Irgendwo dümpelt mit drei Knoten die Dreimastbark „Gorch Fuck“ herum, das Ausbildungsschiff der reitenden Gebirgsmarine unserer Holsteinischen Schweiz.
Langeweile macht sich an diesem Samstag breit. Der Kaleu lungert auf der Back herum, ihm geht das ständige Klingeln von Kommunikationsprothesen auf die Steine.
„Erster!“
„Ey, ey Sir!“
„Lassen sie an der Fock die Segel setzen!“
„Ey, ey Sir, Focksegel setzen lassen!“
„Ich will aber keine Pissnelken an Deck sehen. Überlassen sie den Rest Bootsmaat Knickei, der wird es diesen Balettschwuchteln schon zeigen!
„Ey, ey Sir“
„Und denken sie daran, auch die Planken besitzen Ohren, geben sie die Anweisungen mediengerecht!“
„Ey, ey Sir, wir werden den verweichlichten Tunten schon Beine machen… Bis sie glauben, dass ihnen achtern der Klüverbaum steckt“
Der 1O verschwindet unter Deck.
Im Mannschaftsraum legt er los: „Liebe Auszubildinnen und Auszubildende! Bitte schalten sie doch mal kurz ihre Handies und Notebooks aus.“
„…ich habe gerade meine Omi am anderen Ende!“
„OK, ich komme in fünf Minuten wieder!“
Kurz darauf, die Anzahl der jungen Leute hat sich in der Kajüte mächtig gelichtet, trotzdem hebt der Offizier nochmals an.
„Schalten sie doch bitte ihr Handy ab!“
„Aber die Omi…“
„Bitte! Bestellen sie der alten Schabrackke, ähh, der Omi unbekannter weise einen Gruß von mir und sie rufen gleich wieder retour!
„Der Käpt´n hat mich beauftragt, bei ihnen mal nachzufragen, ob jemand freiwillig bereit ist in die Wanten zu steigen. Er möchte nach Möglichkeit an der Fock die Segel setzen lassen…“
Aus einer Ecke dröhnt es, „Und wenn die Weiber nackich laufen, lass se laufen, wir gehn saufen…“
„Ich bitte doch um Ruhe!“
„Nee, nee! Heut nich, vielleicht morgen, is doch viel zu gefährlich dort oben herumzukrebsen.“
„Nun machen sie sich nicht ein! Bei diesem lauen Lüftchen muss doch niemand Bammel haben, dass er abschmiert und anschließend im Dodenlift mit UPS in die Heimat verbracht wird! Ich flehe sie an, bitte melden sie sich freiwillig! Außerdem erhalten die anwesenden Damen für heute Dienstfrei.“
Schließlich lungert ein frierendes Häufchen von angehenden Matrosen, ergänzt durch Angehörige der Stammmannschaft, auf den Planken herum.
Ganz unterschiedliche Individuen, aber alle beseelt von dem Gedanken, mal etwas großes zu verrichten.
Meijer, Waldorfschulabgänger, der dort gestählt, seiner häuslichen Umgebung endlich beweisen will, dass in ihm mehr steckt als die beiden „Einsen“ im Abschlusszeugnis für Leistungskurse in musischer Bewegung und Handarbeit.
Kevin Mustermann, der sich gerade aus der Umklammerung seiner alleinerziehenden Lichterkettenmammi befreit.
Max Bierbixel der in seinem Niederbayrischen Dörfchen, nun nicht mehr dem Beichtvater zu willen sein muss.
Nicht zu vergessen, Lukas Adolf Romanczsziewski, dem als ältestes Kind einer zwölfköpfigen Familie aus dem Neuköllner Rollbergviertel, aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen das Abi gelang, trotz Migrationshintergrund und Hartzendem Familienoberhaupt, der ewig bezecht seine Familie malträtierte.
Ich könnte noch mehr aus dem Nähkästchen plaudern, will es aber dabei belassen. Letztendlich alles junge, aufstrebende Menschen wie du und ich.
„Bootsmaat Knickei übernehmen sie!“
„Mein Name ist Eibruch!“
Jeder an Bord weiß, wenn „Eibruch“ fälschlich „Knickei“ gerufen wird, dreht er durch.
„Ihr Lahmärsche ab in die Wanten zum Segelsetzen, aber ein bisschen zackig. Gott noch mal, ihr bewegt euch ja wie scheintote Senioren. In der Koje liegen, Stöhnnummern anrufen und dabei wichsen, das könnt ihr, aber mehr auch nicht…“
Jetzt tritt der 1O wieder auf den Plan.
„Kommando zurück!“, zum Maat gewandt, „so geht das aber nicht Knickei!“
„Mein Name ist „Eibruch!!!“
„Gut, Bootsmaat Eibruch, ich werde ihnen mal vorführen wie es sein sollte. Diese jungen Leute sind auch nur Menschen! Wir wollten sie mental auf ihre großen Aufgaben vorbereiten – mit Gefühl!…“
„Bitte schenken sie mir kurz ihre Aufmerksamkeit! Wir fassen uns jetzt an den Händchen und zählen gemeinsam bis drei! Dann geht sie ab die Luzie! Wer zuerst das Fußpferd am Vorreul betritt, der bekommt anschließend als Auszeichnung einen Blick zur Sonne, bei Facebook die Belobigung und zusätzlich einen vergoldeten Smiley!
Let´s do it!
We can!“
„Eiiinnns, zweeeeeei, dr…“
– Und nicht vergessen, heute 22:15, im Sender der Einäugigen, ein Hypnotikum mit MI!
Eine jener „Shows“ die man sich ansatzweise öfters einziehen sollte, um gelegentlich mal den Ausschalter an der Glotze zu betätigen.
Positiv betrachtet, kann man gerade Jugendlichen in solch gearteten Sendungen vorführen, wie respektlose Dauerschwätzer miteinander umgehen und dabei von ihren pädagogische Defiziten zehren. Streitkultur ist eine der wichtigsten Tugenden die jeder in Kindheitstagen im Miteinander erfahren sollte. Was absolut nicht möglich scheint, wenn der Heranwachsende mit der Geschwindigkeit einer MiG oder einer F-104 durch seine schlechte Kinderstube (wenn überhaupt vorhanden) düste…
Schön! Endlich mal wieder Prosa aus deiner Feder – selten so gelacht. Darf ich ja auch, mir fehlt zum Glück der Wehrdienstliche Hintergrund.