Letztens wurde etwas von Arno Schmidt gesucht, fand sogar mehrere Exemplare von ihm, dabei fiel mir nebenher auch „Die Mission des Luftballons“ in die Krallen. Vor über zwanzig Jahren hatte ich begonnen mir dieses Teil auf einer 8-stündigen Wochenendticket-Heimreise, kreuz und quer aus der kalten Heimat gen Berlin (Luftlinie keine 200 km), zu Gemüte zuführen. Obwohl damals gegen 6 Uhr 30 noch leicht angesoffen die Tour begann, faszinierte mich der Inhalt so, dass an Einpennen nicht zudenken war.
{Dabei fällt mir noch eine ganz spezifische Nebensächlichkeit jener Reise ein.
Als Proviant diente mir unterwegs ein Sixpack Gerstenkaltschale. In Jüterbog kam eine fast 60-minütige Pause hinzu, der Bahnhof gerade neueröffnet, blitzte und blinke vom vielen Edelstahl.
Irgendwann meldete sich ein menschliches Bedürfnis an – auf dem gesamten Gelände kein Scheißhaus zu finden, ebenso wenig ein gangbares Zeiteisen. (In Polen existiert auf jedem Provinzbahnhof eine saubere Pachttoilette und zumindest eine große Schätzuhr, eingestellt auf die MEZ.)
Während des Erkundungsganges lief mir schließlich in der Eingangshalle ein junger Bundesbahner über den Weg. Auf meine Frage nach der gewissen Örtlichkeit, kam grinsend die annähernde Antwort: „Typisch Wessis, nicht kleckern, sondern klotzen! Aber auf Kleinigkeiten legen die keinen Wert! Um es kurz zu machen, wenn sie ein großes Geschäft tätigen wollen, kann ich ihnen nur das total verwilderte Grundstück vis-à-vis empfehlen. Sie müssen aber, ob der vielen dort bereits abgelegten Tretminen, mächtig Obacht geben! Falls sie für diesen Gang nicht vollständig ausgerüstet sind, kann ich ihnen mit einigen Papiertaschentüchern aushelfen. Ansonsten gehen sie wieder auf den Bahnsteig zurück, an den Enden existieren Ecken, da sehen sie bereits von Weitem, wo sie sich hinstellen können, wegen der Spuren von Pisse die sich dort auf den Gehsteigplatten entlang schlängeln…“
Als mir kurz darauf zwei alte Damen über den Weg liefen, die recht peinlich berührt ihr ähnlich gelagertes Bedürfnis offerierten, erfolgte meinerseits fast wortwörtlich der vorherige Spruch vom Bahnbeamten. Beide schauten mich daraufhin sauwütend an, wurden schnurrig und fühlten sich sogar noch verscheißert…}
Nun wurde das herausgeklaubte Werk nochmals in Erwägung gezogen, begann üblicherweise mit dem Nachwort. Obwohl es sich dabei um eine rowohltsche Lizenzausgabe Ausgabe von „Volk und Welt“ handelt, stellte ich verblüfft wieder fest, mit welchem Blick der Verfasser, im September 1974, auf Alfred Polgar und seine Zeit eingegangen war. Schließlich handelte es sich bei dem Ösi um einen jüdischen Kosmopoliten und Pazifisten und seine Ansichten entsprachen keinesfalls jener ideologischen Vorgaben in der Zone.
Was haben aber seine Niederschriften, die seiner vielen Kollegen und jene Werke von bildenden Künstlern, im Vorfeld des I. Weltkrieges, gebracht?
Eigentlich nüscht!
Im Gegenteil, zwanzig Jahre später ging es dann sogar noch wesentlich perverser zur Sache und bis heute hat sich daran nichts geändert…
Irgendwann letzte Woche lief eine „Erster-Weltkrieg-Tagebuch-Dokusoap“, angeblich nach Aufzeichnungen von Käthe Kollwitz. Dachte mir so, als letzten Versuch schaust´e da nochmal rein – aber Scheibenhonig! Gott nochmal, wie bekloppt müssen denn die Drehbuchautoren, nebst dem dazugehörigen Stab an Pücho– und Soziolochen sowie Historien-Eksperten sein, wenn sie solch einen Scheiß abliefern? Da glotzte jene Tante, die Käthchendarstellerin, ewig aus dem Off die Zuschauer an und plapperte irgendwelche Betroffenheitsphrasen, dabei hoffen die Macher bestimmt, dass dem mündigen Zuschauer bei selbiger Klitterei auch noch einer abgeht. Dem ist aber nicht so, denn dabei wird einem eher das Sperma flockig!
Nun reicht es mir aber wirklich! Bis zum Start der großen Ouvertüre im August (Dabei streiten sich die Eksperten immer noch, wann der Krieg korrekt begann – als ob es auf die paar Tage ankommt.) und darüber hinaus, wird kein weiterer Versuch unternommen, mich politisch „aufzuklären“ zu lassen!
Zumal ich schon ähnliche Kriegsepen nach wenigen Minuten wegschaltete, weil man darin auch Tatsachen hinein gebastelt hatte, die damals noch gar nicht bekannt waren, sicher wegen der Aktivierung von diversen Tränendrüsen und scharf beobachteter Einschaltquoten.
Anschließen der Hinweis zu einer Lesung von Remarque´s „Im Westen nichts Neues“ {Was seine Beschreibung des Kasernenalltages betrifft, habe ich zu „Friedenszeiten“ solche Flachzangen von Vorgesetzten genauso erlebt (1967/68 als Bereitschaftsbulle in Halle/S.). Was auch jeder bestätigen kann, egal in welchem Land dieser Erdenscheibe er in eine Uniform gesteckt wurde!} dem eigentlichen belletristischen Standartwerk aus erste Hand, allerdings um die sechs Stunden lang. Genau das Richtige für eine Fahrt mit der Bundesbahn von Berlin nach München oder Stuttgart. Wenn man Glück hat, tut die Bahn ihr Scherflein dazu und es ist durch ihre ellenlange Verspätungen dem Fahrgast vergönnt, in aller Ruhe das Werk vollständig zu hören…
„Erich Maria Remarque Im Westen nichts Neues 1v5“ usw. – in der Tube zu finden.