FONTANES SOMMERFRISCHEN – Prof. Dr. Bernd Wolfgang Seiler

Muss damit beginnen, seit meiner dritten „Impfung“ habe ich mächtige Laufmaschen an den Synapsen eingefangen, bin vollkommen lethargisch geworden.
Bereits mit 12 Jahren wurde aus mir ein Vielleser, der permanent mehrere Bücher gleichzeitig las. Was von Anbeginn mit Schwierigkeiten verbunden war, da die Mutt­er meiner Schwester, mir derweil immer im Fressen herummährte. Sollte ewig an­ständig lesen, ein Buch nachdem anderen. Dabei nicht ewig liegen und nebenher Radio hören! Kurz darauf kamen kritisieren Einwürfe ihrerseits, weil ich im­merwährend falsche Schlussfolgerungen ziehen würde, egal was ich auch las.
Ganz dusselig reagierte dieses Weib, wenn meine täglichen Lesezeiten am Hang im Garten stattfanden. Da fielen ihr ewig beliebige Dinge ein, die irgendwie erledigt werden mussten.
Jahrzehntelang wurde meine Lesesucht beibehalten, in der ausgehenden faschistoi­den Corona-Zeit war plötzlich sense! Quälte mich lediglich wochenlang durch einen fetten Wälzer: Am Hof des roten Zaren! Danach hatte sich die sonstige Leselust vollkommen erledigt…

Nun fiel mir vor drei Wochen jener Seiler in die Hände, eigentlich Lesestoff für zwei Nächte, diesmal gingen sieben Tage einher…
War richtig froh, alles in der kurzen Zeit abgehakt zuhaben. Meine Laufmaschen wurden dabei mächtig betört!
Ein geiles Buch!
Phantastisch mit Illustrationen versehen, Bildmaterial aus Fontanes Zeiten, hinzuge­fügte neuzeitlich Ergänzungen, von den damaligen Ablichtungen, zusätzliches Landkartenmaterial dabei und alles ganz toll beschrieben!
Bereits als Kind legte mir Großvater zwei Novellen ans Herz.
Etwas leicht heimatliches: Ellernklipp, dazu anschließend: Grete Minde.
Schon stöberte ich gleich nachfolgend in Opas Fontane-Schätzen herum…
Auch Oma empfiehl mir ihre Art von Literatur aus der großen Büchersammlung ihres Gatten. Wo­bei mir als Kind bereits auffiel, dass es sich dabei um ganz andere Art von Darstellungen handelte. Weil wir uns anschließend über die Inhalte auch unterhielten.
Bei ihrer Tochter lief es ganz anders ab. Dabei fällt mir ein, in der sechsten Klasse weigerte ich mich, die Sowjet-Ostern aus dem Pionier-Buchklub zu lesen. Daraufhin schloss Madame in der Schule den Vertrag ab, verriegelte aber gleichzeitig unser Wohnzimmer. Durfte dann nur an ihre Bücher, nach kurzen Inhaltsangaben der Kommunistenschmöker.
Aus Muttis Bibliothek hatten es mir besonders: Die dreissig tolldreisten Geschichten, von Honoré de Balzac, immer angetan.
Wie dusselig sich Erwachsene oftmals anstellen, wenn es um ganz bestimmte Reglementierungsversuche ging, da stand Genossin Mutter immer an vorderster Reihe. Um nicht jugendfreie Literatur zu tarnen, pappte sie Buchumschläge von be­langloser Lektüre um gefährliche Druckerzeugnisse. Da sie ansonsten alle Druckwer­ke niemals nackt einsortierte, musste ich lediglich nachschauen, welche ohne Um­schläge herumstanden, las deren Titel auf der Rückseite, suchte dann die fehlende Hülle und fand so das entsprechend getarnte Teil.
Großvater machte da überhaupt keinen Aufriss, allerweltserotische Literatur stand sortiert nebeneinander. Die mich allerdings oftmals überhaupt nicht interessierten, riesige Jugendstil-Folianten darunter. Viel zu anstrengend diese Teile heimlich nach oben, in mein Zimmer zu transportieren, um mal kurz Hand an mich zulegen…
Außerdem fand ich die kunstvollen Illustrationen im Ching Ping Meh, oder dem Kamasutra vollkommen unerotisch. Hinzu kam jene blumenreiche Sprache, mit der man im richtigen Augenblick überhaupt nichts anfangen konnte.
Dafür gab es andere Bücher, die alles ohne große Schnörkel gleich auf den Punkt brachten….

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