Mein Vater, der Nazi – (Nich meener! Der war nur een janz kleener…)

Vor dem eigentlichen Anlass zu folgendem Geschreibsel, hacke ich etwas unvollständige Statistik in meine Tasten und vielleicht entwickeln sich daraus sogar bestimmte Schlussfolgerungen…
Bei 80 Millionen Einwohnern im Deutschen Reich (1937) belief sich bis 1945 die Sollstärke von Heer, Kriegsmarine und Luftwaffe auf rund 18 Millionen aktiver Soldaten. Hinzu kamen während der Existenz des III. Reiches fast eine Millionen Angehörige von SS-Einheiten, wobei nicht alle in der kämpfenden Truppe eingesetzt wurden.
Nun mal zur NSDAP.
Bereits 1933 hatte sie rund 4 Millionen Mitglieder, sie wuchs bis Ende des Krieges auf fast 9 Millionen an. Hinzu kamen ein Dutzend Unterorganisationen, deren Einflüsse im Kindheitsalter begannen, weiterhin existierten haufenweise gleichgeschaltete Organisationen unter Führung der Partei, deren Mitglieder auch auf mehreren Millionen kamen.
Nicht zu vergessen, fast alle Industriezweige sorgten für wirtschaftliches Funktionieren und Wohlergehen des NS-Systems.
Es ist deshalb davon auszugehen, dass so gut wie jede deutschen Familie im System involviert war, sei es aktiv oder als Mitläufer. Auf den abartigen Hang zur Uniformierung und die vorherrschende Euphorie der drögen Masse möchte ich hier nicht weiter eingehen.
Deshalb empfand das deutsche Volk mehrheitlich die Zerschlagung des III. Reiches auch nicht als Befreiung, sondern als Niederlage, in noch bleibender Erinnerung des Ausganges vom I. Weltkrieg, als hohe Militärs anschließend die trotzige Erkenntnis unters Volk streuten: „Aber im Feld ungeschlagen!“
Zumal später auch Churchill, was Hitler und Stalin betrafen, der Erkenntnis erlag – “Wir haben das falsche Schwein geschlachtet.”
Nun lassen sich Folgen von Indoktrination, die gleich mehrere Generationen betrafen – seit der Reichsgründung geht dies nun schon seit über 140 Jahre und es ist kein Ende abzusehen – nicht wie ein blöder Spruch an der Schultafel einfach so wegwischen.
Deshalb waren jener einschneidenden Systemwechsel nach 1945 nur mit den alten „Experten“ zu bewältigen, ähnlich verhielt es sich nach 1989.
Da konnte man allerdings zusätzlich auch noch auf viele Vollpfosten, die in der alten BRD noch kein Bein auf den Boden bekommen hatten, zurückgreifen. Außerdem ließ sich „Neufünfland“, da es von dort keine nennenswerten Proteste gab, bei der enormen Arbeitsproduktivität des Westens, ohne weiteres auf das Niveau eines Agrarstaates minimieren.
Dank der Globalisierung haben sich weltweit viele Ansichten von Politikern auf bedrohlich niedrigem Level eingepegelt, diese Niveaulosigkeit passt dem Kapital allerdings total in ihre Konzepte. Jetzt sollte aber keiner auf die Idee kommen, dass Industriekapitäne und Manager besser drauf sind als ihre Marionetten, denn bei solche Figuren hängt letztlich deren Agieren vom Können ihrer Puppenspieler ab…

Endlich bin ich beim eigentlichen Anfang gelandet. Es dreht sich um die neue Variante einer Selbstdarstellung, die mir absolut nicht in die Birne will – Sigmar Gabriels Familiengeschichte im Telegrammstil.
Hinzukommt, weshalb suchte der Genosse nicht einen Seelenklempner auf, sondern einen Journalisten?
Alles wird so dramatisiert – dass der Alte ein überzeugter Nazi war, ist doch bei dieser Generation wirklich nichts neues, im Gegensatz zur Minderheit von Gegner des damaligen Regimes.
Er hinterließ ein „furchtbares Erbe“.
…tausende von Karteikarten mit revisionistischen Stichwörtern, Vertriebenenpostillen, rechtsextreme Zeitschriften und Dokumente einer erbitterten Familienfehde.
Für mich ist es lediglich ein Hinweis auf die Tatsache, der Walters G. keinen PC besaß, deshalb die Karteikarten. Vertriebenenpostillen, rechtsextreme Zeitschriften, sind doch auch keine Beinbruch, zumal in späteren Tagen, wenn Altersmotten schon länger begonnen haben die Synapsen anzuknabbern und der ewig Gestrige in seinen prägenden Zeiten voller Verständnis, Kameradschaft und Highlife surfen wollte.
Weiß Sigmar nicht, dass in UNSEREM DEMOKRATISCHEN Staat jene Publikationen bei fast jedem Zeitungshändler käuflich zu erwerben sind?
Schon merkwürdig, dass er erst jetzt mit seinem schrägen Elternhaus kokettiert und scheinbar Verständnis erheischen möchte. Vielleicht will Sigmar aber nur einen Wink mit dem Zaunpfahl geben, um gewappnet zu sein sein, wenn es mit seiner Partei noch weiter den Bach hinabgeht und er dann sein Unvermögen mit der „schweren Kindheit“ erklären möchte…
Für manche bisher mit der SPD sympathisierende Oma wird sein Geständnis einer Offenbarung gleichen und sie zur Wahl einer anderen Partei animieren, da ihr im Innersten die Sozis eigentlich immer schon suspekt waren, weil die ewig anderen im Fressen rummähren wollen, klauen und das Eigentum von anderen auch nicht achten…

Ergänzung:
Falls Genossen Gabriel die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit seines Vaters wirklich solche Schwierigkeiten bereiten sollte, dann besteht doch auch die Möglichkeit andere Betroffenen zu interviewen, wie sie mit der Situation umgingen.
Allerdings empfehle ich, dazu ein Gespräch mit dem Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière nicht in Erwägung zuziehen. Bei ihm liegt traditionell die Disziplin in der Familie. Daddy agierte bis zum Schluss in unmittelbarer Nähe von Hitler (Den kennen doch heute außer Neonazis fast niemand mehr, oder?) und weiter in der letzten Reichsregierung unter Großadmiral Karl Dönitz…
Tauchte später wieder auf, lange bevor es zur Wiedereinführung der Wehrpflicht ging und legte anschließend bei der Bundeswehr noch eine steile Karriere hin.
Extremes Wendeverhalten hat gerade bei hohen Militärs weltweit eine lange Tradition, außerdem stehen sie durch unterschiedlichste Konvention regelrecht unter Naturschutz…
Hier noch eine sehr unvollständige Liste von ehemaligen Nazis (Speziell bei Juristen und Militärangehörigen klaffen große Lücken) die die später in beiden deutschen Staaten fast lückenlos Karriere machen durften.

Fußnote:
Sigmars Spezi ist ja aus ähnlichem Holz geschnitzt, allerdings kloppt der zur Zeit ganz andere Sprüche. Irgendwo rief er sogar zur Erneuerung seiner Partei auf: „Die Aufgabe ist jetzt, nach vorne hin die Präsentation der SPD deutlich zu verbessern“.
Na los!
Nicht nur ewig Schlagworte ausspucken!
Sondern mal handeln!
Nutze die Gunst der Stunde und tritt endlich zurück!
Bei seinem merkwürdigen Politlebenswandel kommt mir Peer manchmal wie ein U-Boot der FDP vor…

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