DAS WEISSE BAND

Gestern waren wir im „Broadway” am Tauentzien. (Dieser Westberliner „Boulevard” wurde 1972, durch „Kokain” von Hannes Wader auch in der finstersten Zone ein Begriff. Leider mutierte HW später zum DKPisten. ) Eins der wenigen kleinen Kinos mit gigantischer Beinfreiheit und sahen dort – „Das weiße Band“. Wobei so mancher den Untertitel nicht lesen konnte.
Über den Film an sich möchte ich nicht viel ablassen, außer, er ist einfach Klasse! Am meisten begeisterte mich jene Tatsache, dass mir kein einziger Akteur bekannt vor kam.
Ähnlich ging es mir nur vor einigen Jahren mit dem Streifen: „Wer früher stirbt ist länger tot“.
Musste allerdings feststellen, unserem Rudel war die, oder der eine doch bekannt. Liegt sicher daran, weil ich grundsätzlich keine Spätnachmittag und Frühabendendlosserien einziehe.
Viele Filme gehen mir auch am Arsch vorbei, wenn die Larven für mich schon durch andere Lichtspiele verbrannt sind.
Aber jetzt kommt´s. Mir fällt immer wieder bei historischen Werken auf, das z. B. gewisse Darsteller aus ihrer Zeit einfach herausfallen, weil nicht bis zum Exzess gewisse Kleinigkeiten bedacht werden.
In meinem Archiv befinden sich tausende von Bildern, manche über 140 Jahre alt…

Um 1920 Klassenphoto - Collage: Klaus Decker

Um 1920 Klassenphoto – Collage: Klaus Decker

Die Kids erscheinen immer wie frisch aus der Badewanne, mit akkuraten Fingernägeln, in Sonntagsklamotten, mit ganz neuen, glänzenden Botten an den Füßen, als ob gleich das Konfirmationsphoto geknippst werden soll. Was sich bei den Knechten und Mägden wiederholt, sie erscheinen kleinbürgerlich gekleidet, die Sachen ohne Flicken, keine Risse. Die Männer im Gesicht blank, als ob sie vorher gerade beim Photoshooting für „Wilkinson-Rasierklingen” waren.
Fast alle Gesichter der Handelnden könnte man ohne weiteres auf einem Werbeflyer der Bad Saarower Thermen wiederfinden. Was mir besonders bei der Erntedankfête auffiel.

Noch etwas grundsätzliches. Dafür bringe ich ein Beispiel vom 25-jähringen 3SAT-Geburtstag.
Da schießt plötzlich ein jungdynamischer Typ auf mich zu, streckt seine Hand vor, als ob er die Absicht hatte mir eine Klinge in die Rippen zu bohren.
„Tschuldigung, sind Sie nicht Herr Rolf …?”
„Ja!”
„Also doch! Ich möchte Sie herzlich hier begrüßen!”
„Wat heißt denn hier? Also doch!”
„Ja sind Sie den nicht…!”
„Ja…!”
In diesem Moment umklammerte ich sein Händchen mit Schraubstockgriff, „Scheff, Du bist doch Journalist, oder?”
„Natürlich!”
„Scheff, dann sollte Dir aber auch bekannt sein, dass es sich im Deutschen, bei einer doppelten Verneinung um eine Bejahung handelt! Also nochmal: Ja! Ich bin nicht Herr Rolf …!”
Als er sich aus der Halterung befreite, hörte man es in seinem Oberstübchen richtig rasseln, nach einem Berner Blitzeinschlag kam endlich: „Ja, da haben Sie wirklich Recht, ich verstehe!”
„Nebenbei, meine Großmutter hat mir mal beigebracht, dass man jene Art von Fragestellung nie benutzen soll!”
Diese falsche Art der Kommunikation ist aber schon lange gang und gebe.
Witzig wird es in Filmen, wenn sich im Gerichtsaal Paragraphenheinis gegenseitig beharken und keinem fällt es auf. In schlechten Krimis ist es sogar Standard…
Schade, in diesem tollen Film wird es leider die ganze Zeit auch so gehandhabt.
Mir ist in diesem Moment auch klar, dass ich ein Pharisäer bin. Rechtschreibung und Grammatik wird immer weniger mein Ding, von den vielen kleinen Kommata ganz zu schweigen…

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