Richie Havens geht nicht mehr einkaufen – Goodbye old Ben!

Zwei kurze Geschichten zum Verblichenen.
Für mich war auf dem Dreieralbum vom Woodstock-Festival der Mitschnitt von Richie Havens eins der schönsten Stücke.
1971 wurden mir diese Scheiben auf Grund von vielen Verwicklungen als Geschenk offeriert.
Am 23. Dezember waren Jimi und ich für einige Tage bei einem Freund in Kraków eingerastet, wir wollten anschließend Silvester in Zakopane feiern.
Der Aufenthalt bei unserem Landlord stand unter einem schlechten Stern, dies lag an seiner recht merkwürdigen Freundin, jung, sehr hübsch und bereits mittags immer schon leicht dröhnig. Bei ihr handelte es sich um eine reiche Passamerikanerin mit polnischen Wurzeln, kurz vorher war das Mädel aus Dänemark eingereist, besser gesagt, von dort ausgewiesen worden. Kurz in der Christiania eingerastet, hatte sie gleich einen PKW gekauft und war öfters recht bezecht hopp genommen worden. Die Kopenhagener Behörden stellten schließlich ein Ultimatum, entweder die Karre verkaufen und niemals mehr dort fahren oder ab nach Polen…
Heilig Abend stand von Madame die Einladung zum Weihnachtsbeißen in einem Nobelhotel an, wobei fast alles in die Hose ging, da sie kurz vor dem Aufbruch darauf bestand, die wenigen Meter mit ihrer Karre zufahren – sie aber schon wieder recht angesoffen. Die Streiterei erreichte während der kurzen Fahrt den Höhepunkt, irgendwann schaut ich von hinten auf den Tacho, wir waren zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach mit quietschenden Reifen um die Tuchhallen gerast und raunte zu Jimi, „eh, die Tusse spinnt vollends! Die hat auf gerader Strecke fast 80 Sachen drauf!“ Mein Kumpel schaute nach vorn und schrie entsetzt, „Alter – das sind Meilen, das sind Meilen!!!“
Dann ging alles ganz schnell, weil plötzlich die Miliz an uns klemmte, der Beifahrer zog nach der letzten Kurve vorsichtig die Handbremse bis zum Anschlag und kamen am Ziel zum Stehen, schräg vor uns hielten die Gendarmen.
Was wir dann sahen verblüffte uns reichlich. Die Frau zog den Zündschlüssel, stieg aus kramte aus ihrer Handtasche ein Bündel zerknüllte Scheine, fischte mehrere Zehndollarnoten heraus, torkelte mehrere Schritte auf die Uniformierten zu, drückte jedem einen Schein in die Hand und schwankenden Schrittes ging es in Richtung eines livrierten Knechtes vor dem Hotel. Dem Herrn rief sie etwas zu, schmiss ihm in hohem Bogen die Schlüssel entgegen, der fing sie gekonnt auf, der erhielt im Vorbeigehen auch seinen sawbuck und parkte den Wagen korrekt.
Mann, unserer Auftritt in Richtung Speisesaal war mir doch recht unangenehm.
Erstmalig in solch nobler Hütte. Ewig wuselten irgendwelche Knechte herum und alles glotzte amüsiert. Das hing etwas mit dem Outfit zusammen. Wir beide in hellgelben Fransenstiefeln, dazu in den bunten geknüpften Jacken, Jimi mit einer tief violetten Ballonmütze (die ich ihm nach seinen Anweisungen genäht hatte) und mein Haupt zierte eine weiße Pelzmütze aus tibetanischen Bergziegenfell, deren Ausmaße den Afrolook von Angela Davis um vieles übertraf. Die Jeans an den Schenkeln kunstvoll, vielfarbig in sehr kleinkarierten Schachbrettmustern gestopft, am Hals hing Gebamsel aus Lederschnüren mit Strass, teilweise fein geflochten und auf meiner 50er-Jahre GST-Jacke prangte der hebräische Schriftzug: „Shalom“.
Von den anwesenden Gästen wäre bestimmt niemand auf die Idee gekommen, dass wir aus dem mustergültigem sowjetischen Appendix westlich der Oder-Neiße-Friedensgrenze stammten.
Nebenher die permanenten Streitereien unserer Gastgeber, mal lauter, mal leiser. Die verfügten aber über Narrenfreiheit, denn alle Bediensteten in dem Schuppen schienen mit ihrer Art vertraut…
Werde jetzt alles etwas abkürzen
Ach so, der Hauptgang wurde schließlich kalt eingepfiffen, da der Disput kulminierte und wir auf das Ende der Auseinandersetzung warteten, außerdem lag auf dem riesigen Teller neben dem Truthahnteil ein Haufen aus fast schwarzer Pampe, mit dem wir nichts anfangen konnten – die stellte sich später als Pflaumenmus heraus.
Auf dem kurzen Heimweg knallte es mir dann fast die Hufen weg. Hatte ich mich doch zwischendurch immer mal erbarmt und mehrfach die Sto-Gramm von dem hübschen Schluckspecht vernichtet.
Wieder daheim, pennte Madame erstmal eine Runde und Pies legte dann stinksauer eines seiner Geschenk auf den Plattenteller, selbige Maschine stand unter einem ausladendem Ast des Weihnachtsbaumes. Stunden vorher hatten wir die nagelneuen Plattenschätze noch ehrfurchtsvoll begutachtet.
Alles begann mit den „Doors“, irgendwann tropfte Wachs herunter, ich hätte heulen können, Jimi ging es nicht anders. Was dann kam, sprengte unsere Vorstellung vom Umgang mit nagelneuen LP´s. Irgendwann knallte der Arm, ob des Wachses in Richtung Mitte. Der Scheff nahm ein Messer,  kratzte das erhärtete Zeug weg, nahm ein Streichholz, klemmte es quer unter den Saphir und legte obendrauf ein volle Schachtel zapałki.
Das war zu viel, Jimi trudelte in Richtung Povtüte.
Als Pies sich anschickte, das Woodstock-Album aus seiner Schutzhülle zu pellen, kam entsetzter Protest meinerseits: „Don’t do it, I can’t see it!!!“
Verblüfft schaute mich mein polnischer Freund an, reichte mir die Scheibe, „Ede! Prezent fürr sie…!“
Mein blöder Gesichtsausdruck ließ ihn schallend lachen, „Prezent!“
– Höre hier auf, denn über den Ablauf dieser anderthalb Wochen könnte man ein sehr lustiges Buch verzapfen…
Wegen der ewige Bambule zwischen dem merkwürdigen Pärchen zogen wir schließlich zu einem befreundeten Bildhauer – Hatte eben mal im Netz gestöbert und mitbekommen, dass Jerzy Bereś im letzten Jahr, am 25. Dezember 2012, verstorben ist.
Etwas muss noch eingeschoben werden.
Ein sympathischer Stino versteckte während des Grenzwechsels die Platten unter seinem Hemd, diese Vorsichtsmaßnahme stellte sich aber als vollkommen unbegründet heraus, denn der Zug war gerammelt voll und außerdem gab es keine Kontrollen. Ab 1972 konnte Polen \”visafrei\” besucht werden.

In der zweiten Neujahrswoche tauchte ich in einem Magdeburger Studentenklub der Fachschule für E-Technik(?) auf, gut verstaut „Woodstock“ unterm Arm.
Auch meinem Kumpel Meier gelang es nicht, mich an den Idioten vom Einlass vorbei zu schleusen, dass ich schließlich hereinkam verdankte ich dem dortigen „Schallplattenunterhalter“, geil wie er auf die drei Scheiben war, bat er mir sofort 100 Mähdrescher an und drohte den Verantwortlichen damit, wenn sie mich nicht reinließen, er an dem Abend nur noch 100% Ostmucke auflegen würde.
Einige wenige Stücke wurden aufgelegt, „Tens years after“, „Joe Cocker“, „Canned Heat“…
Der eigentlicher Renner des Abends war aber Richie Havens mit seinem „Freedom“.
Zu vorgerückter Stunde lief dieser Song nochmals. Da wurde es dem DJ doch etwas unheimlich, wegen anstehender textlicher Schwierigkeiten brüllten die ekstasisch hottenden Leute wie am Spieß letztlich nur immer wieder „Freedom!“

Ende der 70-er oder Anfang der 80-er fand in der Berliner Eissporthalle ein „Woodstock-Revival“ statt und dies war blank zum Abkotzen, nicht nur wegen der auftretenden Pop-Heroen, auch der Sound kam abartige herüber.
Hier einige Highlights vom Event:
Country Joe McDonald trat solo auf, den Rest konnte man vergessen.
Richie Havens kam mit Band und machte einen auf Senior-Hippie-Show, der Dealer musste ihnen vorher auch noch absoluten Scheiß untergejubelt haben.
Joe Cocker verkaufte sich an jenem Abend als vollblutalkoholisierten Spastiker, der schließlich mehrfach die Einsätze verpasste, gar nicht registriert wie er mit allem möglichen Zeug bombardiert wurde und schließlich untergehakt zwei Roadies rückwärts von der Bühne gezerrt wurde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert