich mit  implodierenden Sprechblasen heutiger Polit-Stare anstellen!

– Beim Lesen fiel mir einen Begebenheit vom Januar 1990 ein.
An jenem schönen, aber frostigen Tage schlamperten Decker und ich, auf unseren damaligen Phototouren, die Invalidenstraße gen Osten entlang. Am Eingang des dortigen Friedhofes der Sophiengemeinde kam von ihm: “Los Alter, wir wollen doch mal sehen, ob die Kommunisten das Grab von Stirner erhalten haben!“
Viel Hoffnung hegten wir nicht.
Zu Mauerzeiten war der gesamte Friedhof eine No-Go-Area und nur mit polizeilichen Sondergenehmigung zu betreten. Das war einmalig, nirgends auf der Welt wurden Tote so optimal bewacht, wie dort.
Vom hinteren Teil des Gottesackers, Richtung Bernauer-Straße, war außerdem ein ziemlich breiter Streifen gekappt worden, weil das zoffjetzonale Pankoffregime (O-Ton, Conny Adenauer) dort ihre lotrechte Autobahn entlangführte. Onkel WU dazu sogar eine Kirche in die Luft jagen ließ, weil sie die Ästhetik der entstandenen Sichtachse beeinträchtigte und das freie Schussfeld behinderte…
Wir also auf den Friedhof drauf, der sich nach hinten immer verwilderter präsentierte.
Irgendwann kam uns eine alte distinguierte Dame entgegen, die uns nach der kleinbürgerlichen Begrüßungsfloskel sofort ansprach.
„Entschuldigung meine Herren, sie suchen doch bestimmt das Grab von Max Stirner.“
Auf unsere verblüfften Blicke hin, kam nur: „Bitte folgen sie mir!“, flott dackelten wir hinterher und hatten Mühe ihr zu folgen.
Wenige Meter vor dem Ziel hielt die Lady unversehens an, wies in besagte Richtung, verabschiedete sich freundlich und weg war sie.
Was sich dort präsentierte, verblüffte total.
Ringsherum alles wild zugewuchert mit Bäumen, hohem Buschwerk, Knöterich und Efeu, weiter hinten schimmerte das Band aus weißen Mauerteile durch.
Weshalb wir auf dem Gotteacker kein ordentliches Schussfeld für die Grüne SS* vorfanden, blieb schleierhaft.
*Spezieller Ostberliner Begriff, der nichts mit den Rotten von Heinrich Himmler zu tun hatte, lediglich wegen des ewig zu vernehmenden Idioms. Da gerade um Westberlin herum, anfangs bevorzugt Sachsen für den Ehrendienst am Antifaschistischen Schutzwall herangezogen wurden. Die Verbindung zu GRÜN kam wegen jener Umrandung aller Schulterstücken der Grenztruppenangehörigen zustande und SS bedeutete letztlich nichts anderes, als Sächsische Schweine oder SachsenScheiße…

Das Schauspiel vom Wildwuchs der Natur bezeichnet man ja heute als „Sukzession“. Dieser Begriff ist im innerstädtischen Bereich eine echte Verarschung. Da nirgendwo mehr Knete vorhanden ist, überlässt man diese großflächigen Areale der Natur, deklariert sie anschließend als ökologisch, wertvolle Sphären mit hohem Freizeitwert und spart ganz nebenbei die schweinisch hohen Kosten für Altlastentsorgungen und Fundmunitionssuche
Momentan schiebt man den Spekulanten noch unbelastete Freiflächen und Kleingartenanlagen, für ihre entsprechenden Aktivitäten in den Arsch. In wenigen Jahren, wenn auch die politischen Voraussetzungen geschaffen wurden und sich die
Altlastentsorgung rechnet, werden ruckartig auf dem Südgelände und dem ehemaligen Tempelhofer Flugfeld Townhouses, wie Pilze aus dem Boden schießen.

Unbekannte hatten um das Grab herum ein kleines, tunnelartiges Gewölbe, von vielleicht 2 Meter 50 Höhe aus dem Buschwerk herausgeschnitten. Alles sah auch relativ dicht aus, wegen der verwelkten Blättern an den Ästen und dem überall durchgewachsenen Efeu.
Um die Grabplatte herum alles geharkt und gepflegt…
Irgendein Ostberliner Fotograf machte mal ein sehr lustigen Schnappschuß von der Außenmauer dieses Friedhofs, aufgenommen längs der Invalidenstraße oder an der Bergstraße. Profihaft mit großen Lettern angepinselt, konnte jeder monatelang lesen: Heraus zum 1. Mai!

…ganz in der Nähe existierte bereits eine ausgelatschte Schneise bei ALDI, quer durch die recht breiten Grenzanlagen, über die Bernauer, in den Westteil der Stadt. Auf der wir dann anschließend rüber machten. Dort lungerten sogar noch zwei Ostgrenzer, in voller Kriegsbemalung auf dem Postenweg in ihrer grünen Rennpappe herum, sie nahmen aber nicht mal mehr Notiz von uns.

Ein Gedanke zu „Who the fuck is Johann Caspar Schmidt?

  1. Pingback: Gestern fand das jährliche Betroffenheits-Event an der Kranzabwurfstelle Bernauer Straße statt | Blogwart Zonenklaus

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