Alles Komiker oder was?

Zweisprachige Analphabetin (64) muss zum Deutsch-Kurs.
Nun aber ran, denn bei ihrer durchschnittlichen Lebenserwartung von etwas über 80 Jahren, bleibt nicht mehr viel Zeit.
Mir fiel bei diesem Artikel ein, nebenher könnte man ihr ja auch gleich noch etwas die Rechnerei beibringen. Die erste Textaufgabe hätte sogar einen praktischen Wert. Wie viel Stunden muss sie in der Woche „lernen“, wenn der Unterricht von 9 bis 13 Uhr stattfindet usw.
Nun waren für Familie Cehavir die ersten 15 Jahre in Westeuropa, was Deutsch angeht, verlorene Liebesmüh´. Denn außer dem verblichenen Führer, sprechen Ösis bekanntlich einen recht merkwürdigen alpenländischen Dialekt – allerdings macht die hiesige Sprachschule einen guten Schnitt.
Richtig lustige Sachen kommen von der ethnisch vorbelasteten Tante des Jobcenters: Unsere Vermittlungsfachkräfte (Natürlich alles Eksperten und Innen!) sind geschult, Lese- und Rechtschreibschwächen zu erkennen und Lösungswege aufzuzeigen…
Natürlich kann man darüber streiten, ob ein Integrationskurs für eine 64-Jährige für deren berufliche Perspektive sinnvoll ist…
In totaler Unkenntnis der Situationen in (nicht nur) türkischen Familien setzte die große Ekspertin noch einen drauf: Allerdings tragen deutsche Sprachkenntnisse ja auch dazu bei, das alltägliche Leben in Deutschland zu erleichtern. (*)
Klingt fast so, als ob jene Erkenntnis vom Herrn Dieter Lenzen (Ein mächtig gewaltiger  Erziehungswissenschaftler) stammt, der Professor Dr(?) ließ in Richtung Integration mal ab, wir müssen dafür Sorge tragen, dass türkische Familien zu Hause „DEUTSCH“ reden…!
1976 war ich der erste Bundesgermane in der berühmten Firma Sonnenschein, der begann private Kontakte zu den osmanischen Arbeitskollegen zu knüpfen. Nebenher wurden mir ganz private Probleme offeriert, weil ich sehr oft  deren Behördenkram erledigte…
Wette um eine Flasche Gehacktes, weder Herr Lenzen, noch die Sprecherin vom Amt, haben jemals eine türkische Großfamilie life erlebt und auf längere Zeit an deren Problemen Anteil nehmen dürfen. Ich meine damit aber nicht Quoten- und Renomierpassgermanen (Mit denen man kokettiert, wenn es um gelungene Integration geht.),  die mittlerweile in etablierten Parteien und Behörden zu finden sind und nun auch losgelöst von ihren Landsleuten, eigene Wege gehen.
Vor Jahrzehnten fragte ich eine linkslastige Politnase (Er schaffte es später sogar zu hohen Weihen als Ausländerbeauftragter.), ob er jemals näheren Kontakt zu seinen fremdländischen Mitbürgern hatte, da meinte ich auch wieder nicht „seinen Griechen“ oder „seinen Pizzawirt“, sondern Ali Normalverbraucher nebst vermummter Gattin…
Der glotzte wie ein Schwein ins Uhrwerk, als wir beim entsprechenden Stichwort auf die vielfach zur Schau getragene politische Gesinnung der türkischen Barttracht kamen, tat er in seiner Unkenntnis alles als eine der üblichen Provokationen ab. Nebenbei vertrat jener Genosse ähnliche Ansichten wie meine ehemaligen Arbeitskollegen, die anfangs auch nicht verstehen wollten, dass mir deren politische Ansichten scheißegal waren, wenn sie von mir Hilfe im Alltag erwarteten – dessen ungeachtet machte ich jedem Ausländer klar, dass ich mich in keiner Weise agitieren lassen werde.
Der spätere große Politiker verschiss bei mir bis in die Steinzeit auf Grund seines Erklärungsversuches nach einer Provokation meinerseits.
In jenen Tagen war in Berlin das Nummernschild B-DM aufgetaucht.
Nun meine Frage dazu, denn ich wollte eine Bestätigung von ihm, ob immer noch Autokennzeichen verboten seien, deren Kürzel von nazistische Organisationen herrühren würden. Von einer Ahnung beschlichen, sollte ich konkreter (Eine damalig beliebte Floskel von Linxwixern.) werden.
OK, ich möchte das Kennzeichen B-HJ haben, wo muss ich mich dahin wenden?
Schon klar, eine Provokation!
Das Scheffchen holte weit aus. Sein Monolog endete damit, dass natürlich entsprechende Kennzeichen weiter verboten seien und dann kam noch die Frage, weshalb denn ausgerechnet B-HJ.
Also, wenn jetzt B-DM erlaubt sei, möchte ich einfach wegen der Gleichberechtigung B-HJ haben.
Was antwortet diese Flachzange darauf?
„Gut, der BDM war zwar kein katholischer Jungmädchenverein, aber du willst mir doch nicht weismachen, dass es sich bei denen um eine nationalsozialistische Organisation handelte?…“ (Dabei hatte er sich in grauer Vorzeit an der FU mit solchen Zusammenhängen beschäftigt und für sein Lexikonwissen ein Diplom erhalten…)
Welchen Kraftausdruck ich für ihn auswählte, weiß ich nicht mehr. Öfters hörte er noch zusätzlich, „Alter, wenn Dummheit quietschen würde, müsstest du immer eine sehr große Ölkanne mit dir herumschleppen…“
Lachend quittierte er dann solche Momente…

(*) Hier muss ich noch mehrere Sätze ablassen, was das Verständnis vor drei ganz unterschiedlichen türkischen Kollegen zur deutschen Sprache angeht, allerdings aus der Zeit von den End-70ern bis Mitte der 80ern.
Der Kurde sprach eigentlich, wenn wir uns unbemerkt unterhielten, astreines Deutsch, kauderwelschte aber sonst immer anatolisches Kanakenesperanto – „Deutsch schlekt spreken muss kommt, Ausländer nix alles verstehen…“ Er war auch der Meinung, dass am Abend die türkischen Rundfunkbeiträge im SFB 3 nicht der Weg sind, älterer Türken zum Deutschlernen zu animieren…
Mein anderer Kollege, ein 1956 aus Bulgarien vertriebener Osmane und Grauer Wolf, gab sich überhaupt keine Mühe noch mehr zu lernen. Im Gegensatz zu ihm, sprach seine Frau richtig gutes Deutsch, seine beiden Kinder „ickten“, wie Berliner.
Allerdings gab es mit ihnen Probleme.
Papa war zwar nicht gerade gläubig, schickte aber die Gören ewig zum Koranunterricht, wozu sie absolut keine Lust verspürten, wegen des auswendig Lernens arabischer Suren. Er erpresste die Ableger immer damit, kein Koranunterricht – dann keine Knete für blutrünstige Bollywood-Filme – schließlich würden sie auch kein Hindi verstehen.
Der Effendi verachtete die ausländischen SFB-Sendungen, weil sie kommunistisch angehaucht waren. Er schleppte mich mal mit zu Alparslan Türkeş (In die Deutschlandhalle?), beim dort registrierten Fanatismus wurde mir ganz anders…
Alle guten Dinge sind drei, dann höre ich auf.
Der letzte aus meiner Runde war gebildet und versuchte sich aus dem ganzen politischen Irrsinn seiner Landsleute herauszuhalten. Lief mit einem wuchernden, oberhalb gestanztem Schnauzer herum, galt aber als Kemalist. Er war auch der einzige, der ein ruhiges, ausgeglichenes Familienleben führte. Wirklich alle meine Bekannten machten ewig einen auf Macho, dabei hatten überall die Ehefrauen Hosen an.
Der Scheff wohnte in der Britzer Hufeisensiedlung, in seiner Wohnung gab es nichts vom sonstigen bonbonfarbenen Kitsch seiner anderen Leute. Als ich das erste mal sein Wohnzimmer betrat musste ich hell auflachen, was mir aber keiner übel nahm. Die längste Wand zierte eine Phototapete mit Panoramablick auf den Königssee, davor eine geschmackvolle Sitzgruppe drapiert und darüber, mitten im kräuselnden See, prangte in einem ziemlich großen Goldrahmen: Mustafa Kemal Atatürk
Lustige, merkwürdige, ganz schräge, vollkommen normale Erlebnisse nahm ich zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten wahr, sei es privater Natur gewesen, zu irgendwelchen Festen oder im Rudel zu Fress- und Sauftouren. Denke dabei an solche Etablissements, wie Linsenlucy, wo ich auch mal meine deutschen Kollegen hinschleppte.
Eine total verräucherte Hütte, in der besonders Schwimmen gespielt wurde.
In der Mittagspause spielten wir es in der Firma, mit 30 Pfennige Einsatz pro Nase. Bei Lucy ging es teilweise um Einsätze von mehreren hundert Märkern. Neben mir gab es öfters nur noch zwei unauffällig herum hockende recht lustig ausschauende deutsche Damen in dem Laden. Den beiden Grauchen sah man an, bei ihnen handelte es sich schon um etwas abgehangenes Fleisch und ihre deformierten Fressleisten zierten zudem noch die Skyline von Manhattan…
Lästernd wurde immer wieder registriert, wenn einer der älteren Gastarbeiter sich kurz mit einer in deren Etablissement verkrümelte, ihrem stinkenden Oraloffice. Für einen Heiermann gab es dort die entsprechende Erleichterung…
Jene riesige Mehrfachhochzeit im Gesellschaftshaus Neukölln bei der wir im richtigen Augenblick einen Stellungswechsel vornahmen. Gerade unten angekommen, ging ober eine riesige Schlägerei nebst gezogener Messer los.
Die Nächte im Kasino – das billigste Gesöff ein halber Liter Mariacron und eine große Pulle Cola für 50 Mark, oft reichte das Gedeck noch nicht mal für unsere Runde…
Oder als wir mit Ziya, der seine Frau vorher anrief, dass er noch eine Schicht anhängen musste, total stoned uns am Kotti, im Tali-Kino, die legendären Rocky-Horror-Picture-Show einzogen.
Oder wenn ich an Ahmed denke, weiß gar nicht mehr, wie sein Laden am Görli hieß („Istanbul“ oder „Kara Deniz“?) der sich immer wie ein Honigkuchenpferd freute, wenn unsere Meute bei ihm einfiel und ich das abschließende Cola-Glas mit Raki, auf einen Zug runter kippte…
Meine Erlebnisse mit Kollegen und deren Familien in Istanbul, mit nächtlicher Ausgangssperre wegen des Militärputsches, was aber während des Ramadans überhaupt nicht störte, da wir jede Nacht in ausgiebiger Völlerei schwelgten…
Tatsächlich würden meine Erlebnisse sogar für ein Buch reichen…

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