“Die Stunde der Dilettanten”

Thomas Rietzschel, Wie wir uns verschaukeln lassen
Endlich ist es auf dem Markt!
Bekanntlich wird sich auch nach dieser Publikation nicht die Bohne ändern!
Dafür sind die vorhandenen Strukturen seit Jahren bereits so stahlhart verknöchert, die Netze der Seilschaften schon so engmaschig, dass noch nicht mal eine Sackratte durchschlüpfen könnte.
Wenn Rietzschel meint – Wie wir sehen werden, ist es dieses egoistische, aus den persönlichen Ansprüchen wachsende, unerschütterliche Selbstvertrauen, das den Dilettanten zum Tatmenschen macht. – kann ich ihm nicht folgen. Es handelt sich dabei nicht um „unerschütterliches Selbstvertrauen“, so etwas kennen diese Leute gar nicht. Ihnen fehlt auch nur ansatzweise das Gefühl für Unrechtsbewusstsein. Pädagogische Defizite sind die Ursache, dabei spielt es absolut keine Rolle in welchem Stall der Heranwachsende aufwuchs, auch die soziale Herkunft ist vollkommen nebensächlich. Mir ist doch deshalb ein respektvoller Proll tausendmal lieber als eine überkanditelte Flachzange mit “feinen” Manieren aus großbürgerlichen Verhältnissen.

Es ist auch nicht machbar, sich mit jemanden über Respekt zu unterhalten, wenn er ihn im Elternhaus nie erfahren hat. So jemand kann daher ganz bestimmte Verknüpfungen für ein sozialverträgliches Leben überhaupt nicht herstellen. Deshalb muss in solchen Fällen immer die Hure der „politischen Korrektheit“ mit ran – ich weiß, du bist in jeder Lebensalge ein Dilettant, das darf aber keiner direkt äußern, weil es im umgekehrten Fall genauso zwingend angesagt ist und wer möchte schon diese Erkenntnis täglich offeriert bekommen?
In dem Zusammenhang wurde mir schon oft die Frage gestellt, ob ich etwas gegen „niederes Lohngesindel“ haben würde.
Keineswegs!
Auf Grund meiner Sozialisation war ich die meiste Zeit im Rudel der Proletarier eingebunden.
Mir sind aber auch andere Bevölkerungsschichten nicht fremd, allerdings bevorzuge ich seit Jahren bereits Menschengruppen die für mich berechenbar sind, wenn ich mich tiefgründiger mit ihnen einlasse. Berechenbarkeit hat nämlich etwas mit Respekt untereinander zu tun. Auf einem berechenbaren Menschen kann man allzeit bauen, ihm sind auch andere Tugenden nicht fremd, z. B. Geradlinigkeit, Verlässlichkeit, Vertrauen, Spiel- und Streitkultur. Zu seinem Wort stehen und zwar solange, bis es im Vorfeld widerrufen wird!
Rechtzeitig seine Bedürfnisse anmelden…

-Was soll da noch kommen, eigentlich genügen bereits die paar Seiten seines Vorwortes…
Fast nicht vorstellbar – wie ich seit Jahren bereits – diese elitären Dilettanten verachte.
Zitiere hier mal wenige Sätze die einen “Machteliterich“ betreffen – das ehemalige ά-Tierchen der Chlorophyllmarxisten.
…Unter der Überschrift »Depression« hielt Fritz J. Raddatz am 8. Juli 1995 in seinem Tagebuch fest, was er bei einem Besuch Joschka Fischers in der Hamburger Zeit-Redaktion erleben musste. »Es stimmt«, soll der nachmalige Außenminister, in dessen Zuständigkeit auch die Goethe-Institute fielen, damals gesagt haben, »es stimmt, ich habe mit Kultur nichts am Hut. Ich war noch nie in der Oper. Ich gehe nicht ins Theater, nicht ins Konzert. Ich lese ein bisschen. Ich finde es ehrlich, das zuzugeben. Erst gestern habe ich mit einem der berühmtesten zeitgenössischen Maler gesprochen – ich habe seinen Namen vergessen.« Als Fritz J. Raddatz daraufhin nachfragte, ob es ihn nicht geniere, »zwar die Gesellschaft umbauen zu wollen, aber ausschließlich in Termini wie Hammelsprung und Wählerverhalten, Mehrheitsbeschaffung und >Politik ist in erster Linie Personalpolitik< zu reden«, bekam er zur Antwort: »Nein, warum sollte mich das genieren. Das ist mein Alltag.« Danach blieb dem Bildungsbürger Raddatz nur noch die Abwendung mit drei Worten des Entsetzens: »Feist, aber leer.« Übersehen hatte er dabei freilich, dass es eben diese Leere, dieser bildungsentleerte Hohlraum ist, in dem sich das Selbstbewusstsein der Dilettanten entfaltet, unerschütterlich.

– Diese wenigen Sätze entfachten einen inneren Reichsparteitag. (Ist mir schon klar, jene Metapher ist politisch vollkommen inkorrekt(?!), unpassend(?!), faschistoid(?!) u.v.m.!“)

Was habe ich für Flachzangen kennengelernt seit ´79, die irgendwann in der lokalen und später in der „ganz großen“ Politik wieder auftauchten. Angefangen bei den AL-lern, den Sozis, später dann den Bündnis90ern, den Grünen…
Wenn ich dabei an das bundesweite Umfeld von D.P. denke, brrrrrr!
Langzeit studiertes Volk drunter, promovierte dabei.
Zu meinen Zonenzeiten wurden solche Leute folgendermaßen klassifiziert: Gegen die ist doch ein ein sowjetisches Wildkaninchen aus der Steppe Kasachstans ein Abiturient…
Bei einem dieser cholerischen, grünen Weltverbesserungen erlebt ich mal folgendes.
Ist von keiner großen Wertigkeit, aber bezeichnend.
Als ich in seiner kleinbürgerlichen Idylle im Südwesten von Berlin auftauchte, kommt mir seine kleine, 7 oder 8 jährige Tochter entgegen gerannt.
„B, B! Ich habe vorhin im Garten ein „Untier“ gefunden und nachher fahre ich mit Papa in den Zoo, die wollen uns erklären was das für ein „Untier“ ist!“
Sie holte aus der Küche ein kleines Schraubglas und musste mir dann den kleinen Gefangenen anschauen.
Nun sollte man ja davon ausgehen, auch wenn jemand sein Neckermann-Abitur auf dem ZBW erlangt hatte, bei ihm vielleicht noch etwas von Biologie oder Heimatkunde aus der dritten Klasse vorhanden war, aber nix…
„Möchtest du gleich wissen welches Tierchen es ist?“

Seit einigen Wochen besaß die Familie nagelneue, mindestens anderthalb Meter „Brockhaus“ – „ein Sonderangebot“ – wurde öfters beton.
Bei der erstmaligen Präsentation kam von mir statt einer erwarteten Lobhudelei lediglich: „Die machen sich gut im vorgesehenen Studier- und Musikzimmer. Hoffentlich sind es nicht nur Hüllen für Videos. Aber alles ist korrekt sortiert…!“
Das Scheffchen setzte daraufhin, wie immer in solchen Fällen, seine gallige Beckenbauer Mine auf.

Von meiner Seite folgte eine kurze Aufklärung, dass es keine „Untiere“ gäbe und in einem Zehlendorfer Garten schon gar nicht.
„Los, düse mal ab und hole den Band „E“ vom neuen Brockhaus!“
Schreiend verschwand die Kleine im Haus und brüllte in Richtung oberer Etage, „Papa, B. hat gesagt, ich soll Band „E“ vom neuen Lexikon holen…“
„Sei aber schön vorsichtig!!!“
Wieder auf der Terrasse, „darf ich es selber heraussuchen?“
„Klar,“ und nannte ihr das entsprechende Wort.
Freudig las mir dieses altkluge Kind sehr gekonnt den Text vor.
Dann raste sie wieder ins Wohnzimmer und schrie wieder hinauf.
„Papa, Papa wir müssen nicht mehr in den Zoo fahren, ich weiß jetzt was es für ein „Untier“ ist! B. hat mir dabei geholfen. Es ist ein Engerling und vielleicht wird nächstes Jahr daraus ein Maikäfer!“
Gut fand ich, dass sie ihrem Vater auch noch den Hinweis mit dem Maikäfer gab…
Das Mädel war daraufhin sehr zufrieden, nur Papa kam mir etwas merkwürdig vor.
Nach mehreren Flaschen Bier erfolgte die Auflösung seines Missmuts.
„Da hast du aber meine Autorität mächtig untergraben, das hättest du auch etwas anders regeln können…“
Bei den folgenden Bieren drehten wir uns wie üblich im Kreis, es ging dann um die „richtige“ Erziehung und diese Wissenschaft hatte er schließlich jahrelang stupidiert…

3 Gedanken zu „“Die Stunde der Dilettanten”

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  2. zk

    Wie das bei den Ostberliner Engerlingen war, ist mir nicht bekannt…
    Ich gebe Ihnen sogar Recht bei der Schreibweise von Dilletanten!
    Möglicherweise tat sich bei der Herleitung des Wortes aus dem Latein-Spaghettianischen lediglich ein Klugscheißer hervor und machte sich mit seinem Definitionsversuch nur wichtig, denn in Wirklichkeit ist das Wort nämlich von „Dill“ und „Tanten“ abgeleitet. Was einem germanischen Ursprung gleichkommen würde!
    Allerdings muss ich Sie noch auf etwas hinweisen!
    Bitte unterlassen Sie in Zukunft den geistigen Diebstahl!
    Für den Begriff: „verzogene Proletenpack“ – wurde mein Rechtsbeistand zu Wahrung der Urheberrechte beauftragt, die russische Pachtoilettenfürstin vom Hauptbahnhof in WOB-City, Гортензия-Аннушка Спутниковановна. Sie besitzt sogar einen Dr. h.c. (Westentaschenjuristerei) der privaten Volkshochschule aus Жалағаш ауданы – Qazaqstan…

  3. micha

    Engerling – war das nicht so eine komische Band aus’m Osten, die Blues uff Deutsch jemacht haben, weil se keen Englisch konnten?
    Wegen die Dilletanten {so jedenfalls die einzig richtige Schreibweise, so will ich das hier nochmal festhalten, jawoll!}: Habe das komplette Vorwort verschlungen und ist auch viel Wahres dran. Aber den doof-lustigen Gottschalks und Bohlens nichts weiter als pessimistische Weltsicht ohne Hoffnung entgegenzustellen, finde ich auf Dauer dann doch zu anstrengend. Und warum der Monte Veritä nicht vielleicht auch was Positives hatte – mir persönlich geht schon mehrheitlich das verzogene Proletenpack auf dem Sack – will mir nicht in den Sinn. Die einen halten den anderen die Steigbügel, von daher hilft, wenn überhaupt nur die Aufklärung. Und da steckt sowieso in allererst der Wurm drin. Oder der Engerling. Bis Mai ist auch noch eine Weile hin.

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