Wenn schon – denn schon! Heimkinder gab es auch im Osten

Spezialheime

In den letzten Tagen ist es endlich auch im Westen angekommen, dass es etliche Kommunisten gab, die einem ähnlichen Hobby frönten wie Katholen, was Misshandlungen und sexuelle Ausschweifungen mit Kindern und Jugendlichen angingen.
Dabei wären diese Hobbys aus der Zone ewig im Dunkeln geblieben, wenn nicht irgendwelche Medienheinis wegen der Quoten auch mal einen Blick nach Osten geworfen hätten. Dabei berichtete schon „Elf 99“ über Zustände in Werkhöfen und Spezialheimen, allerdings recht oberflächlich. Jahre später liefen Dok-Filme zum gleichen Thema, allerdings wurde dem Blickwinkel der anderen Seite mehr Raum eingeräumt.
Anschließend unterhielt ich mich mit Betroffenen, denen ging es wie mir, wir hatten für dieses Pack nur Verachtung übrig.
Dies wird sich bestimmt ändern, wenn Knete in Aussicht gestellt wird – wegen sog. Abfindungen. Wenn wieder mal die Stare ihr schlechtes Gewissen kompensieren dürfen.
Schließlich war es der Westen, der Ostzonien – Moskaus Appendix – viele Jahre fett am Leben hielt.
Was ich sehr lustig finde, seit solche Institutionen existieren, ist doch bekannt was da abläuft.

Ist doch der ganz normale Wahnsinn, wenn Leute irgendwo zusammengepfercht werden und alle Strukturen des anormalen Zusammenlebens nur mit Hilfe von Gewalt funktionieren, in Heimen, Lager, Knast, Armeen usw., auch in Schulen…

Mich verwundert allerdings jene Tatsache, dass noch niemand auf die Idee kam, die gleiche Ebene im Knast abzuleuchten.
Nur eine Fußnote aus meiner Zeit als wir in der Kripo-U-Haft gesammelt wurden, ehe es ein paar Tage später auf Transport ging. Wenn allen bekannt war, wer wo landete, knobelten die Langstrafer um das anwesende Frischfleisch. Im entsprechenden Knast wurde es später mit den Schließern geregelt, dass die frisch Verlobten anschließend auf einer Zelle landeten.  So etwas lief immer recht problemlos ab, solch Entgegenkommen zahlte sich für die Angestellten immer aus, zumal ein wieder eingerückter BV-er, oder Ller sowieso seit Jahren mit den Beamten im freundlichen „Du“ parlierte. (Unter Umständen musste die „Jungfrau“ in der „Hochzeitsnacht“ auch noch die anwesenden Kumpels bedienen…)

Zurück in die Jahre 63/64 als ich 18 Monate in einem sog. „normalen Kinderheim“ verbrachte.
(Diese Institution war mir schon kurz nach meiner Entlassung schnuppe.)
Was ich immer Scheiße fand, war die Reaktion meiner Umgebung, besonders in der Schule. Ich hatte das Glück und brauchte eher nicht in „Heimklamotten“ herum laufen, tat es aber trotzdem und outete mich damit. (Dieses Solidaritätsgefühl entsprang meinem schlechten Gewissen, als einziger durfte ich täglich von 14-18 Uhr in die Stadt.)
Auch Jahre  später besuchte ich immer wieder Schulkameraden in Stolberg, musste aber als „Gammler“, um das Heim immer einen großen Bogen machen, da der Leiter ewig von seinem Hausrecht Gebrauch machte.
Zu allen Zeiten konnte jeder im Ort wissen, was in der Anstalt ablief, schließlich mobten fast alle Lehrer gegen die Insassen, viele Mitschüler unterstützten die beteiligten „Leerkörper“ bei ihren permanenten Aktionen. Auch waren äußerliche Malaisen durch Gewaltanwendung immer wieder sichtbar. Viele Gewaltopfer (in der Regel handelte es sich um „Kollektive Erziehung“ unter den Kindern und Jugendlichen) hielten trotz Redeverbot nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berge.
Manche Kids landeten von heute auf morgen in dem Heim und wussten gar nicht warum sie dort eingewiesen wurden.
Schlimm waren all jene dran, die es nie gelernt hatten sich zu wehren, die selbst aus relativ normalen Verhältnissen stammten, Scheidungskinder, Ableger von Alleinerziehenden, die sich nach Westen aus dem Staub gemacht hatten.
Oder was meine Wenigkeit betraf, weil die Parteikarriere meiner Mutter wichtiger schien, als ihre beiden Ableger und sie mit mir nicht mehr klar kam. Meine Schwester zahlte bei diesem Geschäft mächtig drauf, wurde ein angepasster Duckmäuser und entwickelte einen ausgeprägten Hang zu Typen, von denen sie ewig Prügel einstecken musste.
Ich verweigerte mich total, innerhalb weniger Monate tendierten meine Zensuren in Richtung „5“, lernte aber von allen unbemerkt kontinuierlich weiter.
Das selbsternannte Scheffchen vom „Familienrat“, (anlässlich dieser Tribunale ward immer ein abgehalfterter Stasi-Major anwesend) ein guter „Freund“ der Mutter meiner Schwester. Der Mann plädierte schließlich für die Heimeinweisung.
Für einige Pädagochen galt ich als das gefundene Fressen, vornweg der Geographie- und Mathelehrer, ein cholerisches Kerbtier, der mich aber sehr schnell in Ruhe ließ.
Ihn lernte ich im Erdkundeunterricht kennen, die Klasse nahm gerade Indien durch.
Der Direktor lieferte mich ab. Tuschel, tuschel.
„Der neue Mitschüler heißt Klaus. Ich unterrichte Mathe und Gerographien. Setz dich dahinten hin!
Welche Zensur hast du in beiden Fächern?“
Diese Frage brachte mich natürlich auf 100. Idiot!
„In beiden Fächern 4-ren…“
„Das wird sich zum Klassenabschluss ändern, denn da wirst du eine „5“ haben!“
Fast die gesamte Klasse wieherte frenetisch, beobachte in dem Moment nur die Mitschüler, welche nicht lachten. Dazu gehörte auch HW, der neben mir saß, er wude mein städtischer Freund. brachte ihm morsen bei und bastelte mit ihm Radios und hörten nebebei zwanglos nur Westsender.
„Los vor zur Karte!“
Nun reizte ich meine Karten aus, schlurfte langsam nach vorne, beide Daumen in den vorderen Schlaufen der Jeans und den Typen aus den Augenwinkeln beobachten, er begann zu kochen.
Belanglosigkeiten wurden gefordert, große Flüsse, einige Städte und Bundesstaaten. Ohne großartige Überlegung huschten meine Finge über den Subkontinent. Totale Stille im Raum, bis zu dem Zeitpunkt, als er schrie, „zum Abschluss möchte ich sehen wo der Berg „Koh-i-nor“ liegt!“
Leicht verdutzt schaute ich auf den Lehrer, der breit grinste, Teile der Klasse taten es ihm gleich.
Hoppla.
In diesem Moment drehte ich bei und schlurfte wieder auf meinen Platz, von hinten verfolgte mich das Geschrei…
Genau weiß ich nicht mehr was ich abließ. Die Antwort kam während ich mich setzte, es ging aber in die Richtung: „Wenn sie den über 100-karätigen Diamant der britischen Kronjuwelen meinen sollten, den kann ich schwerlich als Berg auf einer Indienkarte finden.“
Alle glotzten mich an, wieder Ruhe.
Sofort brüllte er ein Heimmädel an die Karte, „und du sucht mir jetzt den Kilimandscharo!“ Darauf kam prompt, ohne mich zu melden, die Frage, was dieser Blödsinn eigentlich soll…
In der Pause kam die Aufklärung, jene Spielchen trieb der Lehrer besonders gerne bei etwas unterbelichteten Schülern und natürlich bei Neuankömmlingen.
In beiden Fächern landete ich schließlich auf der Note „2“. Die „1“ konnten sie mir angeblich nicht geben, wegen der „4“ im Halbjahreszeugnis. Der Hauptgrund, wie einige meinten, schien der zu sein, dass ich ein Heimler war.

– Auf Grund einer Einladung landete ich Ende 1990 beim 25-jährigen Klassentreffen. Selbiger Lehrer trudelte im Laufe des Abends auch dort ein.
Die Zeremonie des Händeschüttelns schien von ihm so gewählt, dass er mich geflissentlich übersah, dann war klar, ich sollte sein Dessert werden. Ihm traute ich zu, dass er wieder irgendetwas mieses ausbrütete.
Zwischendurch grinste er immer mal recht unverschämt zu mir rüber. Endlich, mit ganz großer Geste kam seine Pranke auf mich zu. Wie in ganz alten Zeiten registrierten alle unseren Auftritt, in Zeitlupe erhob ich mich, zog aber meine schon ausgestreckte Hand wieder zurück und stopfte beide in die Hosentaschen.
Sein Blick von oben nach unten und wieder retour: Penner, Asozialer, Gammler…
Dann hub ich an, „… es ist mir bekannt, dass es nach so vielen Jahren unhöflich ist, unsere Begrüßung mit einer Frage zu beginnen. Bevor ich ich ihre feuchte Hand ergreife, müssen sie mir erst eine ganz kurze Frage beantworten!“ Schaute ihn dabei voll an. „Warum sind sie eigentlich immer so ein abgrundtiefes Arschloch gegenüber Heimkindern gewesen?“
Im gleichen Moment kam mir.
So eine Breitseite hatte ihn bestimmt in den letzten Jahren niemand verpasst, hoffentlich hält es seine Pumpe aus.
Die anschließende Stimmung war geteilt, allerdings nicht fifty-fifty.
Von H.-W. erfolgte ein Anschiss: „Du kommst hierher und lässt so einen Korken steigen, haust morgen wieder ab – aber wir leben hier. Das hättest du nicht in aller Öffentlichkeit ablassen dürfen…“
„Ihr habt früher die Schnauze gehalten und werdet es in bestimmten Situationen bis zur Urne weiter praktizieren. Dies kann ich nicht, will es auch nicht… Du scheinst auch alles vergessen zu haben…“
Ab diesem Zeitpunkt muste ich kein einziges Getränk mehr ordern, geschweige denn, sie anschließend auch noch bezahlen. Dann kam noch die Geschichte mit meinem Russischlehrer…

Ein Gedanke zu „Wenn schon – denn schon! Heimkinder gab es auch im Osten

  1. susanne

    Hammer, du beschreibst genau das Gefühl, dass wir alle kennen. Puh, wahnsinn, was das grad in mir auslöst und ich beschäftige mich seit Jahren mit dem Thema.
    Viel Gutes und beste Grueße Susanne.

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