Auf diese Art – erstmals vielen Dank an B.H. in Ellenberg!!!
In dieser Woche erhielt ich jenes Büchlein, was ein Sack voll Erinnerungen enthielt. Viele bekannte Leute tauchten dort in Wort und Bild auf, zu einigen pflege ich immer noch Kontakt.
Manche blieben im Osten, andere landeten im Westen.
Im Osten wie im Westen rafften es einige nicht.
Manchmal kann sich eine großer Freundes- und Bekanntenkreis als sehr hinderlich herausstellen…
Gezählt habe ich die Kunden nicht, die hüben und drüben schließlich an der Volksdroge hopps gingen, hier und jenseits des Zaunes ihr Leben freiwillig zurückgaben. Schließlich auch im Westen wieder einfuhren, wegen Mord, Totschlag, Raubüberfällen oder sonst was…
Kunden darunter, die plötzlich zu pumpen begannen.
Bei einem waren wir kurz am Überlegen, ob wir nicht an einer bestimmten Stelle anonym einen Tip geben sollten, der Junge fuhr einen 30-Tonner, musste in seinen letzten Wochen sogar im Transit einen Schuss setzen…
Hier enden meine destruktiven Betrachtungen und gehe etwas auf Sachen aus dem Büchlein ein.
– Beginne auf Seite 10.
Die hellbraunen Wildlederbotten waren keine „Kletterschuhe“ – siehe Rückseite vom Einband!
Jene Teile nannte man „Clarks“.
Im Rahmen der neuen Ostpolitik unter Brandt und dem Viermächteabkommen der Alliierten 1971, kam es kurz darauf zu dem Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Im Verlauf dieses Abkommens verpflichtete sich die BRD zur Zahlung der ewig angemahnten „Postschulden“ in Höhe von 600 Mio. DM.
Viele impotente Greise des Politbüros rechneten mit harter Währung – aber Anschiß – der Westen machte daraus ein Kompensationsgeschäft und zahlte im Gegenwert mit Zeug von der Halde. (Gleiches geschah nach der Maueröffnung, da tauchten plötzlich Produkte wieder auf, die Jahre vorher aus den Kaufhäusern verschwunden waren, speziell Unterhaltungselektronik.)
Höherwertige Dinge landeten in den Interschops – so kam schließlich doch noch etwas Westknete herein – dann folgten die Beschickung von Exquisit- und Delikatläden, der Jugendmode, schließlich landete das restliche Gelumpe in den Kaufhallen der Provinz. Wenn mich nicht alles täuscht wurden für „Clarks“ zwischen 30 bis 100 Mark aufgerufen, je nachdem, wo man sie erstand.
– Zu einer bestimmten Sorte Puschen muss ich hier noch etwas ablassen.
Eine Bekannte war Anfang der 90er Jahre in den Besitz des vielseitigen Beschwerdebriefschatzes eines berühmten Nörglers der Zone gelangt und veröffentlichte seine Schriften im Selbstverlag.
Der Typ hatte sehr leichte „Sommerschuhe“ erstanden, die innerhalb weniger Tage im Arsch gingen und wandte sich anschließend an den Hersteller. Flugs schrieb er an die schwedische Firma einen geharnischten Brief und erhielt prompt eine recht verdutze, aber lustig verfasste Antwort.
Die Skandinavier konnten absolut nicht verstehen, weshalb diese Einwegschuhe nach dem Anziehen ihren Geist aufgaben.
Es handelte sich nämlich um Schlappen für Aufgebahrte zu Trauerfeiern, während der Präsentation des Abgenippelten im offenen Sarg… (*)
In jenen Tagen schenkte Lenchen in der Sangerhäuser „HOG „Kylisches Tor“ den „Kröver Nacktarsch“ (Wirklich keine besonderer Tropfen – aber aus dem Westen!) nur an auserwählte Stammkundschaft aus. Wir erhielten die Pulle in einem Sektkühler und das Etikett war vorher abgelöst worden…
Weiter zum Equipment eine „Trampers“, merkwürdiger Weise wurde ich in den bestimmten Akten ewig als „aktiver Beatanhänger“ bezeichnet.
Kurzzeitig besaß ich auch „Clarks“, die aber auf einer Radtour durch den Harz, mit Stoney und Pfeffi, den Geist aufgaben, da bei meinem Fahrrad die Bremsen nicht funktionierten, stoppte ich auf dem Vorderrad mit den Schuhen, dabei lösten sich die Sohlen auf…
Kurz darauf hatte ich dann US-Springerstiefel.
Im Jahr ´70 besaß auch ich ein Ärztekoffer, allerdings die kleinere Variante.
Dort passte grade soviel rein, wie in den Buko einer Frau. Stimmt nicht ganz, notfalls passte auch noch eine Literpulle „Kumpeltod“ oder zwei Buddeln „Vin rouge ordinär“ rein – algerischer Rotweinverschnitt oder dieses merkwürdige Gesöff aus Titos Schlaraffenland...
Gott nochmal, auf was für merkwürdige Einzelheiten fallen mir denn heute alles ein?
Der Koffer wurde gegen einen Weltkrieg-I-Tornister (Affen) eingetauscht, war es leid, zu dem Köfferchen immer noch die Povtüte solo herumzuschleppen. Zu eben dieser Zeit erstand ich bei einem Trödler in Eisleben, für 10 DM einen Gestapo-Mantel, der sollte umgepfriemt werden. Nun ergab es sich aber, dass den Sattlern von der Kolchose in Sangerhausen verboten wurde, uns in ihrer Reparaturstätte am Kornmarkt werkeln zu lassen. Dabei fanden es die alten Knaben immer sehr witzig, wenn wir unseren Lederschmuck, Gürtel und Latschen dort selber herstellten, nebenbei gaben sie auch noch tolle Tips.
Bei dem nun wertlosen Mantel half mir der Zufall und das Teil wurde bei einem Arbeitskollegen gegen eine Rotfrontkämpferjacke getauscht.
(Als ich mich Ende ´72 aus Melkow verkrümelte, weil ernstlich eine kleinbürgerlichen Nische angesagt war, landete die Jacke für zwei Flaschen Schluck bei Kutti.
Er verstarb bereits in den 90ern, viel zu jung, aber eines relativ natürlichen Todes.)
– Seite 50
Schon lustig was die Stasideppen dort abließen.
Manches stimmte sogar.
Dabei besaßen die meisten noch nicht mal eine „antisozialistische Grundhaltung“, das wichtigste war eigentlich Musikhören und machen, wenn es ging mit einer Lautstärke, dass einem die Hochwaffeln flatterten und vor allen Dingen nicht den Scheiß, den man uns ewig vorsetze.
Das fällt mir etwas vom Frühsommer ´66 ein.
In Rostock existierte eine kleine Freilichtbühne.
Nebenher gab es ewig Zoff zwischen „Beatles“ und „Stones-Fans“, aber jener Nachmittag verblüffte die Organe.
Eine schwedische Band sollte spielen, was machten aber die Kulturfuzzies?
Statt am Eingang gleich zusagen, dass den Jungs der Auftritt verboten wurde, da hätten wir sofort beigedreht – nee – nun begann sozialistische Beatkultur, wie sie in den Köppen der roten Dödel entstand.
Dabei fing alles lustig an.
Der Conferencier (so nannte er sich) begann folgendermaßen: „Liebe Jungendfreunde, ich bin heute euer Führer!“
Tief Luft holen…
Alle lachten wiehernd auf.
„Aber nicht was ihr so denkt!
Wie der kleine Anstreicher aus Braunau, der aus Deutschland das machte, was er mit seinem Bart tat – nämlich kurz und klein…“
Irgendwann schien die Nase uns nur noch die Ohren abzukauen, gleichzeitig sickerte durch, dass die Band nicht auftreten würde und Frohsinn waberte durchs Rund, wie bei einer Fete von der „Volkssolidarität“ für Arbeiterveteranen.
Als Höhepunkt wurde dann eine schwangere Rosemarie Ambé präsentiert…
Mehrere Monate vorher hatte man in Wertberlin nach dem Stones-Konzert die Waldbühne auseinandergenommen wie ein Wettbüro
1. Fußnote:
1990 ging es mit Gunter nach Ebersbrunn, in den von Musikern gefürchteten Laden von der Größe einer Bahnhofshalle, der sich ganz schlecht beschallen ließ. Dort ging mächtig die Luzie ab, mir kam es vor, als ob keine siebzehn Jahre dazwischen lagen – fast wie damals, mit einem kleinen Unterschied.
Lange Haare, Shellies und viele abgefüllt wie Stinte…
Es gab auch Pärchen, die sich weit weg von jeglichen Stellungen aus dem Kamasutra vergnügten…
Aber – es wurde kein Faustan, Radepur oder Parkopan mehr geschmissen, dafür hing über alledem ein undurchdringlicher, süßlicher Duft…
2. Fußnote:
Von der Weimarer Formation „Knuff“ habe ich irgendwo noch Aufnahmen ihrer Reunion in W-Berlin der Mittachtziger, mit Wolle, Meier, Ditscheck und Schulze.
Die Aufnahmen gelangen in einer ganz miesen Qualität, da mein AIWA nur über eine automatische Aussteuerung verfügte.
Stefan knüppelte alles darnieder, auch auf meine Bitte hin war er nicht bereit, mal kurzfristig etwas leiser zu agieren: „Ich bin Rock- und keine Blues-Trommler!“
Aber – es wurde kein Faustan, Radepur oder Parkopan mehr geschmissen, dafür hing über alledem ein undurchdringlicher, süßlicher Duft…
Schade, auf die Schnelle fand ich den entsprechenden Leitzordner mit den Negativen und Kontaktabzügen von diesem nostalgischem Gig nicht
2.Fußnote:
Mir fiel letztens mein ´74ger Taschenkalender in die Hände.
Die von der BStU müssen auch verdammt viel Zeit haben, weshalb wurde denn fast jede Notiz gestempelt?
(*) Google mal unter: Informelle Konfliktbewältigung
Zur Geschichte der Eingabe in der DDR
Dissertationsschrift zur Erlangung des Dr. phil., vorgelegt der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz von Felix Mühlberg
Siehe: 3. Die Geschichte der Eingabengesetzgebung in der DDR – Seite 87