„Letztlich wird Berlin auch Köln“

(II)

Es fiel noch etwas zum gestrigen Schrieb ein…
Mir geht bereits das Gebimmel von Kirchenglocke auf die Steine, da ich mehrere Jahrzehnte direkt neben einem sog. Gotteshaus wohnte…
Von den entsprechenden Handhabungen eines Muezzins betreffend, kann ich auch Liedchen singen.
Besuchte 1981 einen Arbeitskollegen in Istanbul, dies Jahr zuvor gab es den Gebetskrach nicht, da sie noch am Bau einer Moschee werkelten. Zu jenem vereinbarten Termin, gab es mir etwas anderes weit mehr und ich mich stattdessen, mit einer Schnecke in Belgien herumtrieb…
Muss noch einige Verquickungen zu jenem Besuch einfließen lassen.
Das Viertel, wo der Kollege in Bakırköy wohnte, war noch im Aufbau begriffen. Dort kauften sich türkische Arbeiter, die alle in Westeuropa jobbten, ihre Eigentumswohnungen.
Isi´s Familie, nebst seiner alte Mutter und zwei Söhnen, bewohnten eine sehr schöne Mehrzimmer­wohnung in zwei Ebenen, von ca. 150 Quadratmetern, in der fünften oder sechsten Etage. Selbiges Domizil lag in ostwestlicher Ausrichtung, mit einem riesigen Balkon auf Sonnenuntergangseite. Dort wollte ich mich nächtens ausstrecken, durch die Gastfreundschaft wurde daraus aber nichts.
Zumal sich noch zwei andere Familien, acht Personen, für drei Tage dort einquartiert hatten, die beiden Männer waren auch Arbeitskollegen von mir.
Hatte in Saloniki ein junges Pärchen, aus Krefeld kennen gelernt, die pennten immer für kurze Zeit, sehr billig, auf dem Dach eines Hotels. Sollte mir ihre Behausung anschauen und dann am nächsten Tag meine Besuchstour beginnen. Ließ dies aber sein, da sich auf dem Dach ein sehr großer Wasser­tank befand, der nächtens gefüllt wurde und folglich alles mit recht lauter Plätscherei verbunden war. Durch einen recht heftigen Umtrunk in den Abend hinein, vergaß ich fast die nächtliche Sperrstun­de, dazu hockten wir mit mehreren andere Touries in bequemen Sesseln und schauten stundenlang in der Glotze einen ewig langen Comic an – Familie Feuerstein – türkisch synchronisiert! Immer, wenn der Schefff nach seiner Gattin rief, brüllte die gesamte Runde ebenfalls nach Wilma! Die an­wesenden Eingeborenen amüsierten sich dabei, wie Bolle über uns.
Landete natürlich zur angefangenen Sperrstunde in dem Viertel, alles eine riesige Baustelle. Sämt­liche Verkehrswege bestanden aus zerfahrenen Betonteilen, nirgendwo waren Straßenschilder ange­bracht, überall nur schummrige Beleuchtung, dafür an den Ecken der Hochhäuser, Halbmeter große Nummern…
Um die Mitternachtszeit stolperte ich durch das Gelände, mir fiel dabei auf, massenhaft waren die Fenster in den Häusern noch beleuchtet.
Plötzlich hopste ein Geländewagen um die Ecke, wurde dabei immer wieder angestrahlt, konnte bald nichts mehr sehen, dafür tänzelnde Lichtpunkte in den Augen. Ungefähr 50 Meter vor mir hielt die Karre, nun voll im gleißenden Strahl eines Flak-Scheinwerfers. Aus der Gegend brüllte je­mand irgendwas, tat in dem Moment lediglich jene hilflose Geste und stand mit erhobenen Armen dort versteinert herum.
– Hatte ich wenige Jahre vorher bereits, zu nächtlichen Stunden, bei den Mecklenburger Fischköp­pen an der Ostsee über dürfen, weil die gesamte Küste, als schwer bewachte Grenze galt…
Endlich fing der Soldat am Scheinwerfer an, ringsherum die andere Gegend abzuleuchten. Es dau­erte ein ganzes Weilchen, bis ich den brüllenden Offizier einigermaßen gewahrt, der nun ewig nach dem Passport schrie. Den ich, nach der Interpretation seines Gestikulierens, zu ihm schmeißen soll­te. Zwischendurch plapperte ich ewig irgendwelchen Scheiß: Du Idiot, kannst ruhig noch lauter schreien, ich verstehe sowieso nichts…
Das kleine Dokument fand sich nicht sofort wieder an, dafür ging der Lichtstahl kurz auf die höheren Rasen- und Kräutergewächse. Nun war es an dem Fahrer, das Teil zu suchen. Wusste bis dahin nicht, ob es sich um Polizei oder Soldaten handelte. Als der Offizier meinen lütten Berliner Aus­weis und keinen Bundesgermanischen Pass in den Händen hielt, brüllte er plötzlich noch lauter los, auch in Richtung seines Fahrers. Der sprach mich daraufhin mit Urschwäbischen Idiom an. Sodass ich ihm stecken musste, diesen Dia­lekt, in dem er sich auszudrücken pflegte, gar nicht verstehen würde. Während seiner Simultanüberset­zung begannen wir zulachen und ich durfte daraufhin sofort meine Hände wieder als normaler Zivi­list benutzen. Zeigte dem Dolmetscher meinen Zettel mit der Anschrift, die ich seit geraumer Zeit schon suchte und nicht finden konnte. Währenddessen spielte der Knabe mit seinem Lichtkegel an den Wänden der Hochhäusern her­um. Nach einem kurzen Anschiss, gab er sich wieder seiner ei­gentlichen Aufgabe hin. Und der Dei­bel wollte es, wir alle registrierten dabei, dass jemand am nächsten Haus einen Satz auf den Boden machte.
Ein kurzer Zuruf und im gleißendem Licht wankte jemand zu uns, ein ungefähr 50jähriger, aber reichlich angesoffen. Zum beginnenden Palaver gab es erst mal einen heftig gekonnten Begrüßungsschlag zwi­schen seine Schulterblätter…
Dann ging alles sehr schnell in Wohlgefallen über, der Türkschwabe schrieb auf der Motorhau­be, für mich und den Fremdling, je einen Passierschein für eine weitere Stunde aus, der Vorgesetzte knallte eine Petschaft drauf und wir konnten uns trollen. Meinem Führer sah ich dabei die Erleich­terung an, dass für ihn alles so glimpflich abgelaufen war.
Bevor wir gingen, erhielt ich noch zwei Erklärungen. Die ein betraf den Wehrdienst des jungen Mannes, der unbedingt in der Türkei studieren wollte und dafür seine Pflicht in Uniform hier ableisten musste, was er mittlerweile als einen schweren Fehler ansah…
Dann noch die Beantwortung meiner Frage, weshalb überall in den Wohnungen noch das Licht brannte – es sei momentan Ramadan und viele gaben sich den entsprechenden Anweisungen hin, zumal die meisten Bewohner hier, Urlaub in ihrer Heimat machten…
Jetzt begann eine kurze Odyssee, mein Führer erfuhr allerdings auch nicht den künftigen Straßen­namen, dafür gab es sich aber sehr pfiffig. Drückte an mehreren Hauseingängen beide Hände auf die Klingelschilder und brüllte anschließen die Frage in Richtung der geöffneten Fenster, ob jemand einen I. C. kennen würde
Zwei Blöcke weiter fand sich eine Bekannter meines Kollegen´s und von dem erhielten wir eine ganz genaue Beschreibung und nach weiteren 10 Minuten hatte sich alles zu meiner vollsten Zufrie­denheit erledigt..

(III)

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