Zu Zeiten, wo der rot gekleidete Jahresendkonsumterrorist das gesamte christliche Abendland verrückt macht und sich im auslaufenden Dezember auch noch massenhaft Politiker genötigt fühlen, irgendwelchen Scheiß abzulassen, ignoriere ich nach Möglichkeit all diese Medienkacke in jene Richtung.
Trotzdem blieb es nicht aus, dass mir z. B., doch die Bundesnummer 1 vor meine Äuglein kam. Da stand er recht gemütsarm vor der Kamera und las seinen Salm vom Teleprompter ab. Während der miesen Totaleinstellung kam mir die Empfindung, da agierte jemand fast scheintot. Dagegen kämpfte er lediglich mit seinen Armen gegen an, die immer mal wieder von unten ins Bild rutschten…
Was Frau Kanzler betraf, gab ich mehr Obacht, sodass die Leerung ihres Sprechblasenfüllhorns an mir – Frau Herrgott sei Dank – vorbei ging.
Anlässlich der heutige Berliner Abendschau erwischte es mich natürlich wieder eiskalt. UNSER Oberdorfschulze hockte wie ein Klassenprimus vor der Kamera, ohne großartige Gefühlsregungen plapperte der Mann in meine Richtung. Um was es ihm dabei ging, wurde mir nicht so richtig klar, da konnte mir, trotz mehrmaliger Nachfrage, auch die Scheffin nicht auf die Sprünge helfen.
In den anschließenden Nachrichten, wurden dann unter Vermischtes, noch vom Ableben Edgar Hilsenraths berichtet.
Deshalb wurde hernach das Netz bemüht.
Fand darunter einige NACHRUFE von Blättern, welche dieser Mann nicht verdient hat, schon wegen deren verwendeter Oberflächlichkeit, der aus der Berliner Zeitung gehört nicht in diese Kategorie!
Zufällig fing ich mit dem PROMIFLASH (Eine merkwürdige Schmonzette, kannte ich vorher gar nicht.), die mussten natürlich titeln: Autor & Holocaust-Überlebender Edgar Hilsenrath gestorben
Kann mich nicht erinnern, dass Hilsenrath den Begriff Holocaust jemals benutzt hat.
Fand es recht merkwürdig, dass über 30 Jahre nach Kriegsende plötzlich diese Vokabel im deutschen Sprachgebrauch auftauchte, noch dazu im Zusammenhang mit jenem moralisierend ficktiefen amerikanischen Glotzen-Vierteilers. War schon alles geschickt zusammengebastelt, verantwortlich dafür zeichneten Crews akademischer Betroffenheitseksperten, die sich, nicht nur für meine Begriffe, am Schema F einer beliebigen Mickymaus-Episode orientiert hatten. Schließlich musste auch für den einfältigsten amerikanischen Fernsehkonsumenten etwas Gefallen erweckendes dabei sein, was ihn in seinen Bann ziehen sollte und er folglich den Unterschied zu I Dream of Jeannie mitbekam. Außerdem sollte der Streifen im weiteren Verlauf ja weltweit vermarktet werden…
Das erste Holocaust-Drittel quälte ich mir damals noch rein, damit hatte es sich aber auch schon.
Irgendwie kam mir dieses kitschige Betroffenheitsmachwerk so vor, als ob man DEN Deutschen abschließend eine Art I-Punkt aufdrücken wollte, so als Abschluss der gelungenen Verdrängung von 12 Jahre dauernden perversen Machenschaften im Dritten Reich. Welche mehrheitlich von der reichsdeutschen Bevölkerungsmehrheit wohlwollend registriert wurden, ausgehend von den bürokratischen Wegbereitern („Das Wesen des farblosen Beamten besteht ja gerade darin, dass er ohne jeglichen Charakter den jeweiligen Vorgesetzten spiegelt.“ – Franz Werfel.), bis hin zum letzten Angehörigen des werkelnden Lohngesindels. Von außerhalb erfolgte anfangs sogar noch jahrelange Unterstützung von solchen Politgrottenolmen, wie Arthur Neville Chamberlain aus UK und seinem französischen Kollegen Édouard Daladier…
Prompt sattelte der dicke Oggersheimer, fünf Jahre nach der Holocaust-Serie, später etwas drauf, eines promovierten Historikers vollkommen unwürdig, entsprach aber seinem recht unterentwickelten Gemüt von politischer Sensibilität – die Gnade seiner späten Nachgeburt!
Wenn ich mir vorstelle, was in der Nachkriegszeit alles für Literatur, natürlich in Winzauflagen, von integren nestbeschmutzenden Zeitzeugen verlegt wurde und plötzlich köchelt nach der Schmonzette, natürlich geprägt vom amerikanischen Selbstverständnis ihrer Geschichtsklitterung, eine von den Medien gehypte kollektive Verstörtheit in Bundesgermanien hoch.
40 Jahre später, lässt alles nur den Schluss zu: Außer Spesen nichts gewesen!
Nebenbei bemerkt, Hilsenraths Werk “Der Nazi und der Friseur” gehörte in den USA, Frankreich und Italien bereits zu den Bestsellern, was aber nichts darüber aussagt, in wie weit solch ein Romanstoff mit seiner teilweise brüllend komischen Situationskomik, auch in den Köpfen seiner Leser anschließend etwas bewirkt. Gleichzeitig gingen in hiesigen Gefilden u.a. gutmenschelnde Berufsmoralisten (sicherlich auch viele Altnazis darunter) mächtig auf die Barrikaden, wegen der irrwitzigen Verquickung unterschiedlichster Handlungsstränge.
…und wieder hat sich einer vom Acker gemacht, der auch wegen seiner menschlichen Größe wirklich eine Lücke hinterlässt!
Fußnote zu: Das Märchen vom letzten Gedanken – zwei Kommentare aus WIKI.
Rezeption und Debatte
– Nach der Erstveröffentlichung 1989 schrieb der Kritiker Alexander von Bormann in der Neuen Zürcher Zeitung mit Bezug auf Die vierzig Tage des Musa Dagh von Franz Werfel, der bis dahin als bester Armenierroman der Weltliteratur galt: „Doch finde ich Hilsenraths Roman dem Werfels bedeutsam überlegen: er ist historischer und poetischer zugleich.“
– Manfred Orlick urteilte: „Immer wieder hieß es: so kann man über dieses Thema nicht schreiben. Der Autor hat es jedoch geschafft, die Grausamkeiten in zahllosen Kurzdialogen aufzuschlüsseln, sie auf berührende Weise zu schildern und dabei historische Fakten zu vermitteln. Ein unmenschliches Märchenbuch, wie es wohl nur Hilsenrath schreiben kann.“
Kann beider Meinung, so nicht hinnehmen!
Für meine Begriffe haben die Knaben recht zweifelhaft Birnen mit Äpfeln verglichen und ganz simple Sachverhalt vollkommen außer 8 gelassen ??
Alles fand seinen Anfang schon bei der Sozialisation von Werfel(*) und Hilsenrath.
Hinzu kam, dass zwischen Die vierzig Tage des Musa Dagh (1933) und Das Märchen vom letzten Gedanken (1989) immerhin 55 Jahre lagen! Innerhalb eines halben Jahres entstand damals Werfels Roman, ohne die Möglichkeit von tiefgreifenden Recherchen!
Dafür fand Hilsenrath später ganz andere Rahmenbedingung vor.
Jemand, der sich nie mit den völkermörderischen Umständen des Genozids an den Armeniern beschäftigt hat, sollte unbedingt Die vierzig Tage des Musa Dagh vorziehen! Während des Lesens ist dort wesentlich mehr eigene Phantasie gefragt…
(*) Es schon irre, was die untergehenden K.u.K-Monarchie (Robert Musil, Kakanien) für eine Vielzahl von großartigen Schreibern, mehrheitlich jüdischer Herkunft, noch hervorbrachte!
– Leider wurde mein Geschreibsel mal wieder etwas länger…