Fats Domino geht nicht mehr einkaufen

Nun haben sich fast alle 1920er bereits über den Acker gemacht, nun fängt es an und rafft die 1930er weg. Alles Zeitgenossen, die mich seit meiner vormalig Detektor hörenden, dann während der aktiven Radiobastelzeit begleiteten, in der ich damals ein großer Fan der westlich dekadente Musik wurde, was mir sehr viel Ärger einbrachte. Egal, was die roten Deppen auch anstellten, jene Ätherwellen, was sie Ausgeburten der psychologischen Kriegsführung nannten, fanden bei mir immer sperrangelweite Ohren. Von dem Feeling, welches Western&Country-Klänge, schwarze Musik, besonders Blues, der Rock´n ´Roll und später die härteren Gitarrenklänge konnte ich nie lassen. Fats war für mich immer einer der Größten, besser gesagt, einer der vielen ganz großen Pianisten und Sänger. Allerdings empfand ich ihn auch immer als Ausnahme mit seinen vielen gängigen Gassenhauer. Mehrfach kreuzten sich unsere Wege in den unterschiedlichsten Konzerthütten Westberlins.
Beim ersten mal, gleich nach meiner Übersiedlung konnten wir ihn sauwütend erleben, anlässlich eines Konzertes, 1975/76, in der Philharmonie. Da war mir anschließend danach, irgendwo in diesem Musentempel hinzuscheißen, so als Protest.
Hatte in den anfänglich Tagen nicht registriert, dass der Meister im Dorf herumhing, das Konzert war natürlich ausverkauft. Machte mich an besagtem Abend trotzdem los. Massenhaft standen Leute mit Schildern vor den Eingängen, die alle auf eine Karte hofften. Drehte schon bei, als ich registriert, niemand schlich direkt an den Bushaltestellen herum. Mit meiner brüllenden Nachfrage in Richtung jeden Pulk´s der sich aus dem Bus quetschte, war mir schließlich das Glück doch hold.
Eine junge Frau plapperte nebenher, dass ihr Freund sie im Stich gelassen hätte…
Wenn mich nicht alles täuscht, wollte die junge Frau den Vorverkaufspreis, der sich auf 24 M-chen belief, glücklich bekam sie 30.
An jenem Abend gab es keine Vorgruppe, so enterte gleich die Band ihren Platz. Während der Ankündigung vom big Chief hub grellendes Pfeifen und Johlen an. Fats hämmert sofort los, aber es kam kein Ton über das Gesangsmikro.
Wie frisch gefickte Eichhörnchen wuselten sofort mehre Knechte herum, der Pianist rückte etwas beiseite, spielte währenddessen einhändig weiter.
Nach mehreren Minuten gab es für ihn das OK, kurz darauf das gleiche Problem. Nun stand er aber auf, ging zum hinteren Bühnenrand und redete gestikulierend auf einen höheren Knecht ein.
Wieder Retour auf seinem Platz, nur wenige korrekte Klänge kamen vom Piano, dann vermischte sich alles leichten Knackgeräuschen. Mit seinem freundlichen Gesicht war nun alles vorbei, diesmal wurde die Bühne verlassen. Unmut machte sich nun im Saal breit, allerdings konnte die Band einiges abfangen. Wieder ein Test – alles im grünen Bereich, jemand aus dem Haus tätigte eine kurze Entschuldigung, das Aufatmen nebst breiten Grinsen vom Star sprang auf Publikum über.
Keine zehn Minuten waren vergangen, da versagten die elektronischen Töne vom Piano und Gesang wieder. Fats stand auf, verbeugte sich ganz kurz, winkte sehr abgenervt in Richtung der Zuschauern und verschwand.
Was natürlich mächtige Irritationen hervorrief.
Die Band schaffte sich wie auf der Titanic, als der endgültige Abgang vom großen Meister angekündigt wurde und wir das Geld in den Entsprechenden Vorverkaufsstellen zurückholen konnten…
Voll in Rage ging es zur Garderobe.
Als oller Ostblueser steckte in der Tasche vom Shelly, Gott sei Dank, ein Flachmann.
Trank ihn draußen in einem Zug aus und rauchte noch eine Zigarette. Plötzlich stand meine Kartenverkäuferin neben mir, an ein Wegkommen war in der nächsten Zeit nicht zudenken, deshalb wurde geschwatzt. Irgendwann gewahrte ich, dass sie gar nicht so schlecht aussah. Diese Erkenntnis hatte bestimmt auch etwas mit den wenigen Wochen in Freiheit zu tun und den zwangsläufigen Erfahrungen in alle Richtungen.
Irgendwann begann die Dame doch zu nerven, scheinbar hatte sie Probleme und wollte mit einem Fremdfick ihrem, noch nicht ganz Ex, eine auswischen. Allerdings sollte man in solch einer Situation nicht ohne Punkt und Komma daherreden. Nicht auszudenken, die benutzt dann in der Horizontalen ihr flottes Mundwerk auch nur dazu, um sich verbal einen runter zu holen.
Sie hatte gewiss auch die den Sinn eines One Night Stand´s noch nicht kapiert.
In mir klingelte es, fehlte noch, dann tritt vielleicht selten dummer Fall ein, dass sie sogar etwas Lustgewinn dabei empfindet, dann hätte ich sie vielleicht in der nächsten Zeit an der Backe kleben…
Auf den anderen Seite fand ich meine Vermutung doch nicht so abwegig, wegen dieser Geschichte mit der zusätzlichen Karte, wo jemand verhindert war! Durch etwaige Menschenkenntnis hast du an solch einem Abend mehrere Stunden Zeit dein Opfer auszuleuchten. Mit etwas Glück lässt sich diese Frist bereits als Vorspiel verbuchen…
Zog es dann doch vor und spazierte solo in die Bleibtreustraße.
Einige Jahre später verpasste ich mit einem Kumpel Fats, obwohl nichts weiter anlag an jenem Abend. Champion Jack Dupree gab sich die Ehre, wir fanden ihn aber leicht neben der Rolle, merkwürdigerweise bat er zwischen seinem letzten Set um eine kurze Unterbrechung. Die wir draußen sofort für ein weiteres Hörnchen benutzten. Dort sahen wir den Schefff in einem Taxi verschwinden, die Potse hoch in Richtung Kanal.
Keine konnte uns die Auskunft erteilen, was dies sollte. Nach fast einer Stunde ging es folglich woandershin.
Wenige Tage später erfuhr ich, weshalb Champion so lange weggeblieb. Er war in der Philharmonie mit Fats Domino verabredet, den er anschließend ins Quartier anschleppen wollte. Dort gab es aber wegen mehrerer Zugaben eine nicht eingeplante Verzögerung.
Deshalb standen die ganze Zeit zwei Flügel auf der Bühne!
Das schönste Konzert erlebte unser R´n B-Rudel lange vor dem Mauerfall in der Waldbühne. Vielleicht 5000 Leute dort, absolut geiles Wetter, fast nur Hardcorefans, darunter ein Haufen farbige GI´s und eine Superstimmung, wie ich sie selten da empfand.
Sehr dicht gedrängt, hüpften, tanzten, schwankten auf der Rasenfläche vor der Bühne teilweise mit total verklärten Blicken, singend die Meute herum. Plötzlich stieg die Bläsergruppe von der Bühne und mäanderte fast eine halbe Stunde hin und her durch die ausgelassenen Massen. Währenddessen oben auf der Bühne, Mister Domino die Tasten des Flügels wie ein Berserker bearbeitete und schubste dabei mit seiner riesigen Wampe den Flügel, von der einen Seite auf die andere vor sich her – elephantös!
Und vor dieser ausgelassenen Dekadenz haben uns die senilen und impotenten Kommunisten immer bewahren wollen, warum eigentlich?

Tschüss Meister!!!

Hier einige 1930er Kollegen, die mir gerade einfielen, welche noch auf der Pendenzenliste von Bruder Hein stehen: Richard Wayne Penniman, Jerry Lee Lewis, Willie Nelson, Tina Turner, Ginger Baker
Hatte mir für die Schreiberei eine Sendung herausgesucht, die vor zehn Jahren aufgezeichnet wurde: Manao_Radio_Wed_Sept_26_Fats_Domino

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