Ein merkwürdiger Spruch und bringt es für mein folgendes Geschreibsel auch nicht ganz auf den Punkt, nur ein büschen. Da unser Zusammentreffen meinerseits, doch nicht so ganz freiwillig geschah und letzten Dienstag betraf es lediglich die Notiz über sein Ableben.
Aber, wie komme ich darauf?
Jene Traueranzeige streifte ich letzte Woche in der MZ. Dabei fiel mir auf, dass HB sich in den letzten 27 Jahren mit der bundesgermanischen Berufsbezeichnung schmücken durfte: Physiotherapeut! Gibt ja schon einiges mehr her, als das schnöde Masseur von anno tuck, damals zu seinen glorreichen Zeiten in der Poliklinik vom Thomas. Nebenbei knautschte er aber auch noch die Kicker von Stahl Sangerhausen durch.
Ersteres war sein Job und die andere Tätigkeit sicherlich das halbseidene Ehrenamt.
Vor 41 Jahren begegnete ich ihn das einzige mal und dann auch noch als tragende Säule im ersten Schlaraffenland der Arbeiter und Bauern auf deutschem Boden.
Wir trafen damals sogar auf Augenhöhe zusammen, weil der privilegierte Genosse sitzen durfte und ich als Pickel am Arsch der dortigen Gesellschaft, musste allerdings stehen. Dies geschah im Kreisgericht von Sangersdorf.
Seinen wenige Sekunden dauernden Auftritt fand ich sehr belustigend, meine anschließende Reaktion animierte Genossen Staatsanwalt Dorsch aber zum schieren Gekreisch…
– (Hänge noch den, Im Namen des VOLKES, ergangene Beleg dran. Vielleicht finde ich auch irgendwann meine Gegendarstellung wieder, die seit Jahrzehnten irgendwo schlummert. Selbiges Urteil fiel mir vorgestern in die Hand, als ich den Nachruf zum traurigen Hinscheiden des großen Sowjetführers, ein Erbstück aus dem kleinen roten Archiv meines Anrührers, suchte.)
Da hockte vielleicht ein Quintett vor mir.
Die beiden Schöffen hatten ihr Gesicht ewig zur Faust geballt, Dorsch echauffierte sich permanent und die Richterin krabbelte laufend in irgendwelchen Papieren herum. Sie war vielleicht noch Lehrling und der Staatsanwalt wollte ihr zeigen, wie man mit Leuten wie mir umsprang.
Einzig, die kleine Probst wies menschliche Züge in ihrem Gesicht auf, sie kannte ich auch.
Gott noch mal, meine Wenigkeit mit keinem Quäntchen Unrechtsbewusstsein beseelt, kämpfte ausgiebig gegen den Schlaf.
Plötzlich eine andere Stimme und Heinzchens große Performance: „Angeklagter, mich würde mal interessieren, wie haben sie sich denn mit ihren sogenannten Freunden in Polen verständigt?“
Ohne über den Sinn dieser dämlichen Frage nachzudenken, kam sofort: „Ganz einfach, wir haben uns unterhalten!“
„Mmmm…“
Dorsch: „Angeklagter! Geben sie eine anständige Antwort!“
Mein Anwalt, diese Träne aus Merseburg, zuppelte an meinem Hosenbein, sein Blick sagte alles, obwohl ich bei der Nennung des Begriffes: A n s t ä n d i g – in dem Zusammenhang – fast ausgeflippt wäre.
Also Ruhe bewahren!
„In Englisch, Polnisch und in seltensten Fällen kam auch Russisch zum Einsatz.“
Dorsch: „Sie haben sich also in Sprachen unterhalten, die sie in UNSERER Deutschen Demokratischen Republik gelernt haben und mit deren Hilfe sie ihr asoziales Leben frönten?“
Der Knabe schien sich gerne reden zuhören, eine kurze Pause regte mich sofort zum Widerspruch an und den Anwalt zu einer weiteren Zupfaktion.
„Das kann ich aber so nicht stehen lassen! Schließlich ist es in jedem Staat mit einem einigermaßen Bildungssystem möglich Fremdsprachen zu lernen! Russisch habe ich sogar acht Jahre gehabt, Polnisch lernte ich bei einem Kumpel. Mit Englisch war es allerdings etwas anderes. Sie kennen doch hier alle meine Mutter. Von ihr bekam ich in der siebten Klasse nicht die Erlaubnis am fakultativen Englischunterricht teilzunehmen, deshalb hörte ich monatelang an den Wochentagen English by Radio der BBC.“
Nun schien sich Genosse Dorsch nicht mehr einzuholen!
Herr Bluschke zog daraufhin einen Flunsch.
Statt sich zu freuen, was er mit seiner prozessentscheidenden Frage losgetreten hatte, schien ihm die ganze Angelegenheit nun irgendwie doch nicht zu behagen…
Heinz Bluschke geht nicht mehr einkaufen oder “Man trifft sich immer zwei mal im Leben”
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