Eine Lange Nacht über Nahrungstabus
Anfangs geht es ja irgendwann mit Pferdefleisch los.
Vielleicht erinnert sich mancher meiner DoKo-Runde in der kalten Heimat, dass ich öfters Experimente mit Zossengerichten machte. Als Großmutter dies registrierte, wurde sie tückisch, kaufte für mich extra einen Topf und eine längliche Sandkuchenform für Hackfleischkuchen. Beide Kochteile lagerte sie unterhalb der Spüle, zwischen dem Reinigungszeug. Teller und Bestecke musste ich ganz korrekt abwaschen, Stunden später wiederholte sie angeekelt einen zusätzlichen Abwaschgang…
(Das waren damals Zeiten. Hatte der alte H. mal wieder einen Zossen unterm Messer rief mich sein Sohn in der Firma an und sofort gings während der Arbeitszeit für ´n Stunde in sein Geschäft, denn innerhalb kürzester Zeit ging alles über den Tresen.)
Die Schilderung ihrer letzten blutjungen Untermieterin, eines Lehrlings vom dortigen Fernmeldeamt, brachte die Oma vollkommen aus der Fassung. Einen Tag vor ihrer Wochenendheimfahrt, plapperte sie euphorisch über das kommende sonntägliche Mittagsmahl. Beheimatet in einem Dorf bei Neubrandenburg, gab es an jenem Tag Stare, die ihr Großvater unter einem Netz vom Kirschbaum fing…
Angeblich sollte das Fleisch nach den tagelang gefressenen Knuppern schmecken.
Ähnliches gab ein Kollegen aus der Schokoladenbude kund, in der ich mal jobte. Selbiger Knabe fand in der letzten Mastphase seines Borstenviechs, wöchentlich einen Sack Kokosraspel weg. Weiß gar nicht mehr, wie viel hundert Ostmark solch Teil kostete…
Beim besten Willen konnte ich keinen Unterschied von seinem Edelschwein, zu einem Brösel Fleisch aus der Freibank erkennen, die sich gegenüber unserer Firma befand…
Oma besaß in manchen Situationen ein ausgeprägtes Ekelgefühl, einmal geschah Folgendes.
Zum Mittagsmahl gerufen, kam ich vom unteren Teil des Gartens in die Küche, in den geschlossenen Händen saß ein kleiner Laubfrosch, den ich noch vorher allen zeigen wollte. Großmutter gerade dabei, die Suppe am Tisch zu verteilen – auf meine Frage, ob ich ihr noch vorher ein Tierchen zeigen könnte, schlug sie meine Hände weg, der Frosch hüpfte geradewegs in den Topf. Nach drei, vier Schwimmbewegungen gab er sofort den Geist auf, Oma schrie erschrocken auf und kippte den Inhalt sofort in den Eimer unter dem Waschbecken, wo Essensreste für die Hühner gesammelt wurden, gleich danach gab es eine Kopfnuss. Danach erhielt Opa das verdorbene Behältnis, er kochte daraufhin für kleinere Reparaturen den Teer darin…
Die alte Dame half früher den Schlachtern, wenn Ziegen oder Schweine zerteilt wurden. Sämtliches Federvieh und Karnickel schlachtete sie. Nach dem traumatischen Gerücht einer gehässigen Nachbarin wurden die Langohren sofort verschenkt. Als selbige Klatschbase vernahm, dass sie bei Witwe S. zum Essen eingeladen waren, fragte sie hinterfotzig, „ob ihnen der eigene Dachhase gemundet hatte..?“
Wie es der Deibel wollte, kurz vorher war ihre Lieblingsmieze nicht wieder aufgetaucht…
Zeit meines Lebens habe ich alles gegessen, was auf den Tisch kam, allerdings stellten sich im Laufe der Zeit doch ein Wandel ein. Bei Hamstern war es einfach der Tatsache zuzuschreiben, dass es niemand mehr gab, der diese niedlichen Nager fing und zubereitetet. Oma hatte mir als Halbstarker das einknöpfbare, wunderschön gezeichnete Hamsterfutter (Unser Nachbar fing diese kleinen Viecher und verarbeitete die Fellchen anschließend.) ihres Persianers geschenkt, welches ich sofort in eine Weste für mich umfunktionierte.
Nierchen wurde nach der Knastzeit nie wieder angerührt, an solchen Tagen stank das gesamte Cottbuser Zuchthaus stundenlang nach einer riesigen Pissbude.
Sehr witzige Fleisch und Insektenteile wurden in China eingepickt.
Wobei frittierte Skorpione und eine große Asselart lediglich als Träger für wohlschmeckende Panaden herhielten. Heuschrecken besitzen schon so etwas wie ein Eigengeschmack. Zwangsläufig muss man sich dort gleich die entsprechenden Esskultur aneignen, was die Gastgeber immer amüsiert und wohlwollend registrierten, wenn man es ihnen gleich tat. Es ging ja auch nicht anders (Außerdem: When in Rome, do as the Romans do!), denn es gehört zu den allbekannten Legenden, dass Chinesen mit Stäbchen essen! Ich konnte es zwar vorher bereits, wurde aber dort eines Besseren belehrt. Gut, größere Teile oder für Salate da benutzt man schon die zweizinkige Gabel und überlädt damit seinen Teller. Ansonsten bleibt bei den ewigen Steh-Parties nur übrig, mit den Fingern zu mampfen und merkwürdige Essensteilchen zwischen den Fressleisten heraus zupolken und wieder am Tellerhand zu drapieren.
Gut vorbereitet auf die dortigen Sitten, hielt ich mich immer in der Näher der Gastgeber und des lokalen Reiseführers auf. Konnte erstens immer gleich fragen, was das ganze Zeug eigentlich war und aß dann wie sie. Führte den Teller an meinen Klappe und schob mit den übereinandergelegten Hölzchen alles rein. Anfangs spuckte ich Knöchelchen, Schwartenteilchen und andere Partikel noch vorsichtig vor mir oder seitlich aus. Später in größeren Runden, auch schon mal verwegen über den Tellerrand. Sehr schnell gewöhnt man sich an die multitasking Form des Speisen. Mit vollem Mund reden, nebenbei auch noch alle störende Partikel ausspucken, wenn´s geht, sehr geräuschvoll…
Kam schon alles strange rüber, sammelten sich die unbrauchbaren Reste auf einem wunderschönen Parkett und man musste beim Umherlaufen mächtig Obacht geben, um sich nicht zu erden.
Als letztes noch einige Bemerkungen zum Frühstück.
Da gab es die gleichen Köstlichkeiten, nur alles kalt. Solange die Schwimmhäute eines Entenfußes frisch aus dem siedenden Fett kommen, kann man sie knackend weg beißen. Morgens erinnerte alles an brüchige Gummiteile, ebenso ging es mit unterkühlten Hühnerhälsen, dem wabbligen Kopf und den blinden Augen im Antlitz…
Ob jemals Hund oder Katze bei jenen ausladenden Fressfeten drunter waren, wage ich zu bezweifeln. Wobei mir ein hiesiger Chinese mal erzählte, dass ihn der Geschmack von Teppichratten an männliches Wildschwein erinnere…
Nebenbei bemerkt, fand ich die gesamte Sendung sehr interessant!