Jene Frage hat zu heutigen Mumienjahren allerdings eine ganz andere Wertigkeit bekommen, als der Hinweis meiner damaligen Wandmalerei 1971/72!

Da mein Schwager, Arschloch als Spitzname, alle Fotos von mir weggeschmissen hatte, kann ich leider nicht mit irgendwelchen Ablichtungen dienen.
Vor vielen Jahren gab allerdings ein Kumpel kund, in Magdeburg würde noch ein Haufen Stasi-Scheiß von mir liegen, deren Hinweise er in seiner Akte fand, vielleicht wären da auch Bilder bei! Aus Rostock gaben Bekannte ähnliche Rauchzeichen, hab allerdings nie Anträge gestellt.

Retour zu den Gegebenheiten im Pfarrhaus. Kam man in unser Wohnzimmer, stand gegenüber ein Schreibtisch und darüber prangte der Apokalyptische Reiter, von George Grosz, ungefähr 1,5 Meter groß.
Die Decken im Wohnzimmer waren mit polnischen und russischen Film oder Zirkusplakaten tape­ziert, in der Povstube Peking Rundschau und China Reconstruct. Ich erhielt sie anonym von der chinesischen Botschaft aus Warschau.
Öffnete man die Tür zur provisorischen Schlafkammer, gab es rechterhand die Darstellung eines sehr attraktiven drallen Mädels, ungefähr 2 Meter 50 groß, mit sehr ausgeprägten Bindegewebs­wucherungen. Ihre durchsichtige schwärzliche Reizwäsche gab mehr preis, als sie verbarg, dazu hatte ich entsprechende Strapse rot dargestellt. Die gesamte Körperhaltung war leicht nach vorn ge­beugt und an einem Bein fummelte sie am zweiten Nylon herum. Es lag ganz im Sinne des Betrach­ters, ob sie ihn nun entfernen wollte oder überstreifte…
Gleich links neben der Tür, über dem kleinen Allesbrenner, stand ziemlich weit oben besagte Frage, allerdings nicht: Pills!
Gleich darunter befand sich die humoristische Verarbeitung eines schweinchenrosafarbenen fliegen­den Säuglings. Mit seinem Mund biss er in ein weißes Dreieckstuch, in dem ein liegender Klapper­storch transportierte wurde! Hatte dazu in vielen europäischen Sprachen, sehr gut lesbar, das Wort: Achtung, anfangs noch kalligraphiert. Später durfte jeder, der die entsprechende Sprache nachwei­sen konnte, weitere übereinstimmende Vokabeln mit einem fetten Filzer anmalen…
Unser Pfarrer hatte schon lange begonnen sich aus allem herauszuhalten. Manchmal kam mir das Gefühl, dass wir für ihn nur als Probanden fungierten, denn er kam oft mit A. S. Neill und seinem Sum­merhill. Was bei meiner Mutter der Sowjetrusse Makarenko, war bei ihm, was die Erziehung betraf, der Angelsachse. Richtige Diskussionen ließen sich mit dem Pastor auch nicht mehr führen, mir schien klar, dass er von dem, wie es sich entwickelte, mächtig enttäuscht war, andrerseits begannen Zweifel an mir zu nagen, was sein Verhältnis zur gewissen Behörden anging…
Alles rutschte immer mehr ab.
Zu dritt hatten wir fast 2500 Mark im Monat, wobei Wanze als Montagehelfer, soviel verdient wie Stoni und ich zusammen. Lebten mietfrei, brauchten nur Telefon und Strom zu rubeln und das Geld reichte nicht. So manchen Monat wurden bei Kneipen-Willi noch zusätzlich bis 300 Mark Zech an­geschrieben. Zum größtes Handicap entwickelte sich meine ewige Sauferei in allen Lebenslagen, beginnend schon morgens im Betrieb…
Die orgiastischen Wochenenden unterschieden sich nur darin, dass sie mal donnerstags begannen, ein paar Tage später freitags. Je nachdem, wann die Montagehirsche ihre wöchentliche Arbeitszeit beendeten und sich in die Spur machten. Montagmorgen verließen die letzten das sinkende Schiff. Obwohl alle ihr Scherflein zu den dauernden Feten beitrugen, Fressereien, Kohlen, Getränke mit­schleppten, anschließend die gesamte Bude immer in Schuss brachten, begann mich alles anzuöden.
Nach etwas mehr als ein Jahr ging der neuerliche Lebensversuch chaotisch koppheister. Es hatte sich so gut angelassen, aber keiner von uns dreien schien in der Lage, solch Leben, wie wir es be­gonnen hatten, auch zu meistern.
Das Kanarienvogel-Syndrom, wie ich mal bezeichnete, ging auch an uns nicht vorüber!
Im vorangegangenen Leben permanent gegen die Gitterstäbe gehopst, dann in etwas mehr Freiheit, kamen wir nicht mehr zurecht. In dem Durcheinander, wie es begann, endete auch alles.
Statt, wie vom Distriktpastor vorgeschlagen, bis zum kommenden Frühjahr zu warten, erst einen Job in der Gegend suchen und dann unser neues Leben mit der Renovierung des arg deformierten Hauses zu beginnen, wollten wir aber sofort loslegen. Dabei hatte der Gemeindekirchenrat noch nicht mal seine Zustimmung für den Einzug ausgesprochen…
Bereits nach einem halben Jahr wurde mir klar, wenn ich nicht schnellstens die Situation im Haus in den Griff bekommen würde, war alles zu spät.
Etwas in Richtung bildende Kunst zu studieren, galt als abgefressen. Weil das dummrote Stali­nistenpack, vornweg die Mutter meiner Schwester, von mir als Vorleistung verlangten, mein westlich dekadentes Outfit zu ändern und mich staatstragender gesellschaftlicher Arbeit hinzugeben.
Obwohl ich, kurz vor den Prüfungen, das Abitur geschmissen hatte, kam aber vom Sprachenkonvikt das Angebot, mich auch ohne Hochschulreife studieren zu lassen.
Hin und hergerissen tat ich das Falscheste überhaupt.
Begann wieder Zonen-LSD zu schmeißen. Cocktails aus allen möglichen Medikamenten, syntheti­schen Scheiß aus dem Tschechland. Polnische Freunde brachten die wesentlich besseren, billigeren und völlig legalen amphetaminhaltigen Pillen aus dortigen Apotheken mit.
In jener Situation kotzte es mich an, dass man sich im Haus nirgends zurückziehen konnte, was na­türlich auch an mir lag.
Die kleine Küche ließ sich ohne weiteres in ein Zimmer umfunktionieren, außerdem das riesige Dachgeschoss ausbauen…

Fußnote zu Makarenko und Neill
Erziehungsversuche meines stalinistischen Muttertieres, verbunden mit ideologischem Drill, auch ewig verbunden mit aufopfernder Hilfe ihrer Genossen, waren mehr als nur zum Kotzen. Obwohl ich bereits Literatur auf einem ganz anderen Niveau las, mit 11 / 12 Jahren, musste ich mir den roten Mist aus dem Pionier-Buchklub noch einziehen. Meine Weigerung war damit verbunden, dass die Alte unser Wohnzimmer abschloss und ich dadurch nicht mehr an ihre Bücher herankam. Mächtiger Zeck war nebenher unumgänglich, als sie gewahrte, dass ich mir, Honoré de Balzac – Die dreißig tolldreisten Geschichten reingezogen hatte…
Erinnere mich noch genau an eine Vorgabe ihrerseits. Sollte in dem Fall, ihr die Inhaltsangabe eines Ostern von Аркадий Петрович Гайдар vortragen, um wieder an die Wohnzimmerliteratur zu ge­langen. Begeistert meinte sie anschließend, ich solle etwas später unbedingt Makarenko ´ s , Der Weg ins Leben und Flaggen auf den Türmen lesen. Jener Hinweis auf später, veranlasste mich natürlich sofort, beide Schwarten unmittelbar zugreifen…
Nach über einem Jahrzehnt, 1972, fiel mir bei unserem Pastor etwas von Neill in die Hände und registrierte, dass es gar keinen so großen Unterschied gab, was die Erziehungsmethoden des Russen betrafen.
Bereits im Alt Töplizer DFD-Heim, als 6jähriger, entwickelten sich meine Aversionen gegen die morgendlichen Fahnenweihen und den damit verbundenen Brimborium. Lockerte oftmals jene drögen Standzeiten mit irgendwelchen Späßchen auf, sei es nur, im angetretenen Rudel einen stin­kenden Streicher fahren zulassen.
In den folgenden Jahren kam hinzu, dass ich mich als absolut untauglich für sog. Kollektive ent­wickelte. Wenn mir irgendetwas nicht passte und es partout nicht einsah, verweigerte ich ganz schlicht.
Darauffolgende Bestrafungen ließen mich dann ebenso kalt…

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