Von JÜRGEN DREVES
Für Schnullerhalter gibt es 91 EU-Normen.
Gottes zehn Gebote, wie sie im Kleinen Katechismus stehen, umfassen gerade mal 103 Wörter. Sie sind seit Jahrhunderten die Grundlage der gesamten abendländischen Kultur. Die EU-Bürokraten geben sich mit solchen Kurztexten nicht zufrieden.
Sie haben zum Beispiel die Norm EN 1400 erfunden: rund 50 Seiten stark, mit 91 Anforderungen – nur für Schnullerhalter. Ausgedacht vom „Technischen Komitee Artikel für Säuglinge und Kleinkinder – Essen, Trinken, Saugen und ähnliche Funktionen“.
Nach vier Seiten mit skurrilen Definitionen werden Normen aufgestellt, die jeder in der EU verkaufte Schnullerhalter erfüllen muss. Eine der harmlosesten lautet: „Ein Schnullerhalter darf eine maximale Länge von 220 mm haben.“
Auf weiteren 34 Seiten sind bis ins letzte Detail Prüfverfahren geregelt, und zwar für jede der 91 Vorschriften. Kostprobe: „Wenn der Schnuller am Band durch einen dauerhaft angebrachten Schnullerhalter befestigt ist, muss die Messung von dem vom Band am weitesten entfernten äußersten Ende des Schnullerhalters bis zum letzten Stück des Bandes oder der beweglichen Befestigungsvorrichtung an der Befestigung am Kleidungsstück erfolgen; ausgenommen ist die Länge der Befestigung am Kleidungsstück.“ Alles klar?
Offiziell soll die Vorschrift verhindern, dass Babys sich strangulieren. Eine Gefahr, so räumt die EU selbst ein, die äußerst gering ist. Den wahren Grund für den Irrsinn nennt Lüder Gerken, Vorsitzender der Stiftung Ordnungspolitik und des Centrums für Europäische Politik:
„Es geht um Marktabschottung. Die extrem bürokratischen Vorgaben und Prüfverfahren sind derart aufwendig und teuer, dass Hersteller in der Dritten Welt sie sich kaum leisten können oder deren Produkte so teuer machen, dass sie in der EU nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Leidtragende sind die Verbraucher, die höhere Preise zahlen müssen.“