Betrifft: Einspurige Motorzweiradfahrer

– Vor mehreren Wochen hatte ich ein Erlebnis der besonderen Art mit zwei „Kraftradlenker“, deren Verhalten man offenkundig auf Laufmaschen im Nervengeflecht ihrer grauen Zellen zurückführen könnte…

– Beginne in dem Zusammenhang mit meinem Hang zu Mopeds und wie ich mal damit umging…

1964, in den ersten Wochen des 10. Schuljahres nervten politisch geschulte Häscher wegen eventueller Mitgliedschaft in der GST. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich von diesem Verein die Schnauze gestrichen voll, mir war zu Gehör gekommen, dass man mich auf keinen Fall für die Funkamateurprüfung zulassen würde, wegen des total missglückten Fluchtversuchs in den Westen, der ein Jahr zurücklag. (Mit diesem polizeilichen Führungszeugnis erhielt ich damals die optimale Basis für den weiteren Lebensweg im Schlaraffenland.)
Nun köderten die Genossen mit dem 1-er Führerschein, meine 15 Lenze sollten kein Hinderungsgrund darstellen. Diese einmalige Flebbe galt bis zum 16ten Geburtstag für 49 Kubik, bis 18 Jahre für 125 ccm. Anschließen war nach oben alles offen, ohne die Pappe entsprechend des Alters immer wieder umschreiben zu müssen und die ganze Chose sollte nur 50 Eier kosten.
Da brauchte es keine besondere Überzeugungskraft, zumal unser Kleeblatt in den folgenden Wochen alle Fahrstunden gemeinsam hinter sich bringen durften – Rossi, Techter, Puffi und ich.
Als Maschinen dienten ausgelutschte AWO 425. Nach unserer praktischen Prüfung wurden die Karren sofort stillgelegt. Keine konnte durchgängig nur mit der Fußschaltung gefahren werden, immer wieder gab es Hudeleien und man musste zwischendurch auf die Handschaltung zurückgreifen…
Erst sechs Jahre Später, im Frühjahr 1970, wollte ich mir auch ein Hirschlein zulegen, eine dreihunderter MZ.
Unter schweren Bedenken lieh mir Großmutter eins/vier.
„Jungchen, ob das gut geht, wo du doch soviel trinkst?“
Mit einem Kumpel (Komme nicht mehr drauf, wer es war.) ging es nach Eisleben. Den Verkäufer trafen wir nicht sofort an, dafür seinen neugierigen Nachbarn.
„Waaaaas? 1400 Märker willst du für diesen Schrotthaufen hinlegen? Die Karre wurde bei der NVA zu Schanden geritten, anschließend lief sie noch mehrere Jahre bei der GST. Du musst eine riesige Sprung in der Schüssel haben! Außerdem bekommst du ohne Vitamin-B überhaupt keine Ersatzteile mehr…!“
Als der Verkäufer schließlich auftauchte, verschwand sein nörgelnder Anwohner.
Schon beim Starten gab es Probleme, als die Maschine endlich lief, gab sie ein Haufen ungesunde Geräusche von sich.
Mein Spezi drehte eine größere Runde.
„Komm Ede, lass gut sein. Das Teil würde ich nicht mal geschenkt nehmen…!“
Versackte anschließend im „Kylischen Tor“ und nachts bekam Oma ihre Knete retour. „Wie du siehst, habe ich mich doch für´s Saufen entschieden – aber ohne Motorrad!“
Richtige „Biker“ gab zu jener Zeit nur ganz wenig in Sangerhausen.
Mäuschen mit seiner 350-er JAVA war einer von ihnen. Was der sich immer für Ärger einhandelte, mal war es das Reißgas, dazu der kürzere, sportliche Lenker – dann wieder ein zusätzlich verchromtes Teilchen. Schließlich besaß jeder Topp einen separaten Vergaser, Ritzel im Motor wurden abgedreht, am Schalldämpfer leicht manipuliert, andere Hupen angebracht, die Sitzbank abgeändert und verziert…
Hinzu kam sein „westlich-dekadentes“ Aussehen, sehr spitzes Schuhwerk, Jeans, Lederjacke, vorn Elvistolle und hinten der obligatorische Erpel, dazu die hübsche Freundin, als entsprechend gestylte Sozia…
Eigentlich gab es im Dorf nur einen abartigen Schupo im Dorf, den fetten Knorbin, diese Kanaille hatte es permanent auf solche Leute abgesehen. Besonders bei seinem „aufopferungsvollen Dienst“ an der berüchtigten „Scharfen Ecke“, wo man gezwungener Maßen immer vorbei musste.
Drei oder vier Sport-AWO-Freaks gab es noch und die 250-er MZ-Gang um IM „Büffel“. Zu Grundschulzeiten war ich mit dieser Flachzange sogar befreundet und ging mit ihm mehrfach auf Diebeszüge, wobei mir immer das Schmiere stehen zukam. Auf diesen Touren fanden wir Radios weg, die er entschärfte (z.B Fabrikationsnummern entfernen) und an „Spätaussiedler“ verklickerte.
Später landete Raimund als Fähnrich bei der Asche. Lebend bekam ich ihn nie wieder zu Gesicht, schon zu Mauerzeiten hatte er sich totgesoffen…
Neben Margot Feist´s Neffe, der immer neuste BMWs ritt, tat dies nur noch Jimi, der ebenfalls auf selbiger Marke stand, für ihn aber mit unendlichen Schwierigkeiten verbunden war. Kurzzeitig gab es noch einen absoluten Exoten – Alex, der besaß mehrere Jahr eine „M72“, allerdings ohne Beiwagen.
Im Melkower Pfarrhaus stand auch etwas Motorisiertes. Sommers ´72 lud Jimi eine „RT 125/3“ bei uns ab, besser gesagt, fast zwei. Aus denen pfriemten wir etwas komplettes. Wo diese rottige Karre herstammte, weiß ich nicht mehr. In Erinnerung blieb mir, dass beide Decken total in den Felgen festgewachsen waren. Nach der Generalüberholung schnurrte dieses Hirschlein wie ein Nähmaschine.
Damals gelangen mir besoffen keine 10 Meter per Drahtesel, holte aber im Umkreis von 20 km in diesem Zustand Leute ab, die nachts in Genthin, Tangermünde oder Jerichow hängen geblieben waren. Manchmal fuhren wir zu viert auf der Karre – mit Gott, meiner Wenigkeit und zwei hinteren Mitfahrern. An den Seiten baumelte häufig noch das fette Gepäck der Leute. Niemals passierte etwas bei diesen wahnwitzigen Touren, die Teilweise über sehr löchrige Landstraßen mit viel Matsch von der Landwirtschaft führten. Dazu öfters Bodennebelwände, in solchen Situationen stand ich teilweise auf den Fußrasten, alles bei 55/60 Sachen.
Außerdem wusste man nie, an welcher Auffahrten der Feldwege unser dummgeiler Distriktsheriff gerade lauerte.
Meine Alkfahrten hörten irgendwann kurzfristig auf.
Es begann nach einer Erdung auf dem Waldweg kurz vorm Dorf, weil wir uns Witze erzählten. Meine beiden Mitfahrer konnten plötzlich nicht mehr an sich halten und sprangen ab. Die Karre geriet deshalb fürchterlich ins Schlingern, kippte um und der Auspuff lag anschließend auf meinem Unterschenkel…
Ein etwas anders gelagerter Unfall trug ebenfalls dazu bei und wirkte in den darauffolgenden Wochen recht heilsam.
Berny war einem Freund gefällig, wollte ihn bei seiner Kirsche abliefern und anschließend sofort retour zum Pop-Schwof. Beide bretterten mit der 250-er quer durch die Pampa, sie kannte eh alle Schlaglöcher und Betonabsätze auf den Betonplatten-KAP-Wegen, sie fungierten nächtens als Promillepfade, in ihrer Nähe ließ sich kein ABV sehen. Wieder auf der Landstraße, kurz vor einer weit ausladenden Linkskurve stand jemand mitten auf der Chaussee und schwenkte halbkreisförmig eine Taschenlampe mit rotem Licht.
Scheiße – der Bulle!
Gas kurz weg, Licht aus, die Karre wenige Meter rollen lassen, urplötzlich Stoff geben und links an dem Schatten vorbeiziehen und weiter mehr Stoff geben, dabei die Kurve optimal schneiden…
Dann knallten sie mit über 100 Sachen gegen ein Hindernis.
Unter der Wanne des Panzers blieb nur ein Knäuel aus Blech und blutigem Matsch übrig…
Eine Kolonne parkte dort unbeleuchtet, halb im Straßengraben…
Das rote Signal kam von einem sowjetischen Regulierer, er wollte lediglich zur Geschwindigkeitsreduzierung auffordern…
…wegen der Umstände übten die Behörden Druck aus und die Beerdigung ging heimlich von statten.

– Irgendwann verzichtete ich im Westen auf den Kauf eines motorisierten Untersatzes, lauschte aber mit roten Ohren den Kumpels, die mit ihren Mopeds bis nach Afghanistan und weiter gedüst waren.
Von den Nächten mit den Einheimischen am Lagerfeuer, dem Shit der ihnen die Schädeldecke hob, von der tiefen Gastfreundschaft auf dem Land und in den Bergen. Alles betraf die frühen 70-er Jahre, es waren halt andere Zeiten, außerdem fuhren die Jungs und Mädels mit Motorrädern und Bullys durch die Pampa…
Heutige Touries ziehen es bekanntlich vor, mit schwer gepanzerten Fahrzeugen in jene Landstriche zureisen…

– Für den letzten Teil der Geschichte muss ich mit einer Fußnote beginnen.
Schwiegermutter legte wöchentlich um die 12 EU für ihre Regenbogenpresse hin, die sie nur wegen der Rätsel erstand!
Manchmal griff ich mir auch so ein Teil – nur wegen der Sudokus!
Mir ging es dann so ähnlich wie ihr, nebenbei wuchs mein „Wissen“ über europäische Blaublütler.
Manch wichtiger Hinweis für die emanzipierte Hausfrau kam mir da auch unter. So der Bericht über einen doch recht merkwürdigen Typen, der auf seine Öko-Möbelpolitur schwor, alles handmade!
Sein Körper schien sich auf die erhöhte Produktion eines bestimmten Drüsensekretes eingestellt zu haben.
Nun denkt der geneigte Leser bestimmt, klar der Mann fraß Unmengen von Eiern! Deshalb liefen seine Keimdrüsen ewig aus, schließlich gibt Ei wieder Ei!
Mag sein, dass der Hausmann anfangs diese Variante erprobte, schließlich aber zur Erkenntnis gelangte, dieses Hormon erfülle seine Erwartungen nicht.
Um es kurz zumachen, der Kerl schwor auf eigenes Ohrenschmalz, was er ständig mehrere Monate sammelte und irgendwann ging es dann los…

– Vor rund 2500 ließ ein sehr kluger Grieche mal etwas ab. Was ich als Ausländer deutscher Herkunft gleich in lesbarer Form darbringe, ob es allerdings verstanden wird, steht auf einem anderen Blatt: „Alles bewegt sich fort und nichts bleibt!“ (Panta rhei – sicher mal gehört.)
Heute würde Heraklit seine Mitmenschen deshalb auch nicht mehr verstehen…
In dieser schnelllebigen Zeit ging es mir am 22. Juni ähnlich, da sich für meine Begriffe das Selbstverständnis mancher Biker ebenso rasant geändert hat.

– Ohne groß Obacht zugeben, stellte ich meinen Drahtesel zwischen zwei Kräder. Wollte nur kurz um die Ecke in den Blumenladen und anschließend noch einen Kaffee trinken.
Am Eingang fingen mich zwei Typen ab. Ruckartig quatschten beide synchron los: „Wenn Sie nicht sofort Ihr Fahrrad von meinem Motorrad entfernen…“
„Rufe ich die Polizei!“
„Hääääääääh?!?“
„Ich sage es nicht noch mal…!“
„Haben sie verstanden?“
„Ihr tickt wohl nicht richtig? Tut mir aber den Gefallen und ruft endlich an!“
Nach dem nächsten Schritt, kurz vor der Stufe zum Laden, sprang der eine vor mich, „Sie kommen mit und tun was wir ihnen sagen!“
Zwei Gedanken huschten durch meine Birne.
Jetzt irgendetwas zu fassen kriegen, womit du mächtige Dellen klopfen kannst – ab er nichts zu sehen. Trotzdem krallte mich eine unbändige Lust auszuflippen, auch wenn ich den kürzeren gezogen hätte.
Schier in diesem Augenblick kam mir aber, die Jungs sind so abgedreht, die verkehren bestimmt in der nachbarschaftlichen Kneipe. Nachts trifft man dort auf sehr illustres Publikum, einem Bekannten gegenüber ließ ich dies mal ab.
„Da hast du wohl recht. Kriminale, Kriminelle, SEK-ler verkehren dort und manchmal Besoffene die nicht wissen, wo sie da reingelatscht sind. Der IQ von einigen Gästen geht oft nicht über den Wert von hochsommerlichen Temperaturen hinaus…“
Richtig, bei näherer Betrachtung konnten diese kranken Leutchen zu einem Turnschuhkommando gehören. War ihnen deshalb gefällig und trat den geforderten Rückzug an.
Am Tatort sah ich die „Bescherung“.
Sicher hatte eine Windböe mein Vorderrad etwas gedreht und das Körbchen am Lenker touchierte den Auspuff.
Total baff, wanderten Blicke zu den „Bikern“ an meiner Seite, nebenbei wurde die Kamera aus der Tasche geholt.
Beide beobachten grinsend das Geschehen. Gott nochmal, was waren das denn für Gestalten? Ihre halbseiden Kluft schien von Eduscho zu stammen, dem Jüngeren gehörte ein Reiskocher, der Ältere fuhr so ein etwas dickes Contergan-Velo mit Zwillingsbereifung vorne. Jenes Gefährt erinnerte eigentlich mehr ein Rollator mit Hilfsmotor…
Und die machen so einen Larry!
Erst das Beweisphoto, dann meinen Renner fünf Zentimeter weggezogen.
Nach erfolgter Danksagung ihrerseits, zeterten sie bestimmt noch mehrere Minuten über meine unverschämte Missachtung fremden Eigentums…
Als endlich Ruhe einkehrte, kam mir der Gedanke, mal sehen was geschieht, wenn du dir jetzt dort auch noch Feuer holst, ohne irgendeine Reaktion drückte mir der Alte sein Feuerzeug in die Hand…

– Am nächsten Abend gab ich mein Erleben in trauter Runde zum Besten und vergaß nicht den Saubermann mit seinem Ohrenschmalz zu erwähnen. Daraufhin meinte doch meine Gegenüberin: „Der gestrige Bekloppte ist bestimmt schlimmer drauf! Holt sich sporadisch einen runter, wichst auf seinen Auspuff und poliert anschließend alles mit Q-Tips…“

– Hier noch Photos jener kleinen Geschossen, von denen man behaupten kann sie seien Motorräder.

– Passend zum Thema ein entsprechender Joke, stand vor Jahren in einem Katalog für Motorradzubehör.

Ein Biker kauft sich eine vor Chrom glänzende Harley.
Der Verkäufer gibt ihm noch einen Tipp: „Bevor es anfängt zu regnen, sollten sie alle Chromteile mit Vaseline einreiben. So bleibt alles immer glänzend und Rost hat keine Chance! Dieses Döschen Vaseline gebe ich ihnen gratis dazu!“
Toll, denkt sich der Biker.
Mit seiner jungfräulichen Maschine fährt er gleich bei der neuen Freundin vor, die ihn zum Essen eingeladen hat. Alles läuft prima, die Eltern haben einen guten Eindruck vom neuen Freund ihrer der Tochter.
Kurz vor dem Dessert sagt das Mädel zu ihrem Schmusie: „Wir haben da einen witzigen Familienbrauch, um jemanden für den Abwasch zu bestimmen. Wer nach dem Essen das erste Wort sagt, muss den ganzen Abwasch machen!“ Na gut, denkt sich der Biker, spiele ich eben mit. Als alle fertig gegessen haben, breitet sich eisiges Schweigen aus. 5 Minuten, 10 Minuten vergehen, der Biker wird langsam ungeduldig. Um das Ganze zu beschleunigen und eine Reaktion von den Eltern zu provozieren, schnappt er sich die Tochter und beginnt wild mit ihr zu knutschen.
Keiner sagt etwas!
Er schnappt sich die Tochter, legt sie auf den Esstisch und nimmt sie richtig durch.
Keiner sagt etwas!
Also schnappt er sich die Mutter und besorgt es ihr auch.
Noch immer sagt keiner etwas!
Ziemlich frustriert blickt der Biker aus dem Fenster und merkt, dass es gerade zu regnen beginnt.
Sofort denkt er an seine neue Harley und den Trick mit dem Chrom. Er greift in seine Lederjacke und zieht die Vaseline heraus.
Da springt der Vater auf und ruft: „Okay, okay! Ich mache den Abwasch!“

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