B-B-U*

(*) Berlin-Brandenburger-Uhrzeiten
In Brandenburg gehen die Uhren bisweilen ganz anders, besser gesagt, gelegentlich ist deshalb viel Phantasie gefragt.
UntitledDie Petzower sind pfiffig, die legen scheinbar keinen Wert auf ablesbare Vergänglichkeit. Auf der anderen Seite sparen sie dadurch auch das Pflegegeld für ein Uhrwerk. Hätten es trotzdem so regeln können wie Nordafrikaner, in Sizilien rotiert wenigstens der Stundenzeiger…
Das Zifferblatt hätten sie sich auch sparen können, außerdem kann doch heute niemand mehr römische Zahlen lesen…
Zu bestimmten Uhrzeiten wurden auch noch auserwählte Glocken geläutet und manchmal sollten sie auch noch Gläubige (Ich meine natürlich Christen!) in die Kirche scheuchen. Deshalb bekommt  das 12-Uhrgeläut ( High-noon) noch eine besondere Bedeutung, nicht nur, weil man früher auf dem Dorfanger mit einer Axt den Tag halbierte…
Diesen ruhestörenden Eingriff, in die mittägliche Beschaulichkeit, verdankt das Abendland Papst Calixtus III., der kam am 29. Juni 1456 auf diese Idee. Aber nicht deshalb, weil er von der unzüchtigen Zeigerstellung ablenken wollte, da sich in dem Augenblick Minuten- und Stundenzeiger  kurzfristig in die Missionarsstellung begeben…
UntitledAm vergangenen Sonntag gelangen mir bei mäßigen Licht gerade noch diese Aufnahmen, von einem recht merkwürdigen Zeiteisen. Es rottet vor dem AOK-Gebäude in der Kanalstraße 8/9 vor sich hin.
Merkwürdig deshalb, oft sieht man riesige Zeitmesser, die nur zweimal am Tag die korrekte Zeit anzeigen, jener Uhrwürfel macht es sogar achtmal in 24 Stunden…
UntitledAm „Hauptbahnhof“ wurde der Zeitanzeiger scheinbar geklaut. Allerdings will die „wobra“ demnächst aus der steinernen Flunder einen Zierfisch kreieren und dann kommt oben wieder ein Chronometer mir Leuchtzifferblatt hin…
Über die Berliner Mengenlehreuhr lasse ich aber nichts ab, dass kann nachgelesen werden!

Möchte aber noch eine Begebenheit aus meiner kalten Heimat anpinnen, selbige Geschichte ereignete sich 1971, hat etwas mit dem Zifferblatt von St. Jacobi zu tun – natürlich in Sangerhausen – sie stammt aus diesem Konvolut und nix ist redigiert.

  Besagten Handwerker erlebte ich mal, als er den 1. Sekretär der SED-Kreisleitung in der “Klemme” auflaufen ließ, wegen des Kirchen-Chronometers.
Wir saßen am frühen Nachmittag in trauter Runde, mein Freund Puffi hätte in dem Fall wieder passend kommentieren können , wo Klaus gerade hockt, sind wieder mehrere Jahrzehnte Zuchthaus versammelt. So auch an diesem Tag, als der Dachdecker mit seinem Knecht reinschneite. Fluchend ob der Kälte und Feuchtigkeit setzte er sich an unseren Tisch, und schmiss gleich für eine große Runde. Sie wollten an diesem Tag Feierabend machen, zuviel Wind und Nieselregen.
Alle schon gut vorgeglüht, als sich jemand mit sehr lauter Stimme erkundigte, ob hier ein Herr Müller sitzen würde, selbiger gab Zeichen, dass er nicht da sei. Der Frager wurde weggeschickt mit dem Hinweis, dass jemand Müller gerade noch in Vetters-Frühstückstube (Weitere berühmte Sangerhäuser Kneipe in der Bahnhofstraße, 10 Min.  von der “Klemme” entfernt) sitzen sah. Der Abtritt des Neugierigen wurde mit wieherndem Lachen quittiert. .
„Leute, dies war der Kutscher von der SED-Kreispflaume (SED-Kreispflaume – ugs.1. Sekretär der SED-Kreisleitung), der sucht mich schon seit geraumer Zeit, ein bisschen Bewegung schadet dem nichts.“
Womit der Dachdecker nicht rechnen konnte, kurz darauf stand der Fahrer wieder auf der Matte, in Begleitung seines Chef´s. Der Kreisleiter düste durch die Kneipe, und brüllte sofort wie auf dem Kasernenhof los.
Was das denn solle, er würde die Angelegenheit schon seit Tagen mit Missfallen beobachten, wieder sei auch am heutigen Tag nicht viel geschafft worden, und außerdem wäre noch Arbeitszeit. Dies schien für den Handwerksmeister zu viel.
Ganz ruhig machte er den Genossen darauf aufmerksam, dass er schließlich nicht auf Stundenbasis arbeiten würde und er im Gegensatz zu anderen, seine Arbeiten immer zur Zufriedenheit seiner Kunden fertig stellte.
Er könnte sich vorstellen mal mit ihm zu tauschen, denn wie andere arbeiten, würde er gern mal seinen Urlaub verbringen, außerdem gebe es noch so etwas wie Arbeitsschutz.
Jeder am Tisch grinsten, dabei flogen die Köpfe immer ruckartig in die Richtung des jeweiligen Sprechers. Es ging ein Weilchen Hin und Her, schließlich sollte Müller mit rauskommen, was er ablehnte, mit Hinweis auf seinen wohlverdienten Feierabend.
Nun drehte der Funktionär vollends auf, „auch wenn für diese Arbeit ein Objektlohn vereinbart sei, müssten doch schließlich Fortschritte zu sehen sein.“
“Sie sind ein, ein, ein…
Sie müssten mal richtig hinschauen! Mehr als arbeiten geht nicht, außerdem, was kann ich dafür, wenn mir der Stundenzeiger laufend den Pinsel aus der Hand schlägt.”
Das darauf einsetzende Chaos wurde urkomisch, da der Angesprochene nicht zu verstehen schien, um was es ging. Die Anwesenden klatschten auf ihre Schenkel und den Tisch, dabei kippten Gläser um, einige fielen zu Boden. Der Dachdecker lehnte sich während dessen ganz gelassen zurück, und schaute mit schräg gehaltenem Kopf, unschuldig dreinblickend den großen Parteinik an. Der glotzte in die Runde und schnallte rein gar nichts. Sein Fahrer begann ihn am Mantelärmel nach draußen zu zerren.
Schon als beide hinter der Schwingtür den Windfang betraten, gab es in der ganzen Kneipe kein Halten mehr. Nun wollte auch jeder wissen, was an unserem Tisch abgegangen war. Müller, mit hochrotem Kopf, die Narbe unterhalb seiner Stirn glühte, sielte sich in dem von ihm verzapften Gelächter.

– Das solch hohe Tiere wie der abgetretene Genosse manchmal schwer von Kapee waren, schien in Sangerhausen Tradition zu haben.
Knapp 10 Jahre zurück, war dem Parteifreund T. vom Rat des Kreises ein Eigentor gelungen. Dies geschah 1962, im Schützenhaus, während einer Protestversammlung, anlässlich der Kubakrise.
Genosse T., der seine Texte immer fein säuberlich ablas, schrie anschließend das erste und einzige Mal etwas frei von der Zunge, ganz euphorisch ins Publikum und dies ging voll in die Hose.
Seine Faust dabei rhythmisch aufs Rednerpult knallen und losbrüllen waren eins: “Kuba den Kubanern und Indien den Indianern ! ! !”
Anschließend glotzte er noch verständnislos in die Runde, als es vor Lachen keinen mehr auf seinem Stuhl hielt.

– Abschließend noch ein Witz von der Sorte, für den es zu Zonenzeiten mindestens einen Totensonntag in der Braunkohle gab, wenn ihn jemand entsprechend platzierte…

1946
Ein junger Rotarmist knallt dem Uhrmacher sein gerade frisch erstandenes Beutestück auf den Verkaufstresen.
Seine Mpi im Anschlag brüllt er sofort los: „Du gucken! Uri nix gutt! Nix arbeiten!“
Erschrocken greift der Meister das defekte Teil, fingert sich eine Lupe ins Auge und öffnet mit zittrigen Händen den Taschenchronometer.
Greift dann zu einer Pinzette, ganz vorsichtig bringt er etwas zum Vorschein, zwischen den kleinen Greifern klemmt ein Floh. Den hält er dem Sowjetsoldaten vor seine verblüfft dreinschauenden Äuglein.
„Sehen Sie, ich habe hier das Corpus dilicti, weshalb die Uhr ihren Dienst versagte. Dies ist ein verendeter Floh!“
„Aha! Ponimaju, ich verstehen – Maschinist tot!“

Ein Gedanke zu „B-B-U*

  1. Pingback: Chemnitzer Allerlei | Blogwart Zonenkl@us

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert