ARTE, Planet Jeans – Ganz in Blau

Seit knapp 150 Jahren ist die Denimhose eine Ikone der Moderne.
Irgendwann lief dieser Streifen schon mal, damals bekam ich aber nur die letzten Minuten mit.
Da heute nur Gülle aus der Glotze suppte, durfte ich auf unsererem Apparillo kurz surfen, wollte eigentlich nur schauen was auf „Tracks“ laufen sollte. Hatte mich aber mit der Zeit vertan und dann begann Thierry Aguila Doku über die „Nietenhosen“.
Fand den Streife recht peppig, mir fiel aber letztlich auf, dass TA, der eigentlich bereits soviel Lenze auf seinem Buckel hat und wissen müsste, selbst für ein 1/7 der Menschheit im Kommunistischen Machtbereich war der Name Levi Strauss nix unbekanntes. Irgendwie fand ich mich in die Zeiten des ganz kalten Krieges zurückversetzt, als sich die Machtblöcke gegenseitig ausgrenzten.
Mit diesem Kleidungsstück konnte ja fast jeder Heranwachsende, seit Mitte der 50er Jahre, in beiden deutschen Staaten frei Haus in die Bredouille kommen. Nichts hatte sich 10 Jahre nach dem letzten Krieg in beiden deutschen Staaten parallel so effektiv weiterentwickelt, wie diese ganz spezifische deutsche Spießigkeit und das kranke Obrigkeitsdenken.
Ab 1956, als die bucklige Verwandtschaft das letzte mal bei uns auftauchte, bettelte ich noch weitere sieben Jahre nach solch einer Hose.
Ausgerechnet, als ich mich schon einige Wochen im Heim befand kam endlich dieses ersehnte Päckchen mit der Aufschrift: „Geschenksendung – keine Handelsware“, gefüllt mit dem blauen Teil und vielen kleinen Wrigley´s – allerdings nicht von Onkel und Tante, sondern von ihrem männlichen Ableger.
Selbigem schien meine Antwort auf zwei Ansichtskarten, von den Alten kam sie aus Italien, grell bunt: „Saluti dall’Italia“ und seine, wenn ich mich nicht irre, aus Singapur. Meine Danksagung endete mit der Frage, ob deshalb keine 16 Mark für eine Jeans vorhanden sei, weil sie so oft verreisen würden.
Zu eben jener Zeit hatte meine langjährige Karriere eines gesellschaftlichen Verweigerers in der Zone bereits begonnen, da kam mir dieses „proletarische Beinkleid“ (meine Großmutter nannte es anfangs so) aus dem Amiland gerade recht.
Außer meinem unstillbarem Hang zur „jüdisch-amerikanischen“ Musik (dieser Begriff stammt vom Opa eines Kumpels) den ich nirgends verhehlte und nach der British Invasion noch eine Steigerung erfuhr, entwickelte sich die Jeans darüber hinaus zum absoluten Kommunikationskatalysator im Umgang mit dummroten Flachzangen, was mein „dekadent-westliches“ Aussehen und Verhalten betrafen…
Anfang der 1970er lässt U. Plenzdorf in seinem „Werther“ (Seite 8) den Hauptakteur, Edgar Wibeau, über gewisse Ansichten zu den Blue Jeans sinnieren, hat mir damals sehr gefallen…
Die Einschätzung vieler Lehrer, auf vielen Schulzeugnissen stand abschließend etwas in der Richtung: „Klaus muss endlich beginnen an sich zu arbeiten, da er immer das letzte Wort haben muss!“ – wurde ab dieser Zeit bis ins zum Unendlichen kultiviert, sehr effektiv gelang es mir, als ich am Kelbraer Stausee arbeitete. Morgens, zum Leeren der Müllbehältnisse auf dem Campingplatz, trug ich einen Nadelstreifenanzug nebst Schlips, aber in der Freizeit kunstvoll gestylte Jeans. Stellen auf den Schenkeln wurden akkurat in verschiedenfarbigen Schachbrettmustern gestopft, frische Risse erstmal kreuzweise mit Leukoplast „repariert“ oder mit hohen Gitarrensaiten zusammengerödelt. Viele freie Stellen zierten Autogramme und Sprüche, wobei jener, auf einer recht hellen Stelle besonders in die Augen stach: Have you had your pill today?

UnbenanntFußnote die 1.
Weshalb sich die Leute so mädchenhaft auf die Frage nach dem Inhalt des Uhrentäschchens verhielten, verstehe wer will. Viele Jahre befand sich bei mir ein kleines Döschen mit Naschwerk darin…
Nebenbei, wer Lakritz mag, Cachou Lajaunie schmecken gigantisch
UnbenanntFußnote die 2.
Als mich die 91jährige Mutter einer Freundin das erste mal gewahrte, nahm sie ihre Tochter beiseite  und ließ erstaunt ab, „da steckt ja wirklich ein Haufen Arbeit in den Hosen…“
Hier noch die entsprechenden Bilder. Bei dem dritten Teil handelt es sich um eine „LEVIS“, zusammengehalten von teilweise sehr teuren Schlipsstücken…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert