Nachträglicher Anhang zum gestrigen Schrieb

Es kam ja noch schlimmer, als ich mich zu Beginn der 5. Klasse weigerte, weiterhin im Buchklub der Pioniere zubleiben. Dieses ideologisch total verbogene Miststück, schloss daraufhin tagsüber unser Wohnzimmer ab, damit ich nicht mehr an ihre Bibliothek der Weltliteratur (Eine geniale Zonen­serie von auserwählter internationaler Literatur!) heran kam. Sah es nämlich nicht ein, mich weiter an dem verordneten roten Scheiß zu ergötzen und dabei mit aufkommender Langeweile zu kämpfen. Wie unermesslich dumm war diese Frau überhaupt? Dabei war ihr bekannt, dass ich mich mit 9 Jahren, ausgerechnet durch Tolstois „Auferstehung“ gequält hatte und dies geschah mehrere Wochen! Allerdings konnte ich anschließend auch vollkommen flüssig Frakturschrift lesen…
Da ich Zeit meines Lebens immer im Liegen las, wartete diese rote Zecke immer wieder mit einer weiteren Dusseligkeit auf. Sollte nämlich anständig lesen, mich dazu auf einen Stuhl setzen und es am Tisch tun! Hinzu kam eine Marotte von mir, die sie, auch ihre idiotischen Genossen nie verstan­den, nebenher hörte ich immer über Kopfhörer zusätzlich leise Musik.

Andauernd schlichen sich irgendwelche Idioten an und rissen mir die Kopfhörer herunter, um an­schließend zu überprüfen, welche Radiostationen gerade liefen.
Deshalb kamen es von meiner Seite permanent zu Gegenmaßnahmen, mit kleinen technisch voll­kommen ausgebufften Maßnahmen. Die mich mehrere Jahre später, dann im Heim, auch vor so manchem Unbill bewahrten.
Will hier nur kurz erwähnen wie billig es in meinem Kinderzimmer ablief. Wollten die Großeltern etwas von mir, war ihr Gang in Richtung meines Gemaches laufend mit einer unüberhörbaren Geräuschkulisse verbunden. Oma sang dann laut, Opa kontrollierte die Balkontür oder die zum Boden und knallte beide dann laut­stark zu…
Ihre Tochter plärrte manchmal unten an der Treppe wie ein dienstgeiler Feldwebel vom Barras. In der Regel schlich sie aber nach oben. Entweder versuchte sie dann die Zimmertür ganz vorsichtig zu öffnen oder riss sie heftig auf und sprang gleichzeitig in den Raum. Im letzteren Fall wurde sie von mir erschrocken ange­glotzt, kam sie ganz leise angeschissen, ließ ich sie sogar gewähren, bis zum Herunterreißen der Hörgeräte – aber immer wieder Anschiss! Sporadisch durfte ich den Kontakt zum Sohn ihrer Schulfreundin pflegen, beide hatten wir begonnen uns in die Rundfunktechnik einzufuchsen und Datsch las sehr gerne alte Krimis, konnte aber auch zuhause ohne Probleme Westfernsehen schauen.
Mein Spezi kam irgendwann auf die Idee, das Kastenschloss an der Zimmertür entsprechend zu ma­nipulieren, es als Schalter einzusetzen. Stundenlang wurde beratschlagt, wie es insgeheim von stat­ten gehen könnte. Dazu wurden zwei sehr dünne Drähte hinter Türrahmen und Scheuerleisten, zum klei­nen Arbeitsplatz an der Kopfseite meines Bettes geführt. Die hebende Falle des Schlosses, funktio­nierte vollkommen unerkannt als Schalter für ein Schwachstromrelais, welches dann den Starkstrom­kreis unterbrach…
Kurz darauf kam er mit einer absolut gigantischen Idee, in deren Folge unser Telefon angezapft wurde…
Weiß gar nicht mehr, wo die Eingebung herkam, dass ich aus Patentklammern zwei sowjetische Morsetasten bastelte. Lernten beide das entsprechende Alphabet, hockten in der beginnenden Dun­kelheit an den Bodenfenstern und unterhielten uns dann über die paar hundert Meter.
Kniete mich etwas mehr in die Rundfunktechnik rein, wollte nämlich irgendwann Funkamateur werden. Als ich schließlich volljährig war und endlich die Prüfung hätte ablegen können, ging wegen mei­nes polizeilichen Führungszeugnisse nichts mehr!
Datsch verlor ich irgendwann fast vollständig aus den Augen.
Erst im Dezember ´89 erfuhr ich weiteres über ihn.
Da hatte er aber schon 15 Jahre vorher, nach der Vermählung mit der Tochter eines Seiles, freiwillig sein Leben zurückgegeben…

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