KLASSENTREFFEN – XI. X. MMVIII

Eigentlich sollten hier schon die Bilder vom Klassentreffen (11.10.08) hängen, habe aber noch nicht den Finger aus jener Vertiefung der Sitzwangen bekommen. Unser nächstes Beisammensein findet schließlich erst in drei Jahren statt…
Hänge stattdessen zwei Photos rein, eins wurde in den 90er Jahren leicht verfremdet vom Genossen K. Decker, der dafür ’89 aber nicht auf die Strasse gegangen ist…

Monate später in einem Städchen am Arsch der Welt

Die Tante links oben sorgte dafür, dass ich bereits nach einem viertel Jahr begann, die Schule abgrundtief zu hassen und bald darauf Lehrer auf meiner persönlichen Hass-Top-Ten, seit 54 Jahren Platzt 1 belegen.
Konnte nämlich zur Einschulung bereits lesen und schreiben, kam aber als Linkspfotsch daher.
Als Ableger einer dummroten, chronisch untervögelten Stalinisten besaß ich ein zusätzliches Kainsmal, außerdem sollte es später in der Naumburger Kadettenanstalt weitergehen, da mir nur der Weg eines NVA-Piloten offenstand. Kollektives Mobben fast aller Mitschüler und die Schläge von Fräulein Lehrerin galten als Ursache, dass man mir endlich anständiges Schreiben beibrachte
Dankbar bin ich dafür, Ausnahmen kennen gelernt zu haben, leider zu spät!
Dazu gehören fast alle Pauker der Goetheschule. Hervorheben möchte ich dabei: Jutta – Klassenlehrerin + Russisch, Amalie – Biologie + Chemie, (Mir fiel zum ersten Klassentreffen 1990 etwas ein. Wollte nämlich von ihr wissen, weshalb sie damals in Rottleberode, als ich bei einem halben Meter Schnee, Sturz bezecht das Lager verließ, nicht sofort die Polizei alarmierte. Kurz vor der Reise erhielt sie, ob der Grenznähe, vom Direktor eine Information über meine zurückliegende Verfehlung. „Junge, die Polizei hätte dich noch am gleichen Abend in den Werkhof gesteckt, mit Einverständnis deiner Mutter! Mir war klar, dass du sehr schnell zurückkommst.“), Pento – Physik,  und den alten Sackel – Deutsch, mit seinem konservativen Deutschunterricht. Der mir auch viel nachsah, erinnert sei daran: Als ich ihn physisch mahnte, dass man nicht so einfach, ungefragt die Koteletten verdrehte, sie dabei mit aller Kraft in Richtung Zimmerdecke zog. Er nach einer gut placierten Parade mit dem Ellenbogen ins Dreieck, umkippte, sich aber anschließend mit einer Entschuldigung zufrieden geben musste, was ich dem stellvertretenden Direx, Herrn Michels verdankte. (M. bekam hinterher noch einen Gong von seinem Scheffchen, dem größten Stabü-Blindfisch aller Zeiten. Ohlendorf hätte mir liebend gern einen Freifahrtschein in den Jugendwerkhof verpasst.)
Allerdings nahm der Ausgeknockte hinterher auch Abstand von dieser Art Erziehungsmaßnahme. Wenn ich an seine wochenlange Geduld denke, als er jede Deutschstunde um zwei gelernte Strophen von Prometheus bat. Da es sich nach meiner Auffassung nicht um ein Epos handeln würde, sondern um den Ausdruck einer Lebensphilosophie, kam von mir gleich Protest und die Verweigerung diese Verse zu lernen.
Ob seines Beharrens reichte es mir irgendwann, schließlich deklamierte ich das gesamte Gedicht, berechtigterweise gab es allerdings keine Note.
Kurz darauf, beim Thema: Mein Vorbild – ich Elvis Presley auserkor, da musste er gegenhalten und konfizierte die Arbeit – so empfand ich es jedenfalls – ließ den Aufsatz unzensiert, gab mir auf meine Nachfrage auch die Noten für Rechtschreibung und Grammatik nicht. Was aber auf Anweisung von oben geschah, alles verbunden mit einem Anranzer für ihn, wegen Verfehlung des Lernziels…
(Bin mir sicher, 1964 an einer Bundesgermanischen Schule, wären die Lehrer auch im Carré gesprungen!)
Anfangs nervte mich eine bestimmte Mitschülerin, sie verstand nicht, dass bei meinem guten Zensurendurchschnitt (Er lag bei 1,6), in Betragen eine 5 stand, außerdem nervte diese Nase permanent wegen der FDJ-Mitgliedschaft.
Zu dieser Zeit haftete mir noch mächtiger Bammel an, weil die Stasi mich kurz vor Schulbeginn verdonnerte, nichts abzulassen von dem gescheiterten Fluchtversuch im vergangenen Schuljahr.
Diese 5 war einem Deal unter Genossen zu verdanken. Zwischen dem Heimleiter (Einem entnazifizierten Fanfarenzugleiter der HJ), in seiner Position als Parteisekretär der Schule, dem Lehrerkollegium und meiner Erzeugerin. Mein Weggang aus Stolberg war mit einer merkwürdigen Logik der Kommunisten verbunden. So wurde ich zweimal für ein Delikt bestraft. Entweder im Heim bleiben, nach der 5 im Halbjahr (Wegen der gescheiterten Flucht) eine 3, oder nach Hause und die 5 im Abschlusszeugnis, zur Bewährung in der neuen Schule.
In jenen Tagen hielten alle eine Kleinigkeit für nicht bemerkenswert. Viele in diesem Nest kannten sie, nur ich als Betroffener nicht. Mir wäre sonst niemals in den Sinn gekommen das Heim zu verlassen, ungeachtet dieser Scheiß Situation dort.
Meine Großeltern hatten, auf Anraten der stalinistischen Tochter ihr Anwesen verkauft und zogen in die Platte. Weil sie, frei nach Marx, ewig den Spruch verkündete: Eigentum sei Diebstahl! War mir etwas später nicht sicher, ob sie damit alle bewusst belügt hatte, denn den Spruch fand ich dann bei Pierre-Joseph Proudhon wieder.
Ein alter Bekannter, der sogar meinen Anrührer aus Schulzeiten kannte, meinte dazu: Deiner Mutter war es lediglich sehr peinlich, dass sie als kleine Parteisekretärin, irgendwann mal das größte Anwesen im Dorf erben würde…
Genossen der AWG offerierten meinen Großeltern, als VdN-Rentner, eine 2 2/2 Zimmerwohnung, ihre Tochter redete auch dies ihren Eltern aus, wegen der Wohnungsnot für Kinderreiche. Kurz nach Opas Tod ging es hinterher. Obwohl ich als Prinzchen das Kinderzimmer erhielt, entwickelte sich alles zum Dauerhorrortrip, dieses Trauma hinterließ mächtige Schrammen an mir.
Es gab zwei Argumente, dass ich mit Abschluss der 9. Klasse unbedingt wieder zurück nach Hause wollte. Das wichtigere, die Rolling Stones! Wir wollten auch eine Band gründen und der ehemalige Stall sollte als Übungsraum dienen.
Allem im Dorf war bekannt, dass meine Großeltern ihr Haus veräußert hatten und niemand steckte es mir, weder Freunde und Kumpels noch meine Schwester, ab diesem Zeitpunkt war sie für mich gestorben. Bei jener Sachlage, wäre ich nie aus dem Heim gegangen, trotz dortiger Schwierigkeiten, allerdings auch nie wieder in Sangerhausen aufgetaucht…
Das andere Vorhaben hing davon ab, ob es mir gelingen würde in den Ferien zu arbeiten.
Im Juli fand kam ich in der Meliorationstechnik unter, verdiente schweinisch Kohle und verbrachte anschließend drei Wochen im August bei meiner Freundin im Geiseltal.
Kaum zurück, erfolgte in der letzten Ferienwoche besagte Belehrung von den Organen und ungefähr 14 Tage später (Zwei Monate vor meinem 16ten Geburtstag) die nächste Hiobsbotschaft, bei Madame war die Erdbeerwoche ein weiteres Mal ausgeblieben. Zu meinem Bammel vor ihrem Schwager, einem ehemaligen, durch geknallten Fremdenlegionär, der mir mehrfach versicherte, wenn ich seiner Schwägerin einen Braten in die Röhre schob, würde er mich killen, kam die Angst vor der Zukunft hinzu.
Rossis Mutter, der ich mich anvertraute, versuchte mich zu beruhigen.
Zu Hause war der Mutter meiner Schwester, natürlich mein verändertes Wesen nicht verborgen geblieben. Pädagogisch vorbelastet, stöberte sie überall rum und fand den gewissen Brief, hatte nichts Eiligeres zu tun und verbreitete unter dem Siegel der Verschwiegenheit bei Freunden diese große Schande.
Alles schien sich unlöslich zu verknoten, die wesentlich ältere Schwester besaß das Sorgerecht meiner Freundin, deshalb konnte sie mehrfach belangt werden. Es existierte dieser unsägliche Kuppelparagraph noch, außerdem fand in ihrem Haus die Verführung eines Minderjährigen statt…
Und in dieser Situation, sollte meine Bewährung im neuen Schuljahr beginnen.
Mehrmals wöchentlich landete ich, in jenen Tagen auf dem Bahnhof. Statt mich endlich mal in den Zug zu setzen, war ewig die SB der Mitropa Endstation.
Täglich liefen mir dort neue Bekannte über den Weg. Leute die nur vögeln, saufen, und bezecht prügeln wollten – zum 15. Jahrestag der Deutschn Demokratschen Replik begann die erste und einzige Generalamnestie.
Meine gesparte Restknete schrumpfte merklich. In dieser abgefahrenen Situation fingen mich dort zwei Leute auf. Ein junger Lehrer und Musiker, Anfang 30, aus Berlin, er 213er und ein 10 Jahre älteres Mädel, aus der Umgebung, sie 249er. Beiden verdanke ich reichlich prägende, heute noch allgemeingültige Wahrnehmungen vieler Begebenheiten. Von ihm die politische und von ihr die sehr breitgefächerte sexuelle Seite…
Was aus beiden Trainern wurde ist mir nicht bekannt, der Typ verabschiedete sich kurz vor meinem Geburtstag: Alter, ich halte es nicht mehr aus! Sie geben mir keine Besuchserlaubnis für Berlin. Was soll ich ohne Frau und meine Kinder in diesem Scheißnest. Die Arbeit als Grubenarbeiter macht mich fertig, ich brauche unversehrte Hände, ich versuche es noch mal.
Sein Abschiedsspruch war ein großer, beidseitiger Vertrauensbeweis. Schließlich konnte ich ihn ja verpfeifen, auf der anderen Seite, gab er mich als Mitwisser an, ging es mir auch an den Kragen.
Ricky legte mir schließlich nahe, endlich meine sommerliche Liebschaft aufzusuchen.
Dort musste ich feststellen, auch im zweiten Monat war der Vietkong nicht in ihrem Busch. Endlich, nach großen Schmerzen im Unterleib und dem Geständnis beim Schwesterlein, gings zum Doc. April, April! Nix schwanger, nur leichte körperlich Malesse und das Kamel funkte mir nicht unverzüglich die Entwarnung.
Mein neues Verhältnis ließ mich viele Kleinigkeiten wissen, das Raus-und-rein-spiel trieben wir erstmalig an meinem 16. Geburtstag, aber davor gab sie viel anderes Preis und war eine sehr erfolgreiche Lehrerin.
Zwei Kleinigkeiten habe ich immer beherzigt und es war auch gut so!
Treibt man es mit einem Muttertier, müssen Kids morgens registrieren können, dass Mama zum Kuscheln in ihrem Nest für sie alleine da ist. Und als wichtige Nebensächlichkeit sollte Mann bedenken, dass es zum Vorspiel dazugehört, wenn er mal einen Moment seine Schnauze hält.
Irgendwann interessierten sich die Organe für meinen Umgang. Als erstes sprachen sie ein Mitropa-Verbot aus, am Pfeiler neben der Kasse pappte unter anderem auch mein Passbild. Irgendwann erhielt ich keine Unterrichtsbeihilfe mehr, es handelte sich dabei um monatlich 30 Mark, mein Zigarettengeld. Während der Auszahlung für Januar erwischte es mich, verbunden mit dem Hinweis, beim Schuldirektor vorzusprechen. Der äußerte sich nicht weiter, sollte aber demnächst meine Mutter vorbeischicken. Aha, wieder etwas zwischen Genossen! Am folgenden Tag stand sie voll im Brasst auf der Matte. Abends, wieder auf 180, brüllte sie irgendwas zu ihrer Mutter ins Wohnzimmer, riss meine Zimmertür auf, knallte mir brüllend, rechts und links eine: Du asoziales Element, dass Geld, welches dir die Genossen monatlich, großzügig überlassen, bringst du mit einer arbeitsscheuen Hure durch…

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