The Pogues – 3. VIII. MMX – Spandauer Zitadelle

Jeder hat ja so seine Lieblingshits mit denen er irgendwelche ideellen Werte verbindet.
Abgesehen von den Stones und Bob Dylan, kann ich mich gar nicht richtig festlegen. Hinzu kommen massenhaft geile Songs, die von Schwarzen in 12-taktigen Blues verpackt wurden!
Unter meinen ersten Tophits befinden sich u. a. natürlich: Otis Redding“Sittin´ On The Dock Of The Bay”, Temptations“Papa Was A Rollin´ Stone”(The Temptations vernahm ich Anfang der 1960er in einer Wolfman-Jack-Show, spätnachts auf AFN. Hörte mich daraufhin etwas um, aber niemand hatte vorher jenen Bandnamen vernommen, auch deren Art von Mucke war bisher völlig unbekannt. Zumal schwarze Musik auf keinem deutschen Sender gespielt wurde. Abgesehen von Little Richard, der manchmal sogar in den morgendlichen Reklamesendungen auf hessischen und norddeutschen UKW-Stationen lief…)
Nebenbei existierten ganz besondere Titel, bei denen man keinen Wert auf die Texte legte, weil sie so banal daherkamen. „Lady in Black“ gehörte dazu, damals aber ein absoluter Dosenöffner bei Feten.
Ein Lied faszinierte mich seit meiner Kindheit ganz besonders, da kam nur ein Feeling rüber, obwohl ich kein Wort verstand.
Anfang der 60er existierte in Sangerhausen ein Schallplattenklub, den die Roten verboten als die vier Weißbrote aus Liverpool das damalige Musikverständnis umkrempelten. Plötzlich erinnerte man sich, dass jener Leiter der Plattengruppe überhaupt keine Befähigung besaß, um mit Jugendliche zu arbeiten und jemand kam drauf, dass er als ehemaliger Fremdenlegionär aus dem Westen stammte. Damit war Sense, haben wir diese dummroten Arschgeigen verflucht.
Jener Typ übersetzte mir damals diesen gefühlvollen “Irischen” Folksong, der mich total enttäuschte, wobei ältere Anwesende meinten, der Text ist echt, zeitlos und passt auch auf unser Nest!
Es handelte sich um: „Dirty Old Town“. Ab diesem Zeitpunkt zog mich auch die Irische Volksmusik in ihren Bann und nirgends konnte man in der Zone diese Musik legal erstehen.
Kurz darauf bemerkte ich, die Jungs hatten an diesem Abend Recht, wir lebten am Arsch der Welt.
Über den Texter Ewan MacColl bekamen wir fast keine Informationen.
– 1949, „D.O.T.“ in einer Zeit geschrieben, als sich UK im gemeinsamen Kampf der Alliierten mächtig übernommen hatte, ganz nebenbei brach das riesige Imperium zusammen, aber MacColl begann seine Karriere…

I met my love by the gas works wall
Dreamed a dream by the old canal
I Kissed my girl by the factory wall
D…
Clouds are drifting across the moon
Cats are prowling on their beat
Spring’s a girl from the streets at night
D…
I Heard a siren from the docks
Saw a train set the night on fire
I Smelled the spring on the smoky wind
D…

Nachdem ich mich aus Sangerhausen verkrümelte hatte, fielen mir bei diesem Song oft Nächte im Blutigen Knochen (Herrenkrug) ein und Begebenheiten, ähnlich derer im Text.
Diese urkomischen Situationen, wenn man partout auf einen Hormonaustausch bestand, dafür ausgerechnet ein anständiges Mädchen herhalten sollte. Die man aber erst überzeugen musste und nicht ganz so unwirsch mit seinem Stangenfieber belästigen wollte. Da hieß es eine gewisse erotische Inkubationszeit ihrerseits in Betracht zuziehen.
Niemand besaß eine sturmfreie Bude, besonders schlimm war die Situation, wenn es draußen Mistgabeln schiffte. Ansonsten war man sowieso ewig auf gewisse klimatische Bedingungen angewiesen.
Was wurde in solchen Momenten alles ausgelotet und dann absolut nicht in Betracht gezogen werden konnte. In der Kneipe fallen mir die Toiletten, Backstage oder zur vor geschrittener Stunde die kleine Garderobe ein, allerdings musste dort eine gute Bekannte den Job machen.
Wie schon erwähnt, in der wärmeren Jahreszeit konnte man allerdings auf andere Möglichkeiten zurückgreifen. Wie die folgende Binsenweisheit belegt: Ist der März schon warm und trocken, kannst du auch im Freien bocken!
Zwei schwer realisierbar Gegebenheiten waren eine Nummer auf den Mülltonnen im Hof, bei meiner Größe gab es da keinen Probleme, allerdings fand der alte Finkenhahn (Der enteignete Inhaber wohnte über seiner Kneipe) diese Art der Unterbrechung von Tanzpausen nicht korrekt, schon wegen des Kuppelparagraphens, außerdem wollte bestimmte dummrote Genossen ihm ewig etwas anhängen.
Als nächste Variante konnte der Park vor dem Rosarium gelten. Raus aus der Kneipe, über die Straße die Treppen hoch. Zwischen den drei Teichen, an den Wegen, gab es manchmal unter den Schneebeerenbüschen etwas Platz…
– Ein Kumpel ließ beim entsprechenden Stichwort, ewig einen janz ollen Witz ab:
Vorhin musste ich am
Zweierteich dringend pissen, schwenkte meinen Jogi in Richtung eines Gebüsches.
Kommt daraus die ärgerliche Stimme: Du Arschgeige! Musst du gerade hier schiffen?
– Moment mal! Seinen sie doch nicht so unflätig, ich bin in Begleitung einer Dame!
Aus dem Dunkel: Was meinst du denn, worauf ich liege?
Als grobe Verlegenheit bat sich manchmal in Richtung Parkstrasse, am Pfennigteich, die Klappe an und sie stank immer infernalisch. War sie mal wieder gereinigt, dann allerdings nach Lysol.
Was nach etwas längerer Abwesenheit anschließend im Tanzsaal jeder schnuppern konnte und zu reichlich Kommentaren Anlass gab…
Hier noch die immer wiederkehrenden Flucherei eines Bekannten und aktiven Mitglieds des städtischen  Angelvereins. Jene Truppe kümmerte sich auch so ein bisschen um Park und Teiche. Ewig nervten die voll gerotzten Traktorreifen, befestigt an Büschen oder schwimmend in den Gewässern…

Nun komme ich zurück auf Ewan´s Text.
In unmittelbarer Nähe stand kein Gaswerk.
– Allerdings 100 Meter weiter Wände eines Fabrikgebäudes, an der man in etwas dunkleren Nischen seine Käthe nieder knutschen konnte.
– Einen Kanal gab es nicht, aber etwas weiter unten das Tälchen der Gonna mit verschlungenen Wegen, einem Biotop mit Huflattich am Ufer, meterhohen Brennnesseln, Disteln, Schierling, Gräsern und Bilsenkraut in Richtung des Abhanges der ehemaligen städtischen Schutthalde.
– Wolken kreuzten manchmal den Mond, „…The moon stood still….(Oh Fuck, diese Zeile stammt aus einem ganz anderen Hit, den spielte Glenn Miller & His Orch. schon – 1940 – zur Truppenbetreuung) und Katzen krähten an der alten Wassermühle auch manchmal…
– Sirenen vom Hafen tuteten nicht, aber die entsprechenden Signale ertönten aus den Fabriken…
– Was ich auf den Weg an die Gonna oft sah, waren ein paar Kilometer weiter Lokomotiven auf der Bahnstrecke, die beim Anfahren Glut kotzten. Da ellenlange Güterzügen mit mehreren Dampfrössern, den Blankenheimer Berg hoch getreckt und geschoben wurden…
– Geruch des Frühlingswindes vermischte sich auch mit rauchender Abluft der dortigen Gießerei…

Schon seit meinen ausgehenden Kindheitstagen, befanden sich am Fuße der Müllkippe, in dem nicht einsehbaren Grünzeug, irgendwelche Sitzgelegenheiten, manchmal mit kleinen  Überdachungen versehen.
In jenen Tagen lernte ich dieses Versteck kennen.
Kumpels waren gerade mit Bömbchen (gerade 13) zugange.
Seit ihrem 12. Lebensjahr sprießten zwei handbreit unter ihrem Kinn, innerhalb ganz kurzer Zeit, zwei riesige Wucherungen aus Fett- und Bindegewebe. Verbunden war dieses Wachstum mit einer unersättlichen Gier nach harter Männlichkeit. Wenn es möglich schien, ließ sie sich aufspießen (Was auch Broilerfick genannt wurde). Jungen, unerfahrenen Geilhubern schnatterte sie einen, während ältere sich von hinten zwischen ihren feisten Schenkeln den Weg bahnten.
Was dort manchmal abging, war mir bekannt, aber diesen Sachverhalt fand ich als unbedarftes, überbehütetes Bürschchen doch recht merkwürdig, mit 11 oder 12 Jahren.
In dieser Situation fielen mir sämtliche Beschreibungen aus Großmutters Doktorbuch ein, welches sehr getarnt auf dem Schlafzimmerschrank lag, die vorsichtshalber immer mit Ausrufungszeichen versehen waren. Und von diesen Sätzen gab es zum Thema eheliche Pflichten, Liebe und Geschlechtskrankheiten derer sehr, sehr viele.
Fünf Leute waren anwesend , von 12 bis 17 Jahren, rauchten, witzelten, redeten belangloses Zeug, zwei noch anderweitig beschäftigt, nebenbei kreiste eine Schnapspulle, sicher von der kleinen Dicken spendiert.
Das Mädel kniete auf einem siffigen Sofa mit aufgeknöpfter Bluse. Rock nach oben geschoben, der Schlüpfer baumelte an einem Bein, ihre Milchdrüsen hingen leicht über der Lehne.
(..) ließ recht unbeteiligt ihre Mundarbeit über sich ergehen, rauchte nebenbei, während bei (…) Schweißperlen auf der Stirn sprießten, seine Hände verkrallt in den Sitzwangen, erfolglos Halt suchend. Madames kreisender Arsch erinnerte an den eines Brauereigauls, das Fleisch der Schenkel quoll über ihre gestrickten Strümpfe und zwischen den Strapsen durch.
(..) überließ mir ihre unersättliche Schnute, sofort tauchten die entsprechenden Ausrufungszeichen aus dem intimen Folianten wieder auf!
Alle begannen zu lästern, was sollte ich tun?
Umständlich und langsam fummelte ich den Rüssel aus der Nietenhose, der befreit, sofort in die Waagerechte schnellte – aber die vielen: „!“ „!“ „!“
Man schob mich in Richtung der Sofalehne. Ein harter Griff von Bömbchen, mit Zug in ihre Richtung, schon in diesem Moment erledigte sich alles: Du Sau, du Schwein, alles auf meine Bluse…
Ausgelassene Fröhlichkeit, ein Zug aus der Flasche und eine Zigarette…

Ach so.
Morgen spielen die Pogues in der „Spandauer Zitadelle“ – hoffentlich regnet es nicht.

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