S-Bahn-Krise: Hilft der Gülle-Trick aus Hausmütterchens-Rezeptbuch?

Wollüstig betätige ich mich ja als jenes Kamel, das permanent Gras wegfrisst, was irgendwann über eine Sache sprießt. Deshalb einige Anmerkungen zu diesem Artikel.
Klar ist die Tatsache, man hat die Einsparung von S-Bahnangestellten nach reinen Kosten/Nutzenrechnungen mächtig übertrieben. Allerdings haben sich die Vorgehensweisen nicht geändert, was den Einsatz von Menschenmaterial betrifft, da wurden lediglich die Ebenen verschoben. In vergangenen Zeiten erfolgten die Vorgaben von der Partei und die verantwortlichen ließen sie umsetzen, heute hat diese Funktion der jung-dynamische BWL-ler übernommen. Was deren Gefühl im Umgang mit Menschen angeht, sind solche Flachzangen ähnlich gepolt.
Was sich auch nicht geändert hat, ist die Tatsache, dass die vier Jahreszeiten der größte Feind von geregelten Abläufen war, manchmal wurde der Klassenfeind noch zusätzlich herangezogen.Läuft heute ganz ähnlich, sie werden nun als Extremisten bezeichnet, vornweg natürlich die ‏القاعدة [al´qa:ʕɪda]…
„In der DDR hat man schon vor dem Winter ordentlich vorgebeugt und geschmiert. Heute sind die Wartungsabstände viel zu lang. Es wird erst reagiert, wenn irgendwas bereits kaputt ist.“
Ist natürlich nicht ganz korrekt, schließlich handelte es sich irgendwann um ein riesiges ABM-Programm, was im Osten ablief.
„Es gab mehr Kontrolle, mehr Werkstätten und man hat alles getan, damit die Weichen nicht einfrieren. Sogar Schweinegülle drübergegossen.“
Natürlich, weil überall diese Rotznasen der „FDJot-Kontollposten“ herumschnüffelten, der Einsatz von Schweinegülle war mir nicht bekannt.
Für das allerletzte Aufgebot griff die Partei stetig auf Bereitschaftspolizei und Volksarmee zurück. Ebenso auf Myriaden von zwo-49ern und R-Flüchtlingen aus Lagern wie Rassnitz, Black Pump, Volkstedt u.s.w., die mit Vergünstigungen geködert, unter erbärmlichen Zuständen an Brennpunkten zum Einsatz kamen. Da ging es nicht nur um Weichen auftauen. In Sklavenarbeit wurde die angefroren Braunkohle mit Brechstangen herausgebrochen, aus den Waggons der Werksbahnen für Brikettbuden, den Güterwagen der Reichsbahn, so lange noch Binnenschifffahrt möglich ebenso aus den Kähnen und anschließend mit Vorschlaghämmern zerkleinert…
„Früher hat man vieles durch Handarbeit erledigt. Es gab mehr Hausmütterchen-Rezepte, als Elektronik. Je mehr Technik es gibt, umso mehr Pannen passieren auch…“
Gegen Rezepte aus Omas Trickkiste ist nicht einzuwenden. Das mit der Elektronik erledigte sich in der Zone von selbst, schließlich besaßen sie die größten Microchips der Welt…
„Damals hatten wir mehr Personal, in jeder S-Bahn gab’s einen Schaffner und für den Winterdienst wurden extra Leute eingestellt. Die heutige S-Bahn spart nur an allen Ecken.“
Das mit dem Schaffner halte ich für ein Gerücht. Zu Beginn der Ulbricht-Ära mag dies zutreffend gewesen sein. Da er ja viele Genossen abschoss, die sich anschließend in der Produktion bewähren musste, wenn sie nicht vorher stiften gingen. Klar, es gab die „Volkskontrolleure“ (ich weiß nicht mehr, wie sie genau hießen), scheintote Rentner, die sofort brüllend mit einem DIN-A5 Wisch in Klarsichtfolie herum wedelten. Mehrfach hochgezogen in S- und U-Bahn konnte ich durch Mithilfe anderer Passagiere immer flüchten.
Natürlich wurden Saisonkräfte eingestellt, die meistens nach vier Wochen kündigten, wenn sie ihre Miete für die nächsten drei Monate drin hatten, bei 12 oder 15 Mark für eine kleine Zweizimmerwohnung im Prenzelgebirge, z. B. in der „Dunckerstrasse“.
„Die Mitarbeiter haben damals einfach angepackt, wo Arbeit war. Ohne lange nachzudenken. Jetzt streitet man sich um die Zuständigkeiten bis Sommer ist.“
Lotti (86) ließ das ab. In diesem Alter darf sie sich auf biologisch bedingte Vergesslichkeit berufen. Wie sehe es aber aus, wenn ihr jemand auf die Sprünge helfen würde. Mit dem Anpacken lief es oft auf freiwilligen Zwang hinaus, mussten doch mehrheitlich die S-Bahnangestellten ideologisch gesehen, dunkelrot daherkommen, ohne Westverwandtschaft und ARD-Fernsehen nur, wenn am Fenster vor den Gardinen eine Leuchtstoffröhre flackerte.
Streit um Zuständigkeiten gab es relativ selten, weil die Vorgaben immer eindeutig aus dem Politbüro kamen und wer wollte damals schon in die „Rummeline“?
PS. Heute möchte ich dort auch nicht eingesperrt sein, wegen der vielen Neureichen im Knast

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