Lucie Leydicke wird mit eigenem Platz geehrt, die einstige Wirtin war für ihre soziale Ader bekannt.

…E&M Leydicke Weinbrennerei“ in der Mansteinstraße den Schöneberger Crelle-Kiez stadtweit bekannt gemacht, eigentlich bundesweit.
Doch dann hatten die Grünen vergangenes Jahr ein Haar im Obstwein gefunden, den die kleine, energische Lady für alle so randvoll eingoss.
,,Antisemitische und ausländerfeindliche“ Sprüche soll sie dabei hinterm Tresen bisweilen gekloppt haben. So stand es in der Begründung zur Beschlussempfehlung der Partei, die Umbenennung im Bezirksparlament erstmal zu stoppen. Ein Zeitzeuge habe sie darauf hingewiesen. Der habe einmal gehört, wie sie einem Gast entgegen­schleuderte: ,,Dich haben sie Wohl vergessen zu vergasen.“
Laut konnte sie Werden, darüber jedenfalls sind sich alle Zeitzeugen einig. In der hauseigenen Geschichtsschreibung auf leydicke.com heißt es: ,,Sie raunte die Gäste an, wenn sie zu wenig tranken, schlichtete Streit, holte Weltverbesserer auf den Bo­den zurück und schenkte nach.“
Stimmt schon, Lucie trug ihr Herz auf der Zunge, von mir gab es aber entsprechen­den Zunder und zwar mit Berliner Schnauze. War schon lustig, wenn dann ein Wort ins andere fiel…

Nur so nebenbei, für uns Sachsen und Anhaltiner war es zu Beginn der Lehrzeit in Warnemünde fast nicht möglich, eine einheimischen Schnecke anzubaggern. Beflei­ßigte mich deshalb, etwas den Fischkopf-Slang zu erlernen. Empfand ich aber bald zu stressig, sattelte deshalb in den Berliner Dialekt um. Selbiger wurde von mir dann auch noch komplettiert, wenn ich Heimreisen über Berlin antrat, dabei ewig in Lich­tenberg aufschlug.
Also ein ZEITZEUGE hat etwas unters Volk gestreut…(*)
Was habe ich für Massen solcherart Berufszeugen schon kennen gelernt!
Ich bin Zeuge! Um was geht es hier eigentlich? Ich kenne nämlich jemand, der wiederum jemand kennt, der alles bezeugen wird…“
Wen ich so alles in ihren Laden geschleppt habe, in den End70er/80er Jahren, dies geht bestimmt auf keine Kuhhaut.
Muss dazu bemerken, besonders nach 20 Uhr, wenn man in der Pinte nicht mehr umfallen konnte, tummelte sich dort immer ein Haufen von Volksdrogen-Junkies, wirklich sämtlicher sozialen Schichten, welche aus allen Ecken UNSERER ERDEN­SCHEIBE stammten.
Nebenbei bemerkt, kurz darauf herrschte dort mindestens Smoke-Stufe 80 und mehr, weil alle Französische und Spanische Glimmer rauchten. Was oftmals zur Folge hat­te, dass einem Nikotin vom Stuck ins Glas tropfte…

Mir fallen momentan Geschichten ein, die ich gar nicht alle niederschreiben kann, weil ich nicht weiß, wo ich da überhaupt anfangen sollte. Jedenfalls lag Leydicke oftmals mittig, bei angesagten Stellungswechseln. Wenn man sich z. B. nächtens vom Bermudadreieck: Yorkschlösschen, Nulpe und Delirium, in westliche Richtung auf­machte. Oder man kam vom Winterfeldplatz, der Potse oder Pallas, da gab es noch ein Laden in der Goebenstrasse. Da musste man eine ellenlange steile Treppe rauf, wobei sie bezecht runter, wesentlich schlimmer war.
In der vorher erwähnten Zeit gab es auch noch die Reste der Roten-Punkt-Aktion. Mit solch gekennzeichneten Autos konnte man recht gut auch nachts trampen…
Es gab ja jene Eigenheit mit dem Werbegag, dass Berlin 24 Stunden geöffnet ist. Was nicht ganz stimmte! Eigentlich durften alle Kneipen 23 Stunden geöffnet sein, der Rest sollte der Reinigung vorbehalten sein! Noch eine alliierte Marotte, aus alten Besatzerzeiten. Als eine recht widerliche Eigenart konnte man erleben, dass gerade in sog. Studentenkneipen, Toilettenanlagen besonders für Frauen unter alter Sau waren. Dafür gab es von Senatens eine idiotische Bestimmung. Nach der Neueröffnung mussten die entsprechenden Anlagen innerhalb eines Jahres auf Vordermann gebracht werden. In einem Kollektiv konnte jene Anweisung ganz schlicht umgangen werden. Kurz vor Ende der Jahresfrist, übernahm jemand aus dem Rudel, die neue Scheff­chenrolle und alles wurde verbunden mit neuer Jahresfrist…
In viele Kneipen konnte ich deshalb nicht wieder mit einem Mädel aufschlagen, weil der Toilettengang in letzter Konsequenz mit einem wichtigen menschlichen Bedürfnis einhergeht. Habe mich so manches mal, mit den betreibenden Linxwixern angelegt, da zierten teilweise große Posters mit halb verhungerten Kids aus Biafra die Wände, aber die Toiletten waren nicht benutzbar…
In der Ruine, am Winterfeldplatz, gab es noch eines Steigerung. Wegen eines gewis­sen Umstandes, ging ich nur von Frühjahr bis Herbst dort hin. Suchte mir immer einen Platz am Rand aus und entleerte mich dann verstohlen im Sitzen. Machten aber viele Typen, allerdings gehört dazu eigentlich ein entsprechender Krückstock der ein oller Regenschirm…

(*) Man könnte heute noch sehr viele betroffene gesamtdeutsche Zeitzeugen interviewen, wie oft sie, zu Beginn der 60er Jahre, immer wieder hören mussten, dass man sie früher vergast hät­te. Meine damit die jugendlichen Gammler, welche damals ihre Loden wachsen lie­ßen. Solche Sprüche ließen in der Zone Genossen der Dreigrammbewegung ebenso ab, dabei  mancher sogar seine Existanzmedaille am Revers trug!
Den witzigsten Spruch ließ im Sommer `66 der Vater eines Schulfreundes ab.
Mit der dazugehörigen Larve meinte er zu mir: „Klaus! Nur damit du Bescheid weißt, wenn wir wieder mal bestimmen, wer ein Deutscher ist! Dann liefere ich Dich per­sönlich im Lager ab und von dort gibt es für dich nur einen Ausweg – den durch die Esse!“
Was meinen Haarschopf betraf, nahm ein dreiviertel Jahr später, das ekelhafte Mut­tertier alles entsprechend in ihre Hände. Dieses Miststück wurde von dem roten Pack, in deren Sumpf sie sich ewige wohlfühlte, mächtig belegt, weshalb sie nicht dafür sorgte, dass sich ihr Sohn einen vernünftigen Haarschnitt zulegt.
Zieht den Jungen doch einfach zur Truppe, denn der ist momentan mit einem an­ständigen Mädchen zusammen, da wird es deshalb keine Schwierigkeiten geben!“
Alles geschah dann, wie gewünscht, 7 Monate nach meinem 18ten Geburtstag…

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