ELVIS – the PELVIS (I)

Um abzulassen, wie es kam, dass ich als Ableger einer hardcore Stalinistin zu einem der größten Elvisfans im Dorf mutierte, und was mir dies für Unbill einbrachte, muss ich weit ausholen.
Zu einer Zeit, wo der gemeine Ossi, alles aus dem Westen postwendend und ehrfurchtsvoll, 1 zu 5 in Ostmark umrechnete, tauchte Asse (Seine Eltern betrieben in Sangerhausen den größten und modernsten Frisiersalon.), als 12jähriger im Sommer 1959, mit einer Anodenwumme im Stadtbad auf, für umgerechnet runde 2500 Ostmark. Weiß nicht mehr, entweder von Schaub-Lorenz oder Grundig. Was mich am meisten beeindruckte, war die Antenne, sie zog man wie ein Stahlbandmass, etwa 1 Meter, aus dem Gehäuse. Zum Betrieb dieser kreischenden Wunderwaffe benötigte man zwei verschieden Stromspeicher, für die Heizung der Röhren (3 Volt) und zum weiteren Betrieb die so genannte Anodenbatterie, mit ca. 70 Volt und die kostete fast zwanzig Mark. Letztendlich, um mit Asses Radio knapp eine Stunde voll aufgedreht Musik zu lauschen – immer für über 20 Mark einen Batteriesatz. Der damalige Stundenlohn eines Arbeiters betrug ohne Zuschläge, gerade mal 1,20 in der Stunde – Brutto.
Innerhalb kürzester Zeit musste Asse den Betrieb seines Radios drosseln, da es im Ort keine Batterien mehr gab. Erst an den Wochenenden, wenn die musikgeilen Jungs aus allen Winkeln des Landes in der Heimat eintrudelten, brachten sie Nachschub mit.
Zu jener Zeit betrieb ich zu Hause einen Kristall-Detektor aus den 20er Jahren, vom Opa, mit zwei Kreuzwickel-Luftspulen, wahlweise für Mittel- und Langwelle.
Dieses Gerät entsprach von der Größe, einer halben Zigarrenschachtel, obwohl sich nichts weiter daran befand, innen ein Drehko und außen acht Buchsen. Zwei für die entsprechende Spule, zwei für den 2000 Ohm Kopfhörer, zwei für den Kristall, sowie für Antenne und Erdung. Um den Gleichrichtereffekt an einem Brösel Bleiglanz oder Pyrit zu erzeugen, erforderte es viel Geschick und Geduld. Der mehrere Millimeter große Kristall klemmte in einer metallischen Halterung, dies war ein Pol der Diode, der andere entstand an einer feinen, federnden Metallspitze mit deren Hilfe man, ganz vorsichtig auf dem Kristall die entsprechende Kontaktstelle suchte. Irgendwann kamen zu den Kratzgeräuschen aus dem Kopfhörer, die Laute von den Sendern.
Was allerdings nie eine Garantie darstellte, dass man in den nächsten Stunden ungestört lauschen konnte. Eine ganz leichte Erschütterung genügte und die Kontaktsuche auf dem Kristall begann von vorn. Tagsüber genügte dazu der Überschallknall einer russischen MiG, nach 22 Uhr, die leichten Beben während der Sprengungen Untertage.
Auf Langwelle gab es nur drei Stationen, Deutschlandsender, Radio Moskau und RIAS Berlin, wobei er manchmal durch das Blubbern der Störsender 24 Stunden am Tage gestört wurde. Als Kind mit guten Lauschern und optimalen atmosphärischen Bedingungen kamen bisweilen nachts, noch Radio Mont Carlo und Warschau hinzu.
Ähnlich verhielt es sich auf Mittelwelle. Da konnte es sein, dass nächtens sogar AFN-Frankfurt durchkam. Zogen Gewitter auf und in Gegenden wo E-Loks ihren Strom von den oberen Drähten abgriffen (z.B. in der Nähe von Braunkohlentagebauen, oder an Straßenbahnlinien) konnte man den Empfang absolut vergessen.
Die Empfangsqualität hing natürlich auch von Antenne und richtiger Erdung ab.
Unser Nachbar erlaubte es, von seinem riesigen Walnussbaum die Langdrahtantenne in Richtung unseres Hauses zu spannen. Opa unterstützte mich dabei und stellte keine Fragen. Den Draht hatte ich von der Kolchose weg gefunden, 3 Millimeter Nylonschnur mit einem rostfreien Metallgespinst drauf, vom Elektrozaun einer Koppel. Die Nettolänge, zwischen jeweils drei Antenneneiern, maß 40 Meter.
Jetzt wieder etwas retour.
Zu jener Zeit, gab es noch recht wenig Rock´n Roll auf deutschen Sendern. Mal so eine Nummer in den drögen, morgendlichen Werbeblöcken, zwischen Maggi-Kochstudio und den Waschmitteln, ansonsten Pumpe.
Seinerzeit war mir noch jeder Reklamespruch geläufig, so z. B.:
„Solltest du mal einen schieben, Bauknecht weiß, was Frauen lieben.”
Oder: „Heute sind wir zu Gast bei Frau M. aus Gelsenkirchen, um zu überprüfen, ob Dash so weiß wäscht, weißer geht´s nicht.”
„Frau M. stimmt die Behauptung, dass Dash so weiß wäscht, weißer geht´s nicht?”
„Ja, es stimmt! Seit dem sich mein Mann seinen Schwanz mit Dash wäscht, habe ich blendend weiße Zähne!”
usw.

Eigentlich gab es Ende der fünfziger nur auf AFN und Radio Luxemburg regelmäßige Rock n´Roll-Sendungen.
Bei den Luxemburgern war dies Camillo Felgen zu verdanken. Ich erinnere mich noch irgendwann gab es dort in den Hitparaden Unstimmigkeiten. Plattenfirmen legten Prostest ein, wegen vermuteter Schiebungen. Es betraf Streitigkeiten wegen angeblicher Bevorzugung von RCA, bei der Elvis unter Vertrag stand und London-Records, wo z. B. Little Richard hing…
Jedenfalls, Asse sei Dank und natürlich Großvater! Denn zum Detektor gab es nämlich noch ein entsprechendes Bastelbuch. Bald begann ich wegen dieser Musik, Radios zu bauen und in den folgenden Jahren wuchsen auch die Schwierigkeiten, die sich aus meinem Selbstverständnis, als Fan von Elvis ergaben.
Hinzu kam nach dem Mauerbau, dass in der Schule, in Ferienlagern und bei sonstiger Freizeit begonnen wurde, der Verbreitung von westdeutschsprachigen Schlagern Einhalt zu gebieten.
Massiver Ärger traf mich mit voller Breitseite ab Anfang 1963, die folgenden 1½ Jahre, während der 8/9ten Klasse im Kinderheim.
Unser Großes Schefffchen, ein gewendeter Fanfarenzugleiter der HJ, nun gleichzeitig Parteisekretär in der Schule, umgarnte mich wegen seines Lieblingskindes – dem Fanfarenzug. Jeder sollte musisch irgendwas machen. Über verschieden Versuche, landete ich über die Fanfare, Landsknechttrommel, Flachtrommel, Blockflöte und Mandoline, bei der Gitarre, was nirgends gut ankam. Im Fernsehraum versuchten wir öfters mit bescheiden Equipment, Schlager zu interpretieren, wegen dekadenter Ausdrucksformen und 100% West, erfolgte nach wenigen Wochen ein Verbot.
Hinzu kam, Heintje und Roy Black hatten meinem Verständnis zur Deutschen Schulze den Garaus bereitet, ich wendete mich ab. Außerdem sprudelte die richtige Musik jetzt in UK, blieb aber, trotz der Stones, noch ein Weilchen Elvis treu…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert