Archiv für den Tag: 25. Dezember 2016

Ein Drittel des berühmten Alexandrow-Ensembles geht nicht mehr einkaufen

Ein Drittel des berühmten Alexandrow-Ensembles geht nicht mehr einkaufen
Als schon etwas älteres Kind habe ich die Truppe zweimal gesehen, natürlich anlässlich irgendwelcher roten Happenings, in Berlin und Halle(?).
Etwas später kam mir in meiner kalten Heimat der folgenden Spruch zu Ohren, als am 1. Mai irgendein anderer Soldatenchor auftrat: „Ja, ja, das russische Seelchen, sie haben zwar keine Kultur, aber singen und saufen können sie wirklich!“
Unter den deutschen Hits war grundsätzlich Im schönsten Wiesengrunde dabei. Während jener Darbietung flossen dann auch bei ehemaligen Nazis die Tränen, hatte sicher auch etwas damit zu tun, da der Hit als heimliche Vertriebenen-Hymne durchging…
Irgendwann spielte eine Scheibe des Alexandrow-Chores auch in Melkow eine kleine sonntäglich Rolle, nicht immer zum Wohlgefallen der Betroffenen. Dies hing mit einer Eigenheiten des großen Hauses zusammen. Bei uns gab es fließendes Wasser nur aus einer kleinen Schwengelpumpe in der arg deformierten Küche, dort war ein Deckenbalken durchgebrochen. Als Lokus musste ein Wanderscheißhaus herhalten. Ewig wurden Gruben gebuddelt, mit dem neuerlichen Aushub wurde die alte dann immer wieder gedeckelt. Am späten Vormittag war natürlich auch keine Papier mehr vorhanden, das musste dann erst aus Zeitungen entsprechend portioniert werden. Wegen selbiger Handycapes pennten viele Leute bis kurz vor 10 Uhr, erledigten ihre Katzenwäsche und ihren Morgenschiss dann in der Kneipe, nahmen dazu ihre gesamte Rödelei mit und begaben sich nach dem obligatorischen Frühschoppen in Richtung Heimat. Und wir blieben im Chaos hängen, besser gesagt, zurückbleibende Mädels räumten dann immer auf. Deshalb wurden mit einem Ritual die Massen kurz nach neun aus ihren Povtüten geschmissen. Da vom riesigen Partykeller bis hinauf zum mistigen Dachboden alles oft einem Hunnencamp glich, entstand irres Tohuwabohu. Allerdings ward dann bis zur Kneipenöffnung einigermaßen Klarschiff angesagt.
Jemand brüllte vor irgendwoher lautstark: Iwan! Wiederholte den Ruf noch mehrfach, bis einer mit Ja antwortete. Da einige das Spielchen kannten, entwickelten sich dabei oft beknackte Wortwechsel aus verschiedenen Ecken.
Iwan, komm endlich, der Hirsebrei ist fertig und bringe deinen Holzlöffel mit!
Hab keine Lust!
Iwan!
Mann, brülle doch nicht so herum, du weckst doch Väterchen Stalin auf! Damit war aber nicht der verblichene Sowjetdiktator gemeint, sonder eher unser rabenschwarzer Kater gleichen Namens, der an solchen morgendlichen Sonntagen vollkommen wuschig umherirrte, bis sich endlich jemand erbarmte und ihn in den Garten entfleuchen ließ.
Genosse, ich komme, aber nur, wenn du etwas entzückendes vom Alexandrow Chor auflegst, in der Regel waberte dann die Катюша oder Калинка durchs Haus. Welche oft von irgendwelchen erwachten Suffköppen mitgeplärrt wurden, weil sie jene две песни noch aus der Schule kannten…
Retour zum späteren Red Army Choir. 1993 bekam ich zum Geburtstag eine Kassette mit einem schrecklichen bootleg vom Konzert in Helsinki geschenkt, am Mixer illegal mitgeschnitten, wo sie gemeinsam mit den Leningrad Cowboys auftraten – die Total Balalaika Show.
Wiedermal stellte sich dabei heraus, dass junge Leute etwas für die Annäherung unter den Völkern taten, nicht senile und impotente PolitikerWeiterlesen