Flüchtlinge in der Mainzer Fastnacht (Von Anke Petermann)
Will letztmalig noch etwas wegen des närrischen Treibens nachschieben.
Beginne mit dem Hinweis auf merkwürdige Verhaltensmaßregelungen für Flüchtlinge, diese armen Schweine tun mir wirklich in der Seele leid. Da bekommen sie während recht merkwürdiger Knüppelkurse ganz bestimmte – auch für mich nicht nachvollziehbare – vollkommen unverständliche verbale Eigenheiten der Rheinländer eingetrichtert, wobei nur gutmenschelnde Schaitans wissen, weshalb jene Aktionen eigentlich stattfinden. Dabei sollte es doch darum gehen, dass die holde Weiblichkeit nicht als Freiwild zu betrachten sei, auch wenn sie an den drei Tagen noch mehr als üblich mit ihren sekundären Geschlechtsmerkmalen kokettiert. Esoterisch verbrämt wird ihnen nun mit viel Singsang und Tanz beigebracht, dass Ärsche und Titten Tabuzonen sind!
Weil das Vergessen und die Verdrängung ausgeprägte menschliche Charakteristika darstellen, wird auf Dauer sowieso nichts in den grauen Zellen hängen bleiben…
Mehrere Kleinigkeiten fielen mir gestern Abend auf als ich gegen 9:30pm die Glotze einschaltete, natürlich gab es Rheinischen Frohsinn.
Schaute vorhin mal auf der ARD-Heimatseite nach, dort hieß es irgendwo: Das “Comitee Düsseldorfer Carneval e. V.” mit seinem Präsidenten Michael Laumen präsentiert natürlich auch in diesem 191. Jahr des Düsseldorfer Karnevals eine hochkarätige und “narrensichere” Besetzung.
Tut mir ja leid, aber auch nach einer halben Stunde wollte kein Funke überspringen, trotz der Sparwitze von Comedian Markus Krebs und der hektischen Aktion von Herrn Trepper.*
Tätigte wie in ganz alten Zeiten einige Photos von unserer Uraltglotze, habe sie nicht weiter verfremdet, nur in s/w gewandelt. Da kann man besser erkennen, dass trotz Schminke aus Flundern keine Zierfische werden, hinzu kam, weder beim Frischfleisch, genauso wenig sah man bei den schon etwas abgehangenen Semestern attraktive Tittenbuketts, sämtliche Närrinnen schienen die Hinweise im Vorfeld von BKA und Polizei doch befolgt zuhaben…
Als dann der Lokalmatador nebst „Räuber“-Band auftauchte, da reichte es mir wirklich!
Die sollen ihren Fun haben und sich multiple Orgasmen dabei holen, meinetwegen auch wochenlang – aber ohne mich – „Jedem Tierchen sein Pläsierchen!“
Zumal ich noch die Klänge der Tonart von letzten Nacht intus hatte. Gebe mal einen Hinweis, welche Art Musik da über den Sender lief – nur Mumien werden sich an die vielen Hits und deren Interpreten noch erinnern können!
Einen vorgestellten Titel von Hank Williams jr., gemeinsam mit der großartigen Whoopi Goldberg, fand ich im Netz: Wrapped Up, Tangled Up In jesus…
Über jedes Kostümfest könnte ich seitenweise Erlebnisse ablassen, hier noch meine erste Maskerade, selbiges Bild ist keines aus der Faschingszeit! Wir waren damals erst wenige Wochen im Kindergarten, hatte uns doch vorher Großmutter gerade aus dem Kinderheim in Alt Töplitz entführt. Mein blöder Blick resultiert scheinbar daraus, weil mir möglicherweise schon damals jegliche verordnete Kostümierungen suspekt vorkam!
Allerdings erlebte ich 11 Jahre später ein Kostümfest erster Güte. Es fand im Kulturhaus der Neptun-Werft statt, ausgerichtet für alle Stifte beider Rostocker Werften und für mich fast in die Hose ging. Ewig gab es irgendwelche Idioten, die mich für die FDJ rekrutieren wollten, der Verein richtete auch jene Fete aus. Deshalb verspürte ich natürlich keinen Trieb beim dortigen Ringelpiez aufzutauchen. Dies änderte sich durch den Fingerzeig eines Kumpels, denn man suchte für Neptuns Garde noch einige größere Leute. Wir sollten von Maskenbildner des hiesigen Theaters hergerichtet werden, dann sollte es einen zusätzlichen Obolus geben und die doppelte Menge von Getränkegutscheinen. Wegen der Sauferei prostituierte ich mich dann doch für den roten Haufen.
Dann stellte mir mein loses Maul fast ein Bein. Hocherfreut kam die widerlichste Erzieherin des Lehrlingswohnheimes an und horchte mich schleimend aus, ob es wirklich stimmen würde, dass ich dort sogar eine Funktion übernommen hätte. „Natürlich, ich mach bei Neptuns Leibstandarte mit!“
Dachte mir dabei überhaupt nichts, bis ich kurz darauf zitiert wurde, zum Instrukteur für Kultur und Sport. Diese stalinistische Arschgeigen fing ungefähr so an: „Kollege es hat wiedermal eine Beschwerde über dich gegeben, weißt du, was du wieder falsch gemacht hast?“
Was war nun schon wieder los.
Klar hatte ich permanent Schwierigkeiten mit den Organen. Dann das weitere Gesülze! Weshalb ich als Sohn einer hervorragenden Genossin nicht in der FDJ sei und einen unstillbarer Hang zur westlich/dekadenten Lebensweise frönte, was außerdem jeder an meinem ungepflegten Haarschnitt sehen könnte!
Am liebsten wäre ich sofort abgehauen, aber…
Dann ließ er die Katze aus dem Sack, es handelte sich um den faschistischen Begriff der Leibstandarte. Im ersten Moment wusste ich wirklich nicht, in welchem Zusammenhang meine Verfehlung zu suchen sei. Der freundliche Genosse half mir auf die Sprünge! Dieses Miststück, gerade er machte mich deshalb an – Abgänger einer Napola – aber seit Jahren galt er als schärfster Hund in der Dreigrammbewegung.
Alles lief dann gerade noch so in die entsprechende Bahn.
Neptuns Gardisten wurden leicht fischig, mit Tang, Schuppen, Perücken und sonst was hergerichtet und jeder erhielt einen großen Plaste-Dreizack.
Neptun und sein Hofstaat wurden von Schauspielern gemimt, seine Knechte mussten ganz bestimmte Aufgaben erfüllen, beginnend mit Schnick-Schnack, das bis 10pm befristete Kussverbot überwachen und Zuwiderhandlungen ahnden. Dafür wurden Delinquenten mit viel Hallo zu einem Tribunal an der Bühne verfrachtet. Zur Bestrafung standen dort zwei Pranger herum, natürlich mit Bewachung, außerdem existiert noch ein kleiner Käfig für schwerere Delikte, wenn z.B. irgendjemand ein Mädel anging und sich bei ihr kein Lustgewinn einstellen wollte. Wer in solchen Momenten die Übersicht verlor und kein Ende finden wollte, der flog allerdings auch ganz raus.
Mulle und ich waren die aktivsten Häscher, allerdings auch die korruptesten.
Anfangs inszenierten wir gewisse Vorfälle noch mit Hilfe von spendiertem Alkohol, später gab es Münzen, dann sogar kleine Scheine.
Jeder Unhold konnte sich nach wenigen Minuten vom Pranger frei küssen lassen oder musste unter Aufsicht eine kesse Sohle aufs Parkett legen. Vollkommen willkürlich nahmen wir Leute zur Gaudi irgendwelcher Auftraggeber hopp und agierten so auch als Kuppler.
Später artete dann so mancher Einsatz in richtige Arbeit aus, wenn es hieß, echte Streitereien zu schlichten oder volltrunkene Zeitgenossen irgendwie beiseite zu schaffen…
Eine Karnevalsfete, aus den 1980ern, muss ich noch kurz erwähnen. In weiser Voraussicht hatte der Gastgeber mich geben, die beiden WG-Bewohnerinnen mitzubringen, wegen einer eventuellen Übermackerung des Festes. Gerlinde hatte gerade etwas von Albert Camus gelesen und wollte von mir wissen, ob ich etwas dagegen hätte, wenn sie als Pestleiche dort auftauchen würde.
Ich fand ihre Idee natürlich grandios. Hatte die sich eine Arbeit gemacht, nähte ein entsprechendes Hemd, kreierte aus Haferschleim Schwären und Pustel auf der Haut, die noch entsprechend mit Lebensmittelfarbe getüncht wurden, der Rest landete in den Haaren…
Meine Freundin und viele Anwesenden waren nicht gerade amused, zumal ich auch in etwas zeitgenössischem auftauchte, allerdings nicht ganz so schräg, weiß aber nicht mehr was es war.
Auf der imposanten Party hielt sich nicht gerade der repräsentative Querschnitt hiesiger Bevölkerung auf, darunter etliche Personen, die richtig Knete in Kostümverleihs ausgegeben hatten, um wenigstens dort mal in ihrer ewig vermisste zweite Haut zu schlüpfen.
Alles arrivierte linkslastige Erscheinung, massenhaft Lehrer, Ärzte, Advokaten, Pücholochen, Journalisten, Leute vom SFB3 und Radio Multikulti…
*David Foster Wallace schildert ähnliche Erlebnisse. Leider hat er vor mehreren Jahren bereits sein Leben freiwillig zurück gegeben.
Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich