Um das Jahr 2000 herum hatte ich das grenzenlose Vergnügen den Herrn mal kennenzulernen, folgendes geschah damals.
In jenen Tagen oblag mir das Facility–Management vom Gasthaus Leonhardt am Stutti. An dem sehr sonnigen Morgen sollte noch vor den Eröffnung ein Schaukasten angebracht werden, musste dafür vier Löcher bohren. War gerade mit dem Anzeichnen fertig und platzierte anschließend das entsprechende Equipment, Kabeltrommel, Bohrmaschine usw. Als sich direkt neben mir, an der Grenze vom Lentz, ein etwas zu kurz geratener Typ daran machte und akribisch seine Morgenlektüre auf dem Tisch ausbreitete, SZ, Rundschau und die Schülerzeitung…
Begrüßte den Unbekannten freundlich, wollte aber auch gleich noch ablassen, dass vier Löcher gebohrt werden müssten.
Der ließ mich überhaupt nicht ausreden und plärrte sofort hysterisch los, „…das lassen sie gefälligst sein!“
Scheinbar hatte sich die Flachzange extra hier hingesetzt, um irgendwelchen Frust abzulassen.
Sein Geschrei machte die junge Kellnerin vom Leonhardt auf ihn aufmerksam, sie kam nämlich sofort vor die Tür und beobachtete den Rest nun außerhalb. Etwas irritiert, allerdings nicht als Rückzug, begab ich mich zu ihr, weil ich wissen wollte, was das überhaupt für ein Idiot sei.
Drinnen versuchte sie mich aufzuklären.
„Klaus, das ist der berühmte Kommissar Palu, ein oftmals sehr respektloser Mann!“
„Heh! Who the fuck, ist denn der berühmte Kommissar Parlü?“
„Ein Fernsehkommissar aus Westdeutschland!“
Na Jungchen, jetzt bekommst du es aber von mir so, wie du Depp es brauchst!
Meine Kollegin beobachtete alles halb verdeckt von der Tür aus.
Solange, wie ich den Bohrer einsetzte, beobachte mich der Schreihals, lief dabei schon rot an.
„Sie wollen doch nicht etwa in meiner Gegenwart solch einen Lärm veranstalten?“
„Doch! Hatte ich vor, denn im Gegensatz zu dir muss ich hier arbeiten. Ich lungere hier nicht etwa herum, nur weil ich eine feuchte Wohnung habe!“
„Wissen sie überhaupt, wen sie hier vor sich haben?“
„Ja, seit fünf Minuten! Du bist ein kriminaler Vorabend-Serienfuzzi aus der Glotze!“
Während der ersten Bohrung sprang Herr Kommissar ruckartig auf und zerrte mir am rechten Ärmel herum. Brüllen ließ er dabei ab, „haben sie nicht verstanden? Ich hatte ihnen doch verboten, in meiner Gegenwart Lärm zu veranstalten!“
Solche Wichtel können mich meinetwegen anbrüllen, aber anfassen darf mich keiner!
Wischte seine Hand weg, und verpasste ihm noch einen kräftigen Stoß, Kommissar Palu stolperte rückwärts derweil in Richtung seines Platzes. Gewahrte in dem Moment noch, dass die Kellnerin sich in meine Richtung bewegte. „Lass mal gut sein, dies erledige ich auf meine Art!“ Machte dabei einen Schritt zum zitternden Glotzen-Napoleon, tätigte dabei laufen den Schalter der Bohrmaschine, deren permanentes Ein- und Ausschalten, machte meinen Kontrahenten mächtig nervös. Etwas leiser, mit abwehrenden Handbewegungen kam nur immer wieder, „seien sie doch nicht so aggressiv! Ich habe ihnen doch gar nichts getan!“
„Meinst du etwa, ich würde mir an dir meine Pfoten dreckig machen?“
In leichter Fluchtstellung kamen nun nur noch abwehrende Handbewegungen.
„So, du Nase! Jetzt hörst du mir mal zu! Du Muttersöhnchen, schnappst jetzt deine Postillen und begibst dich nachhause zu Mutti! Schleichst an ihr vorbei, verkrümelst dich in deinem Zimmer und wedelst dir dort einen von der Palme! Und wenn du dann entspannt bist, kannst du hier wieder auftauchen, dann wirst du außerdem auch feststellen können, dass ich meinen Job erledigt habe! Jetzt verpiss dich!“
Er grapschte sein Presseerzeugnissen, drehte bei, ohne zu vergessen, noch etwas abzulassen. „Das alles wird schwerwiegende Folgen für sie haben. Ich sorge dafür, dass sie entlassen werden…!“
Wenige Minuten später verließ Monsieur le Commissaire laut meckernd das Lenz,wahrscheinlich trollte er sich heimwärts, ob er allerdings meinen Ratschlag befolgte, ist nicht bekannt geworden. Außerdem ließ er sich an den weiteren Tage nirgendwo hier blicken.
Mittags rief ich dann meinen Scheff an, der während meiner Schilderung nur herzlich ablachte, nebenher froh war, ihn in den kommenden Monaten nicht mehr begegnen zu müssen. Beschwert hatte sich der Grand commissaire auch nie…
Dachte heute noch, etwas Nachrufiges über den berühmten Mann im Netz zu finden, dem war aber nicht so. Fand lediglich etwas in der KR, aus dem Zusammenhang gerissen hier einige Sätze: “Ich spiele den Kommissar so, wie ich selbst bin“, sagte er, als er mit 45 Jahren mit dem „Tatort“ anfing. Palu war seine erste große Fernsehrolle.
Die „Süddeutsche Zeitung“ fand, im Umgang mit Menschen sei Senf wie sein Palu: „auf eine manchmal nicht unbedingt diplomatische Weise ehrlich, dafür zuverlässig, engagiert und kumpelig“.
– Wahrscheinlich teilte er sehr gern aus, konnte aber nichts einstecken…
Der Saarländische Rundfunk, sein langjähriger Heimatsender, würdigte Senf am Sonntag unter anderem in einem Tweet: „Rotwein, Baguette und Fahrrad: 17 Jahre lang verkörperte Jochen Senf den „schrulligen“ Tatort-Kommissar Max Palu. Au revoir!“
Jochen „Max Palu“ Senf geht nicht mehr einkaufen
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