Wenn ich mich richtig erinnere, wurden im „Alten Kühlhaus“ früher mal „Senatsreserven“ gebunkert, dann stand das Teile über 20 Jahre einfach so herum. Nun ist man dabei diesen Klotz in einen Kulturtempel umzuwandeln, die Entkernung muss eine Heidenarbeit gewesen sein, bei der damals vorgegebenen Deckenbelastung.
Jedenfalls korrespondieren Ausstellung und Innenraum optimal, diese Baustelle strahlt einen zusätzlichen Charme aus. Die großflächigen Photos belegen wieder einmal mehr, wie respekt- und rücksichtslos gewisse Kreise im Amiland Ressourcen und Umwelt handhaben, dies alles geschieht nur unter der Prämisse von Kosten-Nutzenrechnungen. Wenn die Amis damals mit der gleichen Geschwindigkeit gebaut hätten, wie es hier angesagt ist, sie wären niemals fertig geworden.
Deshalb konnten sie nebenher auch jede Menge Zeit für die künstlerische Gestaltung aufwenden.
In unserem gelobten Lande scheißt das Kapital oft witzlose Haufen aus verglasten Stahlbetonbunkern oder „moderner“ Schießschartenromanik“ (Etwas größere Plagiate einstiger Wehrkirchen in der Altmark!) und 1% der Bausumme darf als „Kunst am Bau“ verplempert werden.
Geil kamen die Ansichten dieser einstmaligen Tempelanlagen aus fetten Dollarzeiten rüber! Sie hinterließen bei mir manchmal den Eindruck, als ob mit den Kameras Blicke in gigantische Wänste eingefangen wurden, von lange vergammelten Riesensaurieren, wo oft nur noch Skelette mit aasigen Hautfetzen übriggeblieben waren.
Ganz anders stellte sich das einzelne Piano dar, vielleicht sah es bereits am Ende einer 24-stündigen Pianosession von Jerry Lee Lewis und Little Richard so aus…
An einem Provisorischen Counter gab es so viele Kataloge, dass die Dame sie sogar verkaufen musste. Aus irgendeinem Grund erstand ich dann doch keinen, unter Umständen war der Preis das entscheidende Argument, 65 OI…
Anschließend endete der Abend im “Yorkschlösschen”.
Kreuzberger-Chronik
In den letzten Jahren hatte ich mich in dem Laden etwas rar gemacht, trotzdem krallt er mich immer mal wieder, wie letztens geschehen. Recht ungewöhnlich kamen mir die Klänge an jenem Abend vor, es wurde in dieser Berliner Kneipe – Deutsch – gesungen. Das Robert Reckin Imperium gab sich die Ehre, klasse Mucke! Der Gesang vom Boss lässt sich stimmlich als gelungene Symbiose zwischen Ernst Busch und Tom Waits ansiedeln.
Wolf und meine Wenigkeit bekamen allerdings nicht allzu viel mit, denn wegen der Schnackerei hockten wir entweder im „Raucherseparee“ oder in den hinteren Räumlichkeiten.
Die Gentrifizierung hat auch vor diesem Laden nicht halt gemacht, allerdings auf eine sehr angenehme Art – kein Wunder – bei dem Chief! Dies ist nur der jahrzehntelangen Beständigkeit von Olaf Dähmlow zu verdanken!
Setze mal die Heimatseite von der Kneipe rein, man kann ihr längere Zeit stöbern. Noch etwa zu seiner Speisekarte, sie beinhalte keinen 5-Sternefraß, aber gleichbleibende, reelle Kost, wie ich sie bereits seit über 40 Jahre schätze.
Noch etwas kommentarisches!
Seite 20 vermittelt nur ein ganz winzigen Eindruck der Musikszene, die sich dort bereits schaffte.
Bei den Seiten 22 und 23 ist es ähnlich, außerdem hinkt da jemand mit der Statistik nach, es fehlen wiedermal mehrere Kreuzchen hinter einigen Namen.
Nicht nur die die sorgfältig gekreuzten wecken immer wieder Erinnerungen, da könnte ich stundenlang drüber erzählen.
Drei kurze Begebenheiten lasse ich noch einfließen.
– Zu einer Zeit, als auf dem Lützowplatz noch die „Taverne“ gleichen Namens stand, ein ziemlich großflächiger Bretterbau, mit dem Charme einer Baubude aus Halle-Neustadt der sechziger Jahre, fanden dort ewig Rock´n Roll Mucken mit „Jacky & his Stragers“ statt. Dort lernte ich gemeinsam mit Meggi M., irgendwann mal dieses alte Gitarrenfossil kennen, beim entsprechenden Stichwort ließ er öfters einfließen, das bei ihm die „Beatles“ noch als Vorgruppe aufgetreten waren…
– Noch etwas zu „Nulpen-Daggi”. Sie bewirtschafte Kneipe Nummer 2 vom Bermudadreieck für kiffende Alkies: Delirium, Nulpe, Yorkschlösschen. Wobei man bei den beiden letztgenannten Destillen nur über den Damm musste…
Anfang der neunziger hatte Daggi beschlossen ihr Leben freiwillig zurückzugeben. Sie regelte vorher wirklich alles, bevor sie die Dienste von des Seilers Tochter in Anspruch nahm, sie dachte sogar an den Umtrunk zu ihrer Beerdigung, zehn Flaschen Fernet Branca für die anwesende Gemeinde, unter der Bedingung, dass ein Trompeter „Ich hatt´einen Kameraden“ trötete, alles sollte sehr lustig ablaufen. Sie hatte oben auf ihrer Wolke bestimmt Tränen gelacht.
An ihrer Beisetzung nahm ich Weichei leider nicht teil, denn es schüttete an jenem Morgen wirklich stundenlang Mistgabel.
Irgendwann wurden einige Leute recht übermütig, als plötzlich die Längskante der Grube wegbrach und mehrere Trauende sich plötzlich im Grab wiederfanden und dies bei strömenden Regen und infernalischen Matsch…
– Ein Bekannter hatte zu einer Mittwochsession im Yorkschlösschen ein halbstündiges Video (es existiert noch vermüllt bei mir, genauso wie stundenlange Mittschnitte) verzapft. An jenem Abend war dort die Hölle los, unser Truppe hockte auf dem ollen Kanapee ansonsten konnte in der Kneipe niemand umfallen. Bewundernswert waren nebenbei immer die Auftritte der Kellnerinnen, die mit vollgeladenen Tabletts sich den Weg bahnten mit lautem Trillergepfeife. Auch an dem Abend brachte Ben \”King“ Perkoff den Laden wieder zum überkochen, indem er mit dem Saxophon über mehrere Tischen tänzelte, um sich schließlich auf unserem Tisch fast zuverausgaben…
Ein paar Wochen später…
Ben hielt sich wiedermal zu Hause auf und Decker sollte ihm dieses Vijo in San Francisco übergeben. Was auch klappte. Irgendwann äußerte der Bote den Wunsch eine Zigarette einzupfeifen – natürlich außerhalb! Ben begab sich noch kurzfristig auf Toilette und folgte ihm und bekam vor der Tür einen mächtigen Schreck, als Decker dort stehen sah. In der einen Hand das Bier, in der anderen der Glimmer. „Mann, Klaus! Du musst zwar draußen rauchen, du darfst aber auf keinen Fall dein Bier mit raus nehmen, da kann der Wirt seine Konzession auf Jahre loswerden!“
Diese Segnung werden wir auch bald haben…
Freitag, 6.1.´12 – The Ruins of Detroit“ – im entsprechenden Ambiente
Schreibe eine Antwort