Manfred von Conta, aus dem Roman: Der Totmacher, 1969

Komme soeben zurück. Hatten folgenden Dialog:
“Sehr interessant, was Sie sagen.”
“Ich sage es nicht, um originell zu sein. So denke ich eben!”
“Ich sagte nicht originell, sondern interessant. Das ist ein Unterschied!”
“Da haben Sie recht. Verzeihen Sie mir. Aber was meinen Sie dann?”
“Ihre ungeheure Distanz!”
“Ich brauchte lange, um sie zu erreichen, glauben Sie mir. Geschenkt wurde mir nichts.”
“Ich meine nicht die Distanz von Ihren Problemen. Die ist so groß, dass Sie Ihre Probleme schon gar nicht mehr sehen!”
“Ich habe keine Probleme!”
“Warum kamen Sie her ?”
“Ich weiß nicht.”
“Ich wilI’s Ihnen sagen, wegen einer Magenverstimmung.”
“]a richtig, ja!”
(Lachen)
“Und warum reden Wir?”
“Weil es uns Spaß macht. Weil es den Kaldaunen gut tut. Vor allem, weil es interessant ist.”
“Was ist interessant?”
“Meine Distanz. – So sagten Sie eben. Meine Distanz von was?”
“Vom Leben, von den Menschen, von der Wirklichkeit.”
“Ich bin Beobachter. Ich engagiere mich nicht.”
“Weshalb?”
“Weil es keinen zureichenden Grund dafür gibt. Wo soll man sich engagieren? Alles ist wahr. Alles ist falsch. Alles ist gut. Alles ist böse. Alles hängt – mit anderen Worten – vom Standpunkt ab. Woher soll ich Wissen, welchen Standpunkt ich einnehmen soll? Ich könnte ja jeden Standpunkt beziehen. Das ist meine Vielfältigkeit.”
“Das ist Ihre Schwäche!”
“Schwäche? Bitte, wieso? Für mich ist es Stärke!”
“Stärke ist wie der Schildkrötenpanzer, Sie leiden an einer Wucherung des Panzers. Zuviel Kalk um sich herum. Weshalb?”
“Panzer sind immer zum Schutz. Sollte ich einen Panzer haben, wie Sie behaupten, wird er zum Schutz sein.”
“Zum Schutz wovor ?”
“Na, vor dem Leben natürlich! Wovor denn sonst?”

Manfred von Conta: „Der Totmacher“ – Diogenes
Dazu etwas aus dem SPIEGEL + der ZEIT

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