Brandenburgtag in Königs W-hausen

Sonntag, 7. 9. 08, kurz nach 12 Uhr kamen wir in Königs Wusterhausen an, so einen Massenansturm wird dieser Marktflecken in den nächsten 100 Jahren nie wieder erleben.
Uns empfing vor dem Bahnhof mächtige Bambule, der Festumzug war seit 30 Minuten zu Gange. Wie soll ich ihn beschreiben? Bunt, laut – wie halt so ein „Brandenburgtag“ einfach ist – verbunden mit undefinierbaren Fetzen aus Marschmusik, Schlagern, Techno, Kreischen, Schreien und irgendwelchen Moderationen. Sich mit Fahrrädern, die paar hundert Meter, quer durch die Massen zum Jagdschloss des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm I durchzuschlagen, war kein einfaches Unterfangen. Vor der Brücke über den Nottekanal, in der Puschkinstrasse, vernahm ich das Maschinengewehr der Dummschwätzer, meinen Freund Cherno. Schnell durch die „fröhliche“ Menge und rein in den Schlosspark.
Im Schlosshof schafften sich mehre, sehr gut zurechtgemacht Grüppchen in historischer Kluft des Rokoko, mit spitzen Mündchen parlierend. Sie taten mir bei dieser drückenden Luft ganz schön leid. Auf die, in jener Zeit sehr verbreiteten menschlichen Ausdünstungen wurde aber verzichtet. Denn Wasser und Seife zu Reinigungszwecken, waren verpönt, man sprach damals doch mehr Puder und Parfüms zu.

(In den Genuß solch anheimelnden Düfte kam ich Stunden später, auf der Rückfahrt in der U-Bahn, zwischen „Neukölln“ und „Hermannstrasse“. Dort stieg ein etwa dreißigjähriger Falaffelgermane zu. Besser gesagt, ehe ich ihn wahrnahm, schob sich eine stinkende Wolke durch die Tür, in ihr etwas mächtig gestyltes, mit einem Pfund Pomade in der getürmten Haarpracht, das makelloses Antlitz glänzte fettig. Weshalb knallt man sich dergleichen Schmalz in die Larve und scheint anschließend alles zu polieren? Ist sicher ein Werbungspaniker, der Angst hat, dass in wenigen Jahren sein Gesicht so ausschaut, wie ehemals „Knautschke“ im Nacken.
– Das mit der Pomade konnte ich ja noch nachvollziehen, machte unser eins zu Schulzeiten auch, wegen der Elvistolle und dem Entenarsch hinten…
Die Gehwarzen staken in arschteuren, air conditioned Puschen, der Rest hing in einem schillernden etwas. So etwas trägt Onkel Fredi, 88, im Schrebergarten, wenn er sich besonders fein macht. Joggingdress nennt man dieses geschmackvolle Ganzkörperkondom wohl, glaube ich wenigstens.
Unter seinen Achselhöhlen schienen große Rasierklingen zuklemmen und in jeder Hand hielt dieser Typ ein Handy. Vor Kraft schien er sich nicht richtig bewegen zu können. Kaum in lässiger Stellung verharrend, begann dieser Dressman sofort beidhändig zu mailen. Gott sei dank, denn solche respektlosen Jungs brüllen doch sonst fortwährend in ihre Kommunikationsprothesen, man meint, sie unterhielten sich auf einem gut besuchten Basar, in hundert Meter Abstand. Während solcher Augenblicke kommen mir arabischen Laute immer vor, als ob in drei Seemeilen Entfernung, ein Ersaufender blubbernd um Hilfe schreit.
Bei ihm schien es sich um den Distriktdealer zu handeln – oder kam er einfach nur als chronisch untervögelten Wichtigtuer daher?
Wie ich den Typen so mustere, ging mir langsam die Luft aus, nur gut, dass Fenster ließ sich öffnen. Bestimmte Riechwässerchenlassen mich in Sekunden die gleichen allergischen Symptomen spüren, wie in der Windtrift von Hunden und Katzen. Als Krönung dieser auffälligen Duftnote, rundete als I-Punkt so zusagend, dezenter Schweißgeruch jene ungewöhnliche Komposition ab.
Was mir noch nie jemand erklären konnte, da machen diese Männchen auf hardcore Machos, bestäuben sich aber wie Doppeltunten mit schweren BASF-Tinkturen, jener stinkenden Kreationen, die eine scheintote Hamburger Hafenhure, noch nicht mal zu ihrem 60-järingen Berufsjubiläum in Erwägung ziehen würde.)

Mein Weib kam mit dem Argument, wegen des Umzuges haben sicher wenige Leute Trieb dieses preußisch-schlichte Schloss, zu besichtigen, schon ward sie nicht mehr gesehen.


Mein Trachten war mehr nach brandenburgischen Gaumenfreuden und wurde nicht enttäuscht. Nirgends wabernde Düfte von europäischer Kantonküche.
Gut der Matjes kam nicht aus der Gegend, aber die Füllung der geilen Schrippe, eine riesige Gurkenscheibe, das beim Kauen krachende Salattblatt und alle Bollenringe. Die Selbstdarstellung der Brandenburgischen Provinzen fand ich gelungen, auch was die Befriedigung der leiblichen Genüsse anging.
Im Schloss war es nicht so prickelnd, außer in dem Rum wo F.Ws. „Tabakskollegium“ ewig tagte, war alles sehr spärlich eingerichtet. Das lag sicher daran, auch in KW gab es im Winter ´45 kommunistische Snobs, die liebend gern königliches Möbelwerk verheizten.
Auf dem Aufstieg zum „Funkerberg“ machte ich noch ein paar Aufnahmen.
Der Leierkastenmann trickste dabei rum, denn seine Klangmöhre beinhaltete Elektronik und er konnte 320 Titel abrufen, wenn ich richtig hörte.

Ein älterer, bundesgermanischer Trabbi

Im Hintergrund der 210 Meter hohe Sendemast auf dem Funkerberg

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