Archiv für den Tag: 15. Dezember 2010

Als 25 Trabis falsch abbogen

Wenn alle klauen, fehlt keinem etwas!
An jene Direktive hielt sich fast jeder, ob Freund oder Feind in dieser „klassenlosen“ Gesellschaft der Zone und alles ohne ideologischer Manipulation . In alle sozialen Schichten wurden irgendwie brauchbare Objekte weggefunden, auch wenn man sie im Moment gar nicht brauchte. Sicher war sicher, wer wusste schon, wie es morgen aussah. Jemand der glücklicherweise Devisen besaß, brauchte sich auf das Risiko der „Eigentumsverlagerung“ nicht einlassen, über dem baumelte aber ein anders geartetes Damoklesschwert, über mir hingen immer mehrere.
Das ganze Leben ist irgendwo recht risikoreich, aber durch meine Jäger und Sammlermentalität tangierte mich der permanente Mangel nur sehr selten, besonders der von Kleinigkeiten, die das Leben so angenehm machten.
Wer nicht über Vitamin „B“ verfügte, konnte einem schon fast leid tun. Was nützten da die Verinnerlichung gewisser kleinbürgerlicher Werte, vielleicht noch gepaart mit „Einsicht in die Notwendigkeit“? Jemand, der an so etwas glaubte, war entweder krank oder ein ideologisch verbogener Dummfick. Bei der Mutter meiner Schwester ließen sich beide Symptome nachweisen.
Manche Produkte benötigte man einfach nur zum Schmieren, z.B. bei Garantiereparaturen. Da öffneten Fahrradventile, ein paar Kilo Zwiebeln, Schrauben und Nägeln aller Art ganze Stadttore.
Allerdings stand ich am Ende meiner Ostzeit auch öfter mit beiden Beinen im Zuchthaus…
Mir war allerdings immer das Glück hold, außerdem arbeitete ich in solchen Augenblicken immer mit den richtigen Kollegen.
Kai Posmik ist ja vom Zonenalltag nur gestreift worden. Natürlich kannte das Strafgesetzbuch der DDR den Tatbestand des “Diebstahls sozialistischen Eigentums”. Rote Paragraphenkomiker nannte es aber „Diebstahl zum Nachteil sozialistischen Eigentums“. Mindestens einen Totensonntag gab es als Bonus, beim Nachweis von „verbrecherischen“ Diebstahl z. N. s. E.
Als Beispiel – der Exportauftrag für den großen Bruder wurde nicht rechtzeitig fertig. Weil ein Kollege 1,5 mm dickes Kupferblech wegfand, dass eigentlich zum Stanzen von Dichtungsringen vorgesehen ward, er aber dringend Nachschub brauchte. Denn „Privat ging vor Katastrophe“, weil jener „Kunsthandwerker“ in seiner Freizeit Aschenbecher, oder Ständer für potthässliche Nachttischlampen trieb, die später bei der Westverwandtschaft landeten, vor Gericht auf einen milde gestimmten Richter traf und dadurch an Sabotage vorbei schlitterte.
Der Trabbidealer hatte Recht, wenn er meinte: „Ich kann ehrlich sagen, dass ich nie den Mut gefunden hätte irgendeinen Kaufhallendiebstahl auszuführen. Davor hätte ich zu viel Angst gehabt.” Weiterlesen