Archiv der Kategorie: sangerhauseN

De mortuis nihil nisi bene – Neudeutsch: Say nothing but good of the dead.

Samstag widerfuhr mir etwas sehr merkwürdiges.
Sabine tat kund, dass bei einem Freund von ihr und einem alten Bekannter von mir, nach längerem Leiden, recht qualvoll das Lebenslicht erloschen ward.
Keine 20 Minuten später erhielt ich einen gleichlautenden Anruf aus der kalten Heimat – dass im fernen Wessiland ein Sandkastengefährte nun auch nicht mehr einkaufen geht.

Oft war ich der Meinung, dass sich Ali unter seinem Wert verkaufte. Auf der anderen Seite, wenn er auch zu einem gesellschaftlichen Verweigerer mutiert wäre, wie ich seit meiner Kindheit, hätte er auf seine Art niemals dieses farbige Leben führen können, wie er es zeitweise tat. Deshalb warnte ihn Mutti auch immer vor mir: Mit diesem Ladjer will ich dich nie sehen!
Oft war es die ewige Angst fremder Leute vor mir, da viele annahmen, dass ich vielleicht bei der Mutter meiner Schwester über sie plaudern würde. So etwas fiel mir noch nicht mal im Traum ein. Was meine privaten Auseinandersetzungen mit der Umwelt angingen, galt ich bei ihr als äußerst verstockt. Dies begann schon in der Grundschule (Ende 4. Klasse.), nachdem ich eine widerliche Praktikantin auf dem Schulhof zusammenfaltete. Meine Erzeugerin trat daraufhin sofort vom Amt der Vorsitzenden des Elternbeirates zurück. Kurz darauf dehnte ich diese Eigenart des kompromisslosen Negierens gewisser Lebensformen und dem oft erfolglosen dagegen ankämpfen, fast masochistisch aus. Was anfangs nur dieses stalinistische Pack in ihrer unmittelbaren Umgebung betraf…
– Es gab Zeiten, da lebte Ali sehr unbeschwert, zwar angepasst, doch nicht ganz unauffällig in den Tag hinein, die Jahre mit Paula empfand ich so.
Der Junge war auch einer der ganz wenigen in meinem Bekanntenkreis, der einen ausgeprägten Sinn für die Kleinigkeiten im Leben aufbrachte, aber sich nicht traute, es zu zeigen.
Manchmal gab er sich zum Kotzen korrekt, z. B. wenn wir in der kurzen Mittagspause zu ihm nach Hause hasteten, weil wieder neue Scheiben angekommen waren, er anschließend außen um die Fabrik herum rannte, während ich oft die Abkürzung durch ein Fenster in der Kesselschmiede nahm.
In den letzten Jahren hatte ich mich niemals bei ihm erkundigt, ob er diese ausufernden Brieffreundschaften von früher noch pflegte.
Da fällt mir ein, was er für einen Tanz aufführte, als wir mal ankamen und Mutti ihm einen größeren Brief aus Spanien überreichte. Ehrfurchtsvoll wurde er geöffnet – dann ertönte ein infernalischer Schrei: „Alter! Poco a poco! – Alter! Poco a poco!…“
Was hatte dies zu bedeuten?
Poco a poco, Los Rolling Stones!“
Das kleine schwarze Ding auf den Plattenteller, der Griff zur Gitarre und voller Inbrunst mitgegröhlt, vier oder fünf mal, bis Mutti daran erinnerte, dass der Plan noch nicht erfüllt war!
Irgendwann schien C2H5OH eine größere Rolle in seinem Leben zu spielen, wie bei den meisten in seinem alten Umfeld, mich eingeschlossen…

Wenn mich meine selektiven Wahrnehmung nicht täuscht, könnte ich einen Haufen Stories niederschreiben, in denen er ebenfalls auftaucht. Es gibt sehr wenige aus der kalten Heimat, bei denen mir nur angenehme Erinnerungen einfallen, allerdings auch sehr haarige darunter.
Obwohl ich Ali immer für Janusköpfig hielt, gehörte er für mich in die Runde der angenehmeren Zeitgenossen… Weiterlesen

The Pogues – 3. VIII. MMX – Spandauer Zitadelle

Jeder hat ja so seine Lieblingshits mit denen er irgendwelche ideellen Werte verbindet.
Abgesehen von den Stones und Bob Dylan, kann ich mich gar nicht richtig festlegen. Hinzu kommen massenhaft geile Songs, die von Schwarzen in 12-taktigen Blues verpackt wurden!
Unter meinen ersten Tophits befinden sich u. a. natürlich: Otis Redding“Sittin´ On The Dock Of The Bay”, Temptations“Papa Was A Rollin´ Stone”(The Temptations vernahm ich Anfang der 1960er in einer Wolfman-Jack-Show, spätnachts auf AFN. Hörte mich daraufhin etwas um, aber niemand hatte vorher jenen Bandnamen vernommen, auch deren Art von Mucke war bisher völlig unbekannt. Zumal schwarze Musik auf keinem deutschen Sender gespielt wurde. Abgesehen von Little Richard, der manchmal sogar in den morgendlichen Reklamesendungen auf hessischen und norddeutschen UKW-Stationen lief…)
Nebenbei existierten ganz besondere Titel, bei denen man keinen Wert auf die Texte legte, weil sie so banal daherkamen. „Lady in Black“ gehörte dazu, damals aber ein absoluter Dosenöffner bei Feten.
Ein Lied faszinierte mich seit meiner Kindheit ganz besonders, da kam nur ein Feeling rüber, obwohl ich kein Wort verstand.
Anfang der 60er existierte in Sangerhausen ein Schallplattenklub, den die Roten verboten als die vier Weißbrote aus Liverpool das damalige Musikverständnis umkrempelten. Plötzlich erinnerte man sich, dass jener Leiter der Plattengruppe überhaupt keine Befähigung besaß, um mit Jugendliche zu arbeiten und jemand kam drauf, dass er als ehemaliger Fremdenlegionär aus dem Westen stammte. Damit war Sense, haben wir diese dummroten Arschgeigen verflucht. Weiterlesen

Fortsetzungsgeschreibsel vom 23. Juli

Eigentlich sollte nur eine kurze Fußnote entstehen.
Hatte an jenem Tage schon vergessen auf die ideologische Gülle von Gesine Lötzsch einzugehen, vom 14. 7. im TAGESSPITZEL.
– Ihre ewige Sülzerei dort, wäre eigentlich ein Grund, endlich auch aus dem Wochenend-Abo dieses Blättchens auszusteigen.
Weiter ging es mit Bodo Ramelow, heute nun war der Genosse 1. Sekretär Klaus Ernst dran. Was interessiert mich, dass dieser Knabe zu seiner Selbstdarstellung einen Porsche benötigt und als rote Euro-Gierkröte sein karges Leben fristet.
Jede Notiz über diesen Verein kommt einer Aufwertung gleich, die nicht nur ich zum Kotzen finde.
Ein Haufen Leuten erzählen mir immer, bei dieser Gruppierung handelt es sich um eine demokratische Partei, das mag ja auf dem Papier auch hinhauen, in der gleichen Schublade liegen bei mir aber auch DVU und NPD. Weiterlesen

Bitte lassen sie die Fenster öffnen, damit die Gerechtigkeit hereinflattern kann!“

Um den Bogen zu schlagen betreffs eines ähnlichen Spruches, wie ihn Fritz Teufel 1967 abließ, muss ich zurück ins Jahr 1965.
– Anschließend folgen noch einige Fußnoten.
Irgendwann im Frühjahr stand „die Meue“ urplötzlich Spätvormittags am „Stammtisch“ in der „Klemme“. (Puffi hätte in besagter Situation sicher abgelassen: „Klaus hockt wiedermal in trauter Runde mit 100 Jahren Zuchthaus.“)
Mir fällt absolut nicht mehr ein, wieso ich in dieser Kneipe hing, statt in der Schule zu sein. Anlässlich meines damaligen Lebenswandels erlaubte ich mir nämlich keine zusätzlich Freizeiten.
„Leute! Dackel ist wieder aufgetaucht. Wir könnten ihn besuchen, allerdings nur kurzfristig im Kreisgericht! Sie wollen ihm eine drüber braten wegen „Beischlafdiebstahls“. Die Verhandlung ist öffentlich!“
Betretenes gegenseitiges Anglotzen. Wieso dieses Delikt? Keiner konnte es sich vorstellen, ich wusste noch nicht mal, um was es da überhaupt ging.
„Wenn wir da jetzt auftauchen, lassen die uns sowieso nicht rein!“
„Die Meue“ zu mir gewandt, „du machst dich vom Acker!“
Das könnte denen so passen.
„Lasst ihn ruhig mitkommen! Kann ihm sehr hilfreich sein für das weiteres Leben, wenn er die sozialistische Rechtspflege beizeiten studieren darf!“
Nach einer peniblen Ausweiskontrolle gelangte alle in den kleinen Saal.
Der Angeklagte griente uns an wie ein Honigkuchenpferd, als er die Horde im Zuschauerraum gewahrte. Wegen aufkeimender Begrüßungszeremonien wurden beide Seite sofort verwarnt. Nebenbei irritierte unsere Anwesenheit das „Hohe Gericht“ etwas.
Dann nahm alles seinen sozialistischen Lauf. Weiterlesen

Wenn schon – denn schon! Heimkinder gab es auch im Osten

Spezialheime

In den letzten Tagen ist es endlich auch im Westen angekommen, dass es etliche Kommunisten gab, die einem ähnlichen Hobby frönten wie Katholen, was Misshandlungen und sexuelle Ausschweifungen mit Kindern und Jugendlichen angingen.
Dabei wären diese Hobbys aus der Zone ewig im Dunkeln geblieben, wenn nicht irgendwelche Medienheinis wegen der Quoten auch mal einen Blick nach Osten geworfen hätten. Dabei berichtete schon „Elf 99“ über Zustände in Werkhöfen und Spezialheimen, allerdings recht oberflächlich. Jahre später liefen Dok-Filme zum gleichen Thema, allerdings wurde dem Blickwinkel der anderen Seite mehr Raum eingeräumt.
Anschließend unterhielt ich mich mit Betroffenen, denen ging es wie mir, wir hatten für dieses Pack nur Verachtung übrig.
Dies wird sich bestimmt ändern, wenn Knete in Aussicht gestellt wird – wegen sog. Abfindungen. Wenn wieder mal die Stare ihr schlechtes Gewissen kompensieren dürfen.
Schließlich war es der Westen, der Ostzonien – Moskaus Appendix – viele Jahre fett am Leben hielt.
Was ich sehr lustig finde, seit solche Institutionen existieren, ist doch bekannt was da abläuft.

Ist doch der ganz normale Wahnsinn, wenn Leute irgendwo zusammengepfercht werden und alle Strukturen des anormalen Zusammenlebens nur mit Hilfe von Gewalt funktionieren, in Heimen, Lager, Knast, Armeen usw., auch in Schulen… Weiterlesen

Eigentumsverlagerung zum Nachteil sozialistischen Eigentums

Vor fast dreißig Jahren, als diese Begebenheiten notiert wurden, nahm mir im Westen niemand diese Geschichten ab. Besonders schnurrig verhielten sich nach solchen Schilderungen ganz bestimmte Linxwixer, die mich teilweise sogar in die Schubladen der entgegengesetzten Seite versenkten. Was mich allerdings nicht sonderlich tangierte und noch mehr Verwirrung stiftete.
Solche merkwürdigen Leute verstanden auch nie, wenn ich ihnen versuchte klar zumachen, dass mir Konsummangel in der Zone nie so richtig auffiel, weil ich darunter nicht leiden musste.
Viele Kleinigkeiten, die das Leben angenehm machten und nicht nur für mich als wichtig galten, die besorgten wir uns im Freundeskreis durch ewige Kompensationsgeschäfte. Obwohl man dabei kuriose, zum Teil abartige Situationen erleben durfte, befand man sich doch häufiger mit einem Bein im Knast.
Ausgebuffte, rote Paragraphenkomiker kreierten für das Strafgesetzbuch der Zone einen ungemein witzigen Staftatbestand, der betraf eine besondere Art und Weise der Eigentumsverlagerung – den Diebstahl zum Nachteil sozialistischen Eigentums
Fußnote:
In den frühen 70ern konnte ich mir meinen Rausch beim Wochenend-Pop in Thüringen oder Sachsen mit Fahrradventilen aus dem MIFA-Werk finanzieren…

Meine Großmutter wäre heute 110 Jahre geworden, das interessiert keine Sau. Aber sie feiern den Jahrestag der Versenkung des Historischen Kölner Stadtarchivs, dies wiederum interessiert mich nicht mehr

Selten solche Eierei im Radio erlebt, allerdings nur mit halben Ohr. Es betraf das „Journal am Vormittag“ im DF: Vor einem Jahr stürzte das Historische Kölner Stadtarchiv ein
Gesprächsteilnehmer u.a.:
– Dr. Bettina Schmidt-Czaia, Archivleiterin
– Guido Kahlen, Stadtdirektor
– Jürgen Fenske, KVB-Vorstandssprecher
– Dr. Jochen Keysberg, Arge Nord-Süd-Stadtbahn
– Prof. Michael Fastabend, Verband beratender Ingenieure

Nun sind alle in den finstersten Zonenzeiten angekommen.
Nein – noch schlimmer, medienmäßig wurde alles noch getoppt! Man schien heute den ersten Jahrestag des Einsturzes vom Kölner Stadtarchiv zu feiern, so etwas fand im Osten nie statt.
„Experten“ gaben sich einem antiautoritären Kindergeburtstag hin, waren mehr als nett zueinander und alles lief zum Kotzen politisch Korrekt ab. Ein strammer Demokrat kam ewig mit der „Unschuldsvermutung – eines der Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens“
Ein Jahr ging ins Land – ich gehe mal davon aus, dass die Palavergang unsere Zeitrechnung von 12 Monaten meint – und nichts tat sich auch nur ansatzweise in Richtung Aufklärung. Allerdings suchte jeder die Schuld beim anderen, so kommt wenigstens jeder mal dran, man könnte es wandernde Kollektivschuld nennen.
Irgendwann konnte ich mit dem Gelaber nichts mehr anfangen. Eins hätte ich allerdings doch gern erklärt bekommen, nur etwas belangloses, etwas ganz untechnisches. Wie ist es möglich, wenn 80 % der sogenannten Stahlbügel „eingespart wurden“, dass die Sicherheit trotzdem 100%ig  gewährleistet wird.
Warum werden die Techniker, die solch eine witzlose Materialverschwendung zu verantworten haben, nicht bestraft? Auf der anderen Seite, müssten diejenigen belohnt werden, die bewiesen haben, dass es auch ohne diese Teile geht!
Alles recht merkwürdig. Weiterlesen

sangerhauseN – Klimatische Verhältnisse von 1878 – 1897

Mal wieder etwas aus der kalten Heimat – staubte ich heute Nachmittag von Sigrid ab – fast wäre es den Weg allen Irdischen gegangen, zum Leidwesen meines Weibes ist es nicht geschehen.
Es grenzt schon an ein Wunder, dass diese Heftchen (es handelte sich um drei Exemplare, die anderen weit über 130 Jahre alt) privat irgendwo überlebten. Die vielen Zeiten dazwischen, wo jeder Fetzen Papier umfunktioniert wurde, sei es für die Ummantelung von gerollten Tabakresten, oder als Scheißpapier. Weiterlesen