Archiv für den Monat: August 2008

WEMBLEY – Frühjahr ’77

Zur Erinnerung! 
Um 1974 im Osten, dem ersten Schlaraffenland aller Arbeiter und Bauern auf deutschem Boden, bei 21 Tagen Grundurlaub, drei Wochen Urlaub zu machen, wurden die sowieso arbeitsfreien Samstage hinzugerechnet.
Drei Jahre später, nun bereits ein Jahr in der berühmten Firma Sonnenschein
, im tiefsten Sumpf des Kapitalismus’  und deren, dort herrschenden Wolfsgesetze, gab es mit drei Tagen Erschwernis – 30 Tage zur Regenerierung – was vollen sechs Wochen entsprach. Mir reichte diese Zeit für einen Trip auf die immergrüne Insel nicht, ich wollte noch zwei Wochen unbezahlt, was aber nicht machbar schien. Zu eben dieser Zeit gab es allerdings in der Firma Kurzarbeit, dass hieß, täglich musste ein Kollege aus der Abteilung zu Hause bleiben. Nun kam mein listiges Proletenhirn zu dem Ergebnis, für alle Mitarbeiter diese schrecklichen, arbeitslosen Tage zu übernehmen, was täglich zwischen 50 bis 80 Mark Netto weniger in der Lohntüte ausmachten. Mein Vorhaben rief nicht ge­rade Begeisterungsstürme hervor, weder bei der Geschäftsleitung, noch bei den betroffenen Kollegen, vom Betriebsrat ganz zu schweigen.
Allen begann ich auf den Senkel zu gehen, schließlich gab mein Meister un­ter der Bedingung auf, wenn alle Kollegen mit meinem Plan einverstanden wären und der Rest sollte mit der Gewerkschaft abgekaspert werden.
Schließlich fanden es fast alle O.K, bis auf Hammerkarl. Mit selbigen lag ich seit geraumer Zeit schräg, wegen eines Kuckuckseis an dem ich mich beteiligt hatte.
Pille war auf diese Idee gekom­men, weil er irgendwann, an seine Frühschicht noch acht Stunden dranhängen musste. Wir pappten eine Blechtafel von 1,5 mal einem Meter über Karls Arbeitsplatz. Befestigten das Teil mit Schwerlastdübeln an der Betonwand und schweißten zusätzlich die Schrauben noch am Blech fest. Von mir stammte die fein säuberliche Frakturschrift darauf:
Es trinkt der Mensch, es säuft das Pferd.
Doch Hammerkarl machts umgekehrt!
Schließlich gab der alte Suffschäddel, der immer wieder seiner größten Zeit bei der LAH (für Nichtwissende – Leibstandarte Adolf Hitler) nachtrauerte, auch das Einverständnis. Stotternd, wie immer, wenn ihn etwas aufgeregte: Duh, duh Stück Sah-sah-sachsenscheiße, duh! Du halber Ruh-ru-russe! Icke will dir ja nich im Weje stehn, weh-wenn du einem unserer Verbündeten ah-aus dem ersten Krieg einen Beh-besuch abstatten willst…
Von Pille, dem stellvertretenden Betriebsratsknecht erfolgte noch das letzte Wort. Schließlich trete die IG-Metall dafür ein, Arbeitsplätze zu erhalten und sollte nicht Urlaubsgeilen Ostlern bezahlte Kurzarbeitstage zuschanzen, so als verlängerten Urlaub. Als Gewerkschafter gab ich ihm sogar Recht und beim nächsten Billard­termin ein großes Bier nebst Wodka aus.
So konnte ich schließlich Ende April 1977, nach sechs Wochen Irland und anschließenden zwei in Wales, feststellen dass sich die Ebene auf der ich mich nun bewegte, mächtig verschoben hatte.
Da reichte es ein paar Jahre vorher noch aus, wenn ich auf dem Heimtramp, nachts im finstersten Halle/Saale fest hing, und mir sogar die 4 Mark 80 für die Rückfahrt fehlten, am nächsten Morgen im Zug den Schaffner zu bitten, mir ein Ticket auszuhändigen, das dann wenig später in Sangerhausen bezahlt wurde.
In Westeuropa war dann immer ein Euroscheck meine eiserne Reserve, wenn es mit dem Daumen partout nicht weiter ging. Dieses Bankpapierchen nützte ei­nem allerdings auch nicht viel, wenn man sich beim Ausfüllen zu blöde anstellt, wie es mir in Wales erging. Dieser faux pas unterlief mir in Bangor auf einer Bank. Wieder einmal hatte ich seit Monaten meine Unterschrift verändert und es vergessen. Jener Krakel auf dem Scheck war deshalb nicht mit dem im Ausweis identisch, worauf mir logischer Weise kein Geld ausgezahlt wurde. Knapp kalku­liert schien die restliche Barschaft noch bis Dover über Liverpool zu reichen.
In der Nähe von Bir­mingham, ließen mich ein Wust von Schnellstraßen und Autobahnen schier ver­zweifeln, also bis zur Hauptstadt in den Zug. Anfangs in dieser Gegend, vielleicht auf 20 oder 30 Kilometern, rechts und links der Bahnstrecke ewig Industrieruinen auch aus dem letzten Jahrhundert…
In London wollte ich bei dem jungen Landlord ei­nes Inders, den ich während meiner Tramptour in Irland kennen lernte, über­nachten, der Typ sollte spottbillig seinen Wohnwagen vermieten. Als ich zu später Stunde im Ortsteil Wembley endlich das Haus fand, schlug Murphy zu. Im Garten nirgendwo ein Campingwagen, allerdings die Mini-Rasen­fläche vom Rangieren total hinüber und in der Ausfahrt frische Radspuren. Mein Be­kannter allein im Haus, wollte mich berechtigter Weise dort nicht nächtigen lassen. So als Entschädigung kam die Offerte zu einigen Pints in einem Nobelrestaurant.
Wieder auf der Straße, begann er mit sich zu hadern, denn es nieselte. Davon befreite ich ihn, als wir an einem Hinweisschild zum Stadion vorbei kamen und ihm kundtat, dort eine Penne zu suchen. Kurz darauf, just in dem Moment, als es, wie die Briten sich auszudrücken pfle­gen, Katzen und Hunde regnen begann, leuchtete auf der anderen Straßen­seite das schummerig Entree eines kleinen Hotels auf, nichts wie rüber.
Mist, nirgends eine Klingel zu finden, also laut an den Türflügel po­chen. Drinnen tat sich nichts, auch nicht, vom Geräusch der wummernden Fäuste, allerdings ging dabei langsam das Portal auf. Drinnen, vor dem Counter nahm ich auf meinem Rucksack Platz und begann zu rauchen. Anschließend er­folgten weitere Versuche mich bemerkbar zu machen, durch Rufen und klopfen auf die Schlagklingel am Tresen, nicht rührte sich. Nun wurde mir alles Scheiß­egal, ich wollte nur noch ratzen. Zündete noch einen Glimmer an und begann rum zuschnankern, gewahrte dabei hinter der Anmeldung eine Kellertreppe und kam auf die Idee, einfach runter zu gehen um mich dort breit zu machen. Egal was spä­ter geschehen würde, aber die Tür war verschlossen. Als ein weiterer Versuch scheiterte, mich bemerkbar zu machen, erfolgten weitere Erkundungen.
Ebener­dig, hinter der linken Tür befand sich ein kleiner Speisesaal. Gegenüber an der Stirnseite des Raumes, in einer Zieharmonikaholzwand noch ein Zugang, hinter der sich das gleiche Mobiliar wie im ersten Raum befand. Allerdings waren die Fensternischen mit dicken Stores verhangen und diese gemauerten Ausbuch­tungen waren so gewaltig, dass man dort ohne weiteres auf einer Matte pennen konnte, ohne gleich gesehen zu werden, falls jemand den Raum betrat. In kürze­ster Zeit wurde das Nachtlager gerichtet.
Ich musste wie ein Stein geschlafen haben, als es draußen bereits hell war, ertönte Stimmengewirr aus dem vorderen Speiseraum und alle möglichen anderen Geräusche, die Gäste so veranstalteten, wenn sie sich das Frühstück einverleiben. Hinzu kamen gigantische Gerüche die umherwaberten.
Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend, nicht nur wegen des Kohldampfes der sich einstellte, brach ich lautlos meine Zelte ab. Zog leise den Store etwas beiseite, platzierte den Rucksack an der Tür, hockte mich an einen Tisch und harrte der Dinge die da kommen sollten. Im Nachbarraum wurde es langsam immer ruhiger, es schienen dabei Stunden vergangen zu sein, was ich aber nicht korrekt nachvollziehen konnte, da meine Taschenzwiebel nachts den Dienst versagte.
Endlich trat Ruhe ein, außer dem leichten Geräuschpegel aus dem Vorraum, am Counter. Nun war es an mir, mich startklar zu machen. Rich­tete oben mit meinem zweigeteilten, fünfzinkigen Kamm die langen Fusseln, striegelte notdürftig den Bart und drapierte anschließend die Baskenmütze auf dem Haupt. Zupfte ordentlich die Hosenbei­ne der Jeans in den Springerstiefeln zurecht, kroch in den Parka, nahm einen tie­fen Zug Whiskey, irischen Paddy, schob mir einen Riegel Kaugummi hinter die Kiemen, schulterte salopp meinen Rucksack – dabei kroch aber mächtiger Bammel in mir hoch.
Wie sollte ich den Raum betreten?
Vorsichtig die Tür öffnen oder alles forsch laufen lassen?
Also doch die zweite Variante!
Schließlich war es bei mir immer schon Gang und Gebe, illegal in niedlichen, kleinen englischen Hotels zu übernachten.
Also tief Luft geholt und durch…
Versucht lässig ging es an, trat aber keine zwei Schritte in den Raum, noch nicht mal die Klinke losgelassen und erschrak plötzlich, wie selten in meinem Leben.
Hinter dem halbgeöffneten Türflügel sprang jemand erschrocken auf, als er meiner ansichtig wurde, wobei der Stuhl krachend umschlug und brüllte mit überschlagender Stimme, als ob ihm der Leibhaftige erschienen war.
Bruchteile von Sekunden ging bei mir nichts mehr, dann kam es langsam. Da stand ein hutzliges, am ganzen Leib zitterndes altes Weib. Zu erst nahm ich von Gesicht und Hals, nur fettige, bepapp­te Falten war, ein riesiges Maul und drinnen ein vibrierendes Zäpfchen, nebenher dieses infernalische Gekreische. Besänftigend hob ich meine Hände, unge­schickter weise rutschte dabei mein Rucksack runter und knallte ihr vor die Füße. Was die Verrückte veranlasste, nach hinten zu torkeln, gegen den Tisch zu knallen und noch etwas nachzulegen mit der Laut­stärke. Während ich mich nach dem Reisesack bückte und mit der verbleibenden Hand Beschwichtigungsversu­che unternahm, kam mir kurz der Gedanke meine beiden Hände zu etwas ande­ren zu gebrauchen.
In diesem Moment wurde mir schlagartig klar, das es Individu­en gab, die in solch einem Fall jemanden den Hals umdrehen mussten. Gott noch mal, wo nahm diese Vettel ihre Energie nur her? Den Rucksack schon wieder ge­schultert und ein paar Schritte von ihr entfernt, wurde sie immer wieder lauter wenn ich mich nur nach ihr umdrehte.
Nun kam mir endlich, wer da so infernalisch sang, die Braut musste eine ziem­lich alte Amerikanerin sein. Ihre dünnen Beinchen steckten in unförmigen Lat­schen, der Körper wurde von einem gesteppten, schweinchenrosafarbigen Mor­genmantel umhüllt. Riesige, knallrote Krallen und unförmigen Klunker zierten die pergamentenen Finger. In den grauen Haaren steckten viele, nun etwas aus der Form geratene Lockenwickler. Als ich das letzte Mal zu dem hysterischen Weib blickte, hatten ihre Ohren und sichtbare Teile des Gesichtes schon eine ge­fährliche Rötung angenommen, die mehr ins violette tendier­ten. Mit dieser Birne wäre sie glatt als Werbegag, für Mag Light oder Osramglühbirnen durchgegangen.
Nun war es an mir, mich darauf zu konzentrieren, was sich im vorderen Teil des Speisesaales und an der Rezeption abspielte.
Nie wäre ich auf die Idee gekom­men, dass sich so viele Menschen in solch einem kleinen Hotel aufhalten könnten. Bestimmt an die 40 Leute glotzten mich an, wie in Bayreuth den Siegfried, aller­dings niemand ausgesprochen feindlich, einige grinsten dabei recht unverschämt.
Jetzt lag es an mir, erst mal etwas auf bedeppert zu mimen, nichts verstehen vor­geben, um langsam wieder Oberwasser zubekommen. Ein schmächtiger Mann, in feinen Zwirn gekleidet, ungefähr in meinem Alter, En­de 20, versuchte gleichzeitig auf mehreren Hochzeiten zu tanzen. Gab mir zu ver­stehen, am Tresen der Rezeption auf ihn zu warten, während er die nun endlich verstummte Gästin tröstete und sehr feinfühlig hinaus komplimentierte. Gleich­zeitig versuchte die Menschenmasse im Vorraum durch Handbewegungen und sanfte Sprüche zu vertreiben. Gleichzeitig eine ältere umher­wuselnde Dame besänftigte, die unentwegt nach der Polizei rufen wollte, bei der es sich um die Chefin und Mutter handelte, wie sich bald herausstellte.
Als wir uns endlich zu dritt, im geschlossenen Speisesaal wieder fanden, kam für mich eine Lehrstunde an englischen Umgangsformen.
Freundlich steif stellte der junge Mann sich und Mutti vor, nebenbei fischte er unbemerkt einen Aschenbecher, denn ich hielt mich schon wieder an einer Fluppe fest. Ihn irritierte etwas die Tatsache, dass ich partout nichts zu verstehen schien. In feinstem Englisch, mit einer Körpersprache, die der von Louis Tren­ker in keinster Weise nachstand, versuchte er herauszubekommen, weshalb ich im Gegensatz, wie er es normalerweise gewöhnt war, morgens mit Rucksack aus dem hinteren Speisesaal in Richtung Rezeption bewegte.
Schließlich gelang Junior, Mutti zu beruhigen. Die alte Dame kam absolut posh daher, plauderte in ihre Muttersprache, wie ich es aus Kindheitstagen nur bei den Sprachkursen der BBC erlebte. Deshalb verstand ich fast alles.
Die Seniorchefin versuchte zum Schluss nochmals ihren Sohn zu bewegen, dass er wenigstens meinen Rucksack auf Diebesgut kontrollieren sollte. Was er mir peinlich berührt darbrachte. Ich kam seiner Aufforderung nach und begann mein knirsch gepacktes Reiseutensil vor ihm auszubreiten, schließlich verzichten sie auf die gänzliche Kontrolle.
Es schien gelaufen, da wollte die Alte wenigstens noch einen Blick in meinen Pass werfen und alles begann von vorn. Dieses kleine grüne Ding, was ich ihr in die Hand drücken wollte, lehnte sie angewidert ab, den Berliner Behelfsmäßigen Personalausweis, ihr auch vollkommen unbekannt war. Sofort brachte sie wieder die Polizei ins Spiel. Nur gut, in diesem kleinen Teil gab es ja einen Hinweis in Englisch, schließlich schienen Führerschein und Scheckkarte sie halbwegs zu überzeugen.
Beide begleiteten mich dann an die Eingangstür, wobei Mutti im Vorraum stehen blieb, mich nur mit kurzem Nicken verabschiedete, sie schien die Welt nicht mehr zu verstehen. Ihr Sohn entließ mich mit einem Händedruck, “Es war nett ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, für die Übernachtung berechne ich heute nichts. Für die nächste Zeit sind sie uns ein willkommener Gast, aber dann mel­den sie sich bitte wie alle an­deren Gäste an der Rezeption an! Ich wünsche ihnen einen weiteren angenehmen Aufenthalt in unserem Land.”
Die letzten beiden Tage meines Aufenthaltes im U.K. sind schnell erzählt.
Kurz kam ich noch in Konflikte mit mir, beim Anblick eines Posters. An bewusstem Tage sollte im Wembley-Stadion jene kalifornische Gruppe auftreten, die Jan & Dean so geil abkupferten und im ähnlichen Stil eigene Sachen verzapften. Die­ses Problem erledigte sich aber von selbst, als ich in Soho, in einer Pizzeria mit bekam das es wieder zu schütten begann. Also, nix Beach Boys, sondern fürs letzte Geld ein Ticket nach Dover erstanden.
Wie sollte ich aber von der Insel runter, deshalb war am Fährhafen nach Calais wieder Kreativität gefordert.
In der Warteschlange guckte ich mir ein sehr junges Pärchen aus, von ihrer Rostlaube schloss ich auf eine bestimmte Lebenseinstellung, nebst Verständnis für mein Problem. Bei dem Typen setzte ich, was Men­schenkenntnis anging, total aufs falsche Pferd. Es schien sich bei ihm um einen modisch gestylten Freizeithippie aus dem Bonner Raum zu handeln, außerdem auch noch Fan von ZDF-XY-Zimmermann: Man hört und liest ja so viel…
Dabei war mein Anliegen vollkommen risikofrei, allerdings mit leichtem Aufwand ver­bunden. Alles klappte doch noch, was ich seiner Freundin verdankte. Das Paar sollte meinen Rucksack, worin er Drogen vermutete, mit auf den Kahn nehmen, aber, wenn ich nicht kurz vor Ab­fahrt an Deck erschien, sie ihn mir wieder runter auf die Pier schmeißen sollten.
Nur gut, dass es sich beim englischen Königshaus um die Hannoveraner Linie und nicht die Preußische handelt. Die Genossen von der Pass- und Zollkontrolle schienen andere Sorgen zu haben, als friedliche Leute neugierig wegen ihrer Papiere zu belästigen. Aufs Schiff gelangte ich in mitten einer lustigen Meute belgischer Jugendlichen, in dem Chaos gaben die genervten Uniformträger sehr schnell ihre Versuche des Nachzählens auf.
Große Freude kam beim Chefhippie auf, als er mich endlich gewahrt, entschuldigte sich sofort wegen seiner kurz vorher geäußerten Vorbehalte: Sie wissen doch… Außerdem gibt es für solchen Fall, wie den ihrigen, Botschaf­ten und Konsulate…
Ihn beeindruckte dann doch, dass es wirklich möglich schien, solche Institutionen nicht in Anspruch zu nehmen. Sein schlechtes Gewissen daraufhin oder sonst was, kam mir dann doch sehr gelegen. Anschließend auf See wurde ich regelrecht genötigt mir meine Wampe bis zum Abwinken, mit Köstlichkeiten aus ihrem Picknickkorb voll zuschlagen.
Einschließlich des späteren Lifts nach Aachen, empfing mich der Kontinent sehr lustig, allerdings verspürte ich keine Lust weiter zu trampen.
Deshalb rief ich vom Bahnhof aus S. an, die aus der Domstadt stammende, kleine, dickbrüstige, in Berlin stupidierende Fabrikantentochter, als politisch bewegte Langzeitstudentin vermutete ich sie zuhause, dem war auch so…
Sie organisierte sofort eine konspirative Geldübergabe. Innerhalb kürzester Zeit tauchte ein Freund von ihr auf und überreichte mir eine blaue Fliese für das Bahnticket. So rutschte ich auf einem Ritt, wieder in die eingemauerte Insel, mit allen diesen angenehmen Unterbrechungen, an Zaun und Mauer, die von mir, oft zum Entset­zen der Mitreisenden aufgelockert wurden.
Leider haben die wenigsten so abgekotz, wie ich es unaufhörlich tat…

PS.
Hatte mir besagten Termin deshalb ausgesucht, weil überall der Ginster und Rhododendron blühten. Trotz schwerer Bedenken eines Elektrikerkollegen, der vergangenes Jahr mit Kumpels eine 4wöchige Bootstour auf dem Shannon absolvierte und es fast die gesamte Zeit bärenmäßig schiffte. Sie ihre Zeit lediglich mit Saufen und Angelei verbrachten. Solch schauriges Wetter bleib mir in Irland die gesamte Zeit erspart, dies änderte sich erst in den letzten drei Tagen, als ich noch einen kurzen Abstecher nach Liverpool machen wollte…
Ward das anschließend ein Stress, als ich mich nach acht sehr erlebnisreichen Wochen, wieder an die Maloche gewöhnen musste. Hatte ich doch auf der gesamten Insel Menschen aus allen sozialen Schichten kennen gelernt, von den Slums in Dublin bis hin zur High Society.
Alles begann gleich am ersten Tag meines Aufenthaltes mit einem Arbeitssaufen bei den Dubliners. Die Jungs hatten sich einen Kutter zugelegt und es war ein Tag Rostklopferei angesagt, zwar ohne Lohn aber saufen bis zum Abwinken…
Allein über diese wenigen Stunden hätte ich ein Buch schreiben können. Erst abends, recht trunken bereits, tolerierten alle die Tatsache, dass ich mit ihren Chauvinismus gegenüber den Briten nichts anfangen konnte.
Die nächsten drei Tage ging es mir absolut schlecht, nicht etwa von der Zecherei. Obwohl während der Arbeitszeit der Himmel total bewölkt war, hatte ich mir fast einen Sonnenstich eingefangen, den ich in den Wicklow Mountains auskurierte…
Immer wieder waren die Leute begeistert von meiner Trinkfestigkeit und ich mich traute eingängiges deutsches Liedgut vorzutragen, wozu in den Pubs die Musikanten oftmals mit einfielen. Es handelte sich dabei u.a. um: „Ein Mops kam in die Küche“, „Ein Schneider fing ´n Maus“ und „Zwei rosa Elefanten“. Oftmals holte ich auch irgendwann meine D-Dur Bluesharp hervor, dann war alles zu spät…
Regelmäßig wurden meine Sangeseinlagen natürlich mit Unmengen an Volksdrogen vergütet. Was die Sauferei betraf, war es letztlich der billigster Urlaub, den ich je im Ausland verbachtet –  aber sehr ungut für meine Leber.
Als absoluter Kommunikationskatalysator stellte sich manchmal auch die Vorführung eines maskulinen Trinkerspielchens heraus, welches allerdings nicht nur in Irland zum Besten gegeben wurde. Wenn ich den Pint  Bier in fast identischer Geschwindigkeit ohne zu schlucken runter stürzte, die meine Widerparts für einen doppelten Paddy benötigten…

Arthur Koestler

8ung!

Koestler schrieb in Panama keine Tigerentenpornos!
Seine Literatur ist auch vollkommen ungeeignet für linkslastige IKEA-Spießer und arrivierte Proletenableger (jene, welche fortwährend beim Arschkriechen durch Institutionen, kleben blieben) mit schlechter Kinderstube , die sich noch vor Jahrzehnten, chronisch untervögelt, bei Kapitalkursen langweilten…
Da es um die Interpretation zweier Tugenden geht, mit denen viele Aktivisten von damals, auch heute noch nichts anfangen können. Ich meine damit ganz spezielle Jungs und Mädels…
Besonders dieses Werk befasst sich mit der „Kluft zwischen Denken und Handeln – eine Anatomie menschlicher Vernunft und Unvernunft“ ! Weiterlesen

Biologische Betrachtungen

Diesen Text, des Schweizer Kabarettisten Andreas Thiel, fand ich gestern in meinem Datenmüll. Da die Schule nun bald wieder beginnt, hänge ich ihn auf meine Seite. Vielleicht ist er für manchen Anlass, einen Bio-Leistungskurs zu belegen…
Schatten entsteht durch Photosynthese. Das Chlorophyll entzieht der Luft Licht. Was bleibt, ist Schatten. Mein Wellensittich ist grün. Wenn ich ihn an die Sonne stelle, wirft er sofort einen Schatten, was beweist, dass er Photosynthese betreibt. Dass seine Mutter ein weißer und sein Vater ein blauer Wellensittich war, erstaunt nur auf den ersten Blick. Die weiße Mutter nimmt alle Farben des Lichts auf, also zum Beispiel auch gelb, was mit dem blauen Vater grün gibt. Das lässt sich nicht auf alle Tiere anwenden; zum Beispiel ist die Blaubeere rot, wenn sie grün ist. Weiterlesen

DER FASSADENKLETTERER – Herbst ’75

Damals, Ende 1975, beäugte im Lager, oder Rot-Kreuz-Heim jeder den anderen sehr misstrauisch. Noch dazu, wenn Leute auf Bude lagen, die weder in den ersten Tagen zu den Geheimdiensten mussten, außerdem keine Anträge auf Knete nach Häftlingshilfegesetz stellten. Nun wollte keiner ewig Schubladen öffnen und schließen, aber die Gerüchteküche brodelte permanent.
Am Hohenzollerndamm lag ich mit zwei solchen Leuten auf Bude. Sehr merk­würdig erschien mir Harald, der außer den Piepen, je 50 Westmark, die es von SPD, CDU und den “Liberalen” gab, nirgends Quellen anzapfte, lief aber immer in bestem Zwirn umher. Dann tauchte er mal mittags, schimpfend wie ein Rohrspatz im Zimmer auf, denn eine saublöde Verkäuferin besaß doch die Frechheit ihm zwei linke Schlappen zu verkaufen. Sein Nachbar ließ nur cool ab: “Den rechten Schuh hättest du einfach nur im Laden klaufen sollen!”
Mann brüllte Harald los: “Gerade du Idiot willst mir etwas unterstellen. Dich beob­achte ich schon geraume Zeit. Musst ein merkwürdiger Vogel sein, alle erzählen, du hast noch keinen HHG-Antrag (HHG-Antrag – Antrag auf finanzielle Unterstützung nach Häftlings Hilfe Gesetz) gestellt, und dies machen bekanntlich nur Knackis …” Wumms, und schon wälzte sich jemand blutend am Boden.
Dem Boxer tat auch ich mit meinen Vermutungen unrecht, der Mann war ganz harmlos, aber schwer gehandicapt als Analphabet, was er mir kurz darauf beichtete.
Obwohl jeder im DRK-Heim acht Wochen mietfrei wohnen konnte, zog Harald sehr schnell aus.
Monate später kommt Felix, mit dem ich damals zusammen höhlte, aufgeregt eine BZ wedelnd von Arbeit. Auf dem Titelbild prangte – uns Harald – und in der Headline: “Endlich! Der Fassadenkletterer gefasst!”
Natürlich geflunkert diese Aussage, denn Ordnungshüter lasen ihn schwer verletzt auf und ab ging es in eine Spezialklinik. Ärzte flickten ihn zwar wieder zu­sammen, aber unten herum blieb er unlustig, wegen irreparabler Schäden an der Wirbelsäule.
Haralds Revier bestand aus den südöstlichen Stadtbezirken. Er stieg bei seinen Raub­zügen immer durch geöffnete Fenster des ersten und zweiten Stocks ein. An jenem Abend, als er sich nach Gottes Fügung selbst richtete, geschah folgen­des: Im ersten Stock, glitt er rückwärts, auf dem Sims in Rich­tung eines geöffneten Fensters. In luftiger Hö­he, endlich vor dem ersehnten Eingang, sah er sich beim schwungvollen rein jumpen, einem bejahrten Sportsmann gegenüber. Jener schien an frischer Luft, halbnackt im dunklen Zimmer, sei­ne Morgengymnastik nachzuholen. Im Angesicht des Einbrechers schrie unser Sportsmann kurz auf und verschied augenblicklich an Herzversagen, wie Ärzte später feststellten.
Harald darob so erschrocken, schmierte rückwärts ab und brach sich dabei seine wichtig­ste Gräte.
– Wat soll ick dazu saren.
Mir fällt dazu nur eine alte Pilotenweisheit ein – Fliegen heißt landen.

EINE SCHEISSWETTE – Sommer ’77

Betagte Berliner kann man in der ganzen Welt daran erkennen, dass sie bei irgendwelchen Motorengeräusche über sich, ruck­artig nach oben schauen, weil schlagartig Kindheitserinnerungen aufblitzen – die an abgeworfene Kaugummis der Rosinen­bomber. Dieses Phänomen ging in Fachkreisen, als das so genannte Blockade-Syndrom ein. Der jüngere, oder Neuberliner, ist überall an seinem gesenkten Haupt und einem merkwürdig tänzelnden Schritt als solcher auszumachen. Nicht etwa, weil er depressiver daherkommt als andere Zeitgenossen, nein, weiß Gott nicht. Schuld daran, ist einzig die überall auf den Fußwegen, in unterschiedlichster Konsistenz anzutreffende Hundescheiße seiner Heimatstadt. Manchmal dünn, dafür nicht so hoch, aber sehr breit, in kleinen oder mächtigen Haufen. Vereinzelt allerdings in derlei Ausmaßen, dass ich schon manchmal die Vermutung hegte, dort habe sich gerade ein Dino vollständig entleert. Hübsch anzusehen sind die platt gefahrenen Häufchen mit den unterschiedlichsten Mustern von Fahrradreifen oder Schuhprofilen. Es gelang mir im alten Jahrtausend, vor meiner Stammkneipe, als gerade die Kas­tanien blühten, ein besonders schön aussehendes Exemplar vor die Linse zu bekommen. Auch so ein Dinoschiss, kunstvoll platziert, wie frisch gepresst aus dem Sahnebeutel eines Konditormeisters, besetzt mit rotweißen Blütenkelchen, sah der Haufen aus wie die Krone einer Sachertorte. – Erinnern möchte ich hier noch an einen künstlerisch veranlagten Typ. In den achtziger Jahren markierte er auf dem sehr breiten Gehsteig vor dem Schloss Charlottenburg Hundescheißhaufen. Im jungfräulichen Schnee umrahmte der Popartist mit roter Far­be aus einer Spraydose ringförmig die Verewigungen der lieben Vierbeiner und setzte, wie es sonst nur Bergsteiger zu tun pflegten, auf den Top kleine Fähnchen, die an sich der Gourmet nur zweckentfremdet in Käsehäppchen gepiekst vorfindet. Keines seiner Objekte landete gefroren in einer Galerie. Im Gegenteil, da es sich bei der Farbe um Kunstharzlack handelte, gab es wegen Umweltverschmutzung ein paar Hundert Mark Strafe… Hier höre ich auf, sonst sagen mir psychologisch vorbelastete Leute noch Tölen­scheißhaufenfetischismus nach, allerdings komme ich letztendlich in der folgen­den Schilderung nicht an diesem Scheißthema vorbei. Bevor diese unsäglich bigotte Troika von Häuptling Silberlocke*(Richard von Weizsäcker, Regierender Bürgermeister), Lummi*(Heinrich Lummer, Innensenator) und Renata Granata*(Hanna Renata Laurien, Schulsenatorin), Anfang der Achtziger, in Berlin das Sagen bekam, gab es so etwas wie eine ung­eschriebene Legalisierung von Shit. Bei einer Razzia mit einer Menge für den Ei­genbedarf hochgezogen, wurde das Zeug zwar beschlagnahmt, und es gab in der Regel ein geringes Bußgeld, sonst passierte aber nichts weiter. In der warmen Jahreszeit begab sich unser Rudel deshalb öfter in Lorettas Garten, an der Lietzenburger und dort zogen wir dann Shutgunmäßig unsere Pfeifchen und Hörnchen durch. Eines Tages ging dort alles auf Kosten von Rocky, einem Photographen aus San Francisco, der monatelang Berlinerisches für einen Bildband schoss. Ausgerüstet mit Cash seines Verlages hielt er uns an besagtem Tag mit Zech und Kiff frei. Auf dem Rückweg in Richtung Zillemarkt gab Achim am Ku-damm, Ecke Bleib­treustrasse noch eine Geschichte zum Besten, die wir beide etliche Wochen vorher, an jener Stelle erlebten. Gegenüber von “Sedlatzeck” befand sich damals eine Restaurant, wo Sommers, auch Rattantische und Gestühl drau­ßen standen. Noch auf dem Mittel­streifen vom größten Touri-Boulevard erblickten wir mehrere schnieke Typen, die dort vor einem Tisch standen, auf einen Sitzenden laut auf Italienisch einschrieen und wie wild gestikulierten. Kurz vor der Kneipe plötzlich sehr lautes Röcheln, und alle der eben noch dort anwesenden spritzten, bis auf einen, nach verschiedenen Richtungen auseinander. Dann sahen wir genau vor uns die Bescherung. Da lag ein ziemlich Dicker, ganz in weiß geklei­det, relativ bequem auf einem dieser Rattansessel und rutsche zuckend langsam zu Boden. Stoned, war er schon ein sehr merkwürdiger Anblick und anfangs sogar noch lustig. Die weit geöffneten Au­gen, aus einem Mundwinkel sickerte ein rotes Rinnsal, seine Hände auf dem fetten Bauch gefaltet und zwischen den Daumen ein Messergriff. Die Klinge stak bis zum Anschlag in der Wampe, alles umrahmt von einem sich schnell vergrößernden Blutfleck. Noch während des Gedankens, dass dieses Rot in dem grellen Licht auf den weißen Klamotten scharf aussah, kam es mir gleichzeitig: Der Typ wird kre­pieren, so wie das Blut aus seinem Wanst quillt. Zu Helfen ist dem nicht mehr! Aus meinen Betrachtungen rissen mich mehrere Leute, die kreischend die Straßenseite wechselten, dann kam, nach einem nochmaligen Zucken des ganzen Körpers die Entspannung. Seine starren, glasigen Augen erinnerten an die einer Kuh. Ich war nah daran zu kotzen, als von Achim kam, “Alter, wenn du jetzt das Gleiche denken solltest wie ich, dann lass uns ruckartig hier abhauen, denn der ist sicher von keinem Taschen­dieb perforiert worden!” Also, Kopf runter und weg. Ein paar hundert Meter weiter hörten wir hinter uns schon “Lalü, lala”. Der Nachmittag schien gelaufen, eben noch vom Lachtürken gepeinigt, nun dieses Erlebnis. ” Mann, Leute, müsst ihr jetzt diesen Scheiß ablassen!” “Ihr seid perverse Säcke!” “Shut up boys! Der schaffen sollte, zu die Kneipe auf seine Händen davonlaufen, well, der kann den ganzen Abend von meine Geld tanken!” Dies hieß, eine Distanz von rund 200 Metern überwinden, von der Ecke Hurfürstendamm bis zum Zillemarkt. Außer Rocky, der seine Kamera zückte, versuchten jetzt alle erst mal an der Hausmauer in die Lotrechte zu kommen. Von uns fünf Leuten schaffte niemand auch nur annähernd mehrere Meter, obwohl jeder behauptete, schon mal weiter gelaufen zu sein. Allerdings war man da jünger und nicht bekifft. Ich muss sagen, allein das Erlebnis, kopfüber an der Wand zu verharren und aus dieser Perspektive die Vorübereilenden zu beobachten, hatte auch was für sich. Bald ging nichts mehr, schließlich benötigte jeder seine Hände, um sich wegen der heillosen Lacherei den Bauch zu halten. Schließlich schlug der Photograf eine erleichterte Variante vor. Zwei sollten die Arme seitlich ausstrecken und ihre Hände jeweils auf die Schulter des anderen legen, so dass eine Brücke entstand, der Läufer dabei seine Beine an diesen Anschlag leh­nen. Bobby war der einzige, der dies noch versuchte, schaffte es aber nur bis kurz vor die Mommsenstraße. Dann kam von Rocky die allerletzte Chance, um ihm ein paar Bier abzuzwacken. Das letzte Stück musste jemand per Schubkarre zurücklegen. Achim war bereit, es mit mir zu versuchen. Er krallte seine Hände seitlich in mei­ne Hosenbeine der Jeans und ab gings. Ich tapste los, dabei allerdings mei­nen Kopf nach hinten gerichtet. Schier in dem Augenblick, als wir den richtigen Rhythmus fanden, glitschte ich mit der rechten Hand aus. “Halt Mann! S c h e i ß e! Schaut euch den Mist an!” Ich voll mit der Flosse in einem sehr weichen Dinoschiss, wobei die zwischen den Gliedern durchgepresste Masse des Haufens, sich über den Fin­gern rasant wieder schloss. Achim versuchte als erster, nach meiner Hand zu schauen. Aber als ich sie in Richtung der Meute nach hinten hielt, ließ er kreischend beide Hufen los und die Zehen knallten auf den Gehsteig, was mich sofort veranlasste vor Schmerzen langzulegen. Zu unserer Gruppe gesellten sich jede Menge Leute, die lachend saudäm­liche Tipps gaben, wie diesem leicht cremig, infernalisch stinkenden Dünnschiss beizukommen sei. Dabei wurde mir mal wieder klar, welch Wunderwerk der Technik so eine Hand darstellte. Nachdem ich kniend, auf einer Strecke von vielleicht zwei Metern, mit den unmöglichsten Verrenkungen der einzelnen Finger an der Kannte des Bordsteins und der Borke vom nächststehenden Baum die Grobreinigung erledigte. Meine Kumpels, alles Kameradenschweine, waren nicht bereit, mir ein Stück Serviette, welches sich ganz unten zerknüllt in meiner rechten Arschtasche befand, rauszufischen. Im nächsten Papierkorb fand ich einige Fet­zen Papier für den nächsten Reinigungsvorgang. Allerdings kam mir das Gefühl, je mehr ich rieb, umso standhafter hingen die feinen Reste in den Poren. Nun blieb nichts anderes übrig, als die Hand weit von mir zu spreizen und sofort in der Kneipe die Toilette aufzusuchen. In der Pinte wusste bereits jeder, was mir widerfahren war. Nach einer flehendlichen Bitte erhielt ich vom Zapfer alle möglichen Reini­gungsmittel. Meine Pfote, anschließend zwar rein äußerlich sauber, stank nun noch schlimmer. Der Geruch, den es zu entfernen galt, schlug auch nach mehreren Waschversuchen immer wieder durch. Nun beschloss ich die Kantgaragen aufzusuchen, um mich nach etwas lösmittelhaltigem Zeug umzuschauen. Vor dem Tresen rief mir der Zapfer zu, “los Alter fang!”, im Flug kaschte ich ein Tütchen, “Wenn das nicht hilft, diese kleinen rosa Lutschsteinchen vom Pissbecken, dann bekommst du den Gestank auch mit Benzin nicht weg!” Cognac gab mir noch ein Küchenmes­ser und den Ratschlag, damit im Waschbecken einen Stein zu zerschaben. Was ich auch tat und mit Erfolg gekrönt wurde, zwar mit leichten Hudeleien verbunden, denn die Hände und Unterarme begannen sich schmerzhaft zu röten, au­ßerdem stanken sie nun infernalisch nach Industrieparfüm. Deshalb konnte ich an diesem Abend auch nicht mehr rauchen. Am nächsten Nachmittag musste ich zum alten Schlockermann. Der wollte sofort einen Allergietest veranstalten, wozu ich aber keine Lust verspürte. Also erzählte ich dem Doc wahrheitsgemäß den Hergang. Aus seinem Fundus erhielt ich eine Salbe und für mehrere Tage einen gelben Urlaubsschein. Versuche, mich auf den Händen fortzubewegen, habe ich natürlich aufgegeben.

Vorgestern, Thema: Mauer – Nachtrag (II) – DEUTSCHUNTERRICHT – Herbst ’88

Jörg und Stefan, einer Maler, der andere Bildhauer aus der fränkischen Lebkuchenstadt, baten mich im Herbst ´88 eine Sight-seeing Tour betreffs Mauerma­lereien zu veranstalten. In ihrem Gefolge befand sich Robbi, ein Kollege aus Schottland.
Nichts Leichteres als dies, dachte ich mir so, aber der Künstler aus dem Vereinig­ten Königreich wollte ganz bestimmte Motive am Beton sehen und ablichten, alle sollten irgendwie eine politische Aussa­ge haben.
Was ich nicht so richtig verstehen wollte, denn die Mauer als solche war doch schon ein Politikum, und jeder konnte sich, wenn er nicht Obacht gab, immer wie­der seine Birne an ihr einrennen, schließlich waren viele Kilometer Berliner Grenze aus Stahlbetonteilen.
Im Gegensatz zu der politisch westlichen Mauerseite, die immer schön bunt aus­sah, egal von welcher Himmelsrichtung man sie geographisch betrachtete, wurde die Rückwand in Richtung des Schlaraffenlandes der Arbeiter und Bauern in schlichtem Grau gehalten.

Wovon ich mich früher überzeugen konnte, sogar ganz nah, nur vom Stacheldraht auf Abstand gehalten. Einmal, als ich 1964 der Stones harrte, die auf dem Springerhochhaus konzertieren sollten (anlässlich des Deutschlandtreffens der FDJ), das andere Mal, einige Jahre später, fast am gleichen Ort, nahe der Stelle, wo man des verblichenen Genossen Reinhold Huhn gedachte. Nein, es ist nicht ganz korrekt, denn den Hinkelstein oder die Tafel für Reini habe ich nie zu Gesicht bekommen. Dies hatte folgende Bewandtnis: Als mein Freund Jimi und ich, uns im Sommer ´70 in besagte Richtung begaben, beide langhaarig, bärtig, bekleidet mit Parka, Jeans und Jesuslatschen, ließen uns Zivis an der Leipziger Straße nach einer ausgiebigen Ausweiskontrolle noch passieren.
Aber kurz vor unserem Ziel wurden die beiden nächsten Genossen richtig schnurrig, als auf ihre Frage, was wir hier suchten, als Antwort kam, dass uns nur die Stelle interessierte, an der Hühnchen von bewaffneten Schergen im Auftrag der CIA gemeuchelt wurde.
„So sehen sie schon aus! Wenn sie nicht augenblicklich von hier verschwinden, sorgen wir dafür, dass sie dieses Wochenende sehr beengt in Berlin verbringen werden!”
Wir trollten uns in Richtung Brandenburger Tor und trafen dort auf eine Gruppe junger Wessi-Mädels, die auf Bänken Unter den Linden hockten und eifrig Ansichtskarten schrieben, die teilweise aus dem anderen Teil Berlins stammten.
In wenigen Minuten zerbrach deren Hintertupfinger Weltbild, nachdem wir mit Hilfe unserer Ausweise belegten, dass sie Zonis vor sich sahen. Sofort erklärten sie sich bereit, Jimi und mir eine kleine Bitte zu erfüllen.
Auf einer abgeluchsten Ansichtskarte schrieben wir einen ganz und gar unverfänglichen längeren Gruß an unseren Kumpel Ali in Sangerhausen. Die Karte sollte dann in Westberlin frankiert und abgeschickt werden, was auch geschah. Nun hatten wir beiden noch zwei Wochen Urlaub, während der wir uns an der Ostsee rum trieben.
So viele dumme Gesichter habe ich auch später nicht noch einmal zu Gesicht bekommen, als wir nach 14 Tagen wieder auftauchten.
– Nebenbei möchte ich noch auf einen kleinen Gegensatz zum Westen aufmerksam machen. Der Bundi als solcher kannte nur diese gewöhnlichen Freudenfeste, wenn Besuch auftauchte. Während meiner Zeit als Zonenhippie habe ich an so mancher Orgie teilgenommen – Feten, gemischt aus Freude, Trauer und Wut, wenn es wieder einem Freund gelungen war, durch den Zaun auf die andere Seite zu gelangen.

Nur am Potsdamer Platz, nach Osten hin, auf einer riesigen Grünfläche war es anders. Im so genannten Niemandsland auf gepflegtem Rasen, da herrschte reges Kleintierleben. Massen an Vögeln menschelten da rum, auch Hasen.
Nur die Hunde des Grenzkommandos schienen es nicht ganz so passabel zu gehen. Obwohl sie, so nah am Klassenfeind, an wesentlich längeren Leinen gehalten wurden als der gemeine Ossi etwas weiter hinten.
Ansonsten sah es hinter der Mauer schon recht trostlos aus, obwohl die Grenzer sich immer sehr viel Mühe gaben, den herbizidhaltigen Boden sehr korrekt zu eg­gen. Wovon sich jeder Politspanner immer wieder überzeugen konnte, wenn er ei­nen dieser vielen hölzernen Aussichtsplattformen erklomm.
Einen großen Nachteil haftete diesem, mit bäuerlicher Akribie bewirtschafteten Streifen Land auf dem Boden unsrer Deutschn Demokatschen Replik an, denn zum Schutz seiner Einwohner flogen dort öfters dicht und sehr tief kleine Bleiteil­chen mit einer großen VO umher.
Aber die Westberliner brauchten keine Angst zu haben, schließlich stand die Be­tonwand zu Ihrer Sicherheit da, wenn sie auf der anderen Seite Hasenjagden auf Zweibeiner abhielten.
Bedenklich fand ich nur die mehrfachen Auftritte dieses rüstigen Pensionärs aus Amiland, der mit einem Vorschlaghammer versuchte, unseren schönen Schutz­wall zu deformieren.
Gott sei Dank sah er durch ostdeutsche Hilfe schon bald sein schändliches Trei­ben ein oder er vermisste während seiner kurzen Knastaufenthalte Wopper und Cola.
War mir alles aber auch Scheißegal.

Bei allem politischen Masochismus, der nicht nur mir anhaftete, nämlich nach dem Frei­kauf in Westberlin zu leben, gewann ich der Mauer auch etwas Gutes ab. Lebte ich doch in der Gewissheit, dass sie mir für den Rest meines Lebens jene Leute vom Hals hielt, die mir schon seit Kindheitstagen auf meine Steine gingen.
Ich wollte aber nicht nur wegen der politischen Verhältnisse weg, die mich schon seit meiner Kindheit im Teilelternhaus ankotzten. Schlimmer gestaltete sich im Laufe der Zeit die Tatsache, dass sich immer mehr alte Freunde in Nischen zu­rückzogen. Schließlich einen Kompromiss an den anderen reihten, wie auf einer Perlenkette, und letztendlich oft, wie bei ihren Alten erfahren, alles nur dann noch bunt sahen, wenn sie sich mit der flüssigen Volksdroge bis über den Hals zuknallten.
Eins muss ich über den innerdeutschen Zaun im Allgemeinen noch ablassen.
Ich empfand immer wieder, wenn ich der Grenze im Harz ansichtig wurde, dass sie wie eine breite Narbe durch das Grün schlängelte, was mir bis zu meinem 12ten Lebensjahr schnuppe war. Hingegen hatte die Berliner Grenze schon zu meinen Grundschulzeiten immer einen anderen Stellenwert: Nie konnte ich ihr etwas als Antifaschistischen Schutzwall abgewin­nen, sie war für mich bis zum Schluss das, was sie im ureigenen Sinn darstellte – einfach eine Mauer.
Mir graut bei dem Gedanken, wenn ich so zurückdenke an die Tage, die insgesamt zusammenkämen, als noch ewig irgendwelche Flachzagen, die es alle nur gut mit mir meinten, versuchten, mich von meinem falschen Weg der politischen Betrachtungsweise abzubringen, allen voran die Mutter meiner Schwester. Brrrr….
Freilich war meine Ausdrucksweise in den letzten 25 Jahren nicht mehr ganz korrekt, denn seit dieser Zeit bestand die Mauer schon lange aus riesigen, Betongegossenen Stellwänden, die sich beliebig mit Kränen versetzen ließen. Zudem immer ausgeklügelter gestylt, sodass Fluchtversuche immer schwieriger wur­den.

Meinen farbigen Schutzschild wollte nun ein friedlich in den Highlands aufgewach­sener junger Mensch unter politischen Aspekten betrachten, warum nicht. Der eigentliche Grund seines Aufenthaltes in Berlin war jener, dass er ein Stipendi­um ergatterte, um am Goethe-Institut Deutsch zu lernen. Und dann geriet die­ser arme Kerl durch Zufall ausgerechnet an mich.
Mit Fotos machen war an diesem Nachmittag auch nichts, da es sehr schnell dunkel wurde, und teilweise wie aus Eimern zu schütten begann. Alle hart im Neh­men, gings zuerst Richtung SO 36 zum Betanien-Damm. Immer mal wieder rein in die Karre, wieder ran an die Mauer, über die Koch- und von der Wilhelmstraße dann per pedes zum Potsdamer Platz.
Schon zu Beginn der Tour registrierte unser ausländischer Gast zwischendurch einzelne Hakenkreuze und SS-Runen. Mir sind sie die ganzen Jahre nie so richtig bewusst geworden, sicher so ´n allgemeine Betriebsblindheit, die sich schleichend breit macht, außerdem gab es ja sehr häufig Tapetenwechsel am Beton.
Einmal darauf aufmerksam gemacht, gaben wir alle Obacht auf diese Zeichen, sie traten manchmal gehäufter, oft gar nicht auf. Trotzdem bestand unser Freund auf eine Begründung, wieso anscheinend niemand Interesse bekundete, sie zu beseitigen. Mit meiner Erklärung, dass die ersten Meter vor der Mauer schon zum Osten gehörten, ergo alle Wallpainter Grenzverletzer seien, konnte er nichts anfangen.

Außerdem haben es die Grepos jahrelang drauf gehabt, alle paar Monate den Beton auf der Westseite zu weißeln. Was innerhalb kürzester Zeit zu einer andersartigen Bemalung führte. Ab den Achtzigern waren die uniformierten Fassaden-Picassos nicht mehr so emsig mit dem Pinseln zur Hand. Meine Vermutung lief darauf hinaus, wegen der anstehenden 750-Jahrfeier Berlins schien die Farbe knapp zu werden.
Eine mich sehr beeindruckende Aufschrift verzapften Leute in den Achtzigern, nach einer östlichen Rekonstruktionsmaßnahme. Allerdings musste für diese Aktion der Landwehrkanal im südöstlichen K-Berg in Richtung Treptow überquert werden, um auf die Ostseite zu gelangen. An den nun dreispurigen Autobahnteilen, gleich am anderen Kanalufer, konnte man kurz vor einer Berliner Wahl, in ca. 2 Meter hoher schwarzer Schrift, auf grellem Weiß, kilometerweit lesen:
HARALD JUHNKE FOR PRESIDENT !
Schade, dass es mit Uns-Harald damals nicht klappte – wäre ja auch gewesen, wie leere Pfandflaschen vor die Säue schmeißen.

Jedenfalls entwickelte sich unter uns eine Diskussion, die sich vom Ansatz her als sehr schwierig herausstellte, denn Robbi bestand darauf, dass wir sie in Deutsch führten. Es fing mit dem Urschleim an – dem Demokratieverständnis. Was bekanntlich, die in UK gepachtet haben, seit man in grauer Vorzeit Anleihen aus dem alten Griechenland nahm. Auf meinen Einwand, dass sich die Situation immer noch irgendwie ähnelt, früher Sklavenhalterstaat, heute nur alles etwas menschlicher verschoben, ging der Gentleman nicht ein. Denn ihn erinnerten die vielfältigen politischen Wall-Interpretationen an Speakers Corner in Hyde Park – bei so viel Demokratie stieg ich aus. Zog ein Hörnchen ein und fand anschließend das Lauschen mehr als lustig, was auch daran lag, dass sich die meisten bildenden Künstler sowieso in meiner Schublade der extremen Mitte tummelten, dem liberalen sowohl-als-auch. Nur bei Jörg gestaltete sich alles etwas anders, denn er war schon seit Jahren als Nichtgenosse, gut do­tierter Hofmaler der Nürnberger SPD, und fing nun an, sich zu e´chauffieren. Nach ge­raumer Zeit einigten sich die drei darauf, dass Mauermalerei schon so etwas, wie demokratische Ausdrucksweise sei. SS-Runen, Hakenkreuze und anderer rechter Scheiß, nur Randerscheinungen darstellten. Also wurde dem Schotten klarge­macht, was unter Randerscheinungen zu verstehen sei.
Allerdings ist das deutsche Demokratieverständnis absolut nicht auf Great Britain zu übertragen, denn Bob brachte immer wieder alles durcheinander. Selbstre­dend lernte er auf unserer Tour das Wort Randerscheinungen akzentfrei auszu­sprechen. Schließlich fand er ja auch hinreichend Anlässe, dieses Wort zu üben…
Schließlich trieb es unser Gast auf die Spitze, als er einfließen ließ, wenn man in Berlin eingemauert sei und ringsherum diese Randerscheinungen finden konnte, müsste man eigentlich einen anderen Begriff dafür benutzen, und er wüsste einen…
Darauf wurde nicht mehr eingegangen, außerdem hatte er ja eine beliebte deut­sche Vokabel perfekt gelernt.
Total durchgefroren ging es zum Auto zurück und ich sollte mir eine typische Berliner Pinte zum Aufwärmen einfallen lassen. Von Robbi kam eine wage Be­schreibung einer solchen Institution, offensichtlich meinte er Leydicke in der Man­steinstraße, also dorthin.
Da es draußen Mistgabeln schiffte, sprangen wir gleichzeitig in die fast leere Kneipe. Während der Orientierungsphase fing ich an, meine angelaufene Brille trocken zu reiben, noch nicht fertig damit, setzte ich sie aber gleich wieder auf. Denn wir be­kamen mit, dass vom Stammtisch, der vor dem 5 bis 8 Meter entfernten Tresen stand, ein Typ aufgesprungen war, der uns in schwankendem Stechschritt entge­gentorkelte.
Dabei riss er beim Schritt mit dem rechten Bein gleichzeitig seinen Arm mit hoch und brüllte rhythmisch, „Sieg Heil, Sieg Heil!”
Kurz vor uns drehte er zackig bei, um ebenso retour zu marschieren. Seine beiden Kum­pane konnten sich nicht einholen, klopften auf ihre Schenkel, während ihnen vor Lachen Tränen in die Augen schossen, vermutlich wegen unserer verdutzten Gesichter.
Im selben Moment packte der Zapfer den Typen am Schlafittchen und bugsierte ihn raus.
„…Wat soll denn der Scheiß… icke wollte doch nur een Spaß machen… lass mir doch los…”
„Solche Späße kannst du sonst wo veranstalten, aber nicht hier! Solche Gäste habe ich gerne, schon besoffen hier auftauchen und dann so etwas… Ich will dich hier nie wieder sehen!”
Seine Kumpels ergriffen Partei für ihn und fingen an zu maulen. Was den Zapfer aber nur zu der Bemerkung veranlasste: „Entweder, ihr haltet euren Rand, oder ihr verschwin­det auch!”
Der weitere Drang nach Alk siegte über den Anflug von Solidarität, schmollend nah­men die Stammtischzecher wieder Platz.
Dies alles ging in einer rasanten Geschwindigkeit vonstatten. Noch während wir uns erstaunt gegenseitig anschauten, kam von Robbi: „Ihr braucht nicht spre­chen! … Ich verstehe! … R a n d e r s c h e i n u n g !”

*

Hier höre ich auf. Denn was an unserem Tisch anschließend abging, wäre eine andere Geschichte. Wobei man sich sicher denken kann, wie sie ausging. Allein die Tatsache, dass sich ein extremer SPD-Sympatisant seinen Anteil am Klassenkampf in Schecks vergüten lässt, ist die eine Seite. Seine Meinung, dass sich das mit den Rechten schon totlaufen würde, die andere.
Aber diese Ansicht gab es nicht nur bei den Sozis schon mal!

Gestern, Thema: Mauer/Nachtrag – HUNDESCHEISSHAUFEN IN BERLIN – ERINNERN MANCHMAL AN SACHERTORTEN

Was Alfred Polgar vor rund 80 Jahren abließ,
kann ich leicht nachvollziehen –
Die Fremde ist nicht Heimat geworden.
Aber die Heimat Fremde.“

Im Restreich Deutscher Nation Ost, befand sich ab 1945, auf 13° 24′ 36″ östlicher Länge und 52° 31′ 12″ nördlicher Breite, eine politische Insel.
In Teheran und Jalta von der kurzzeitigen Anti-Hitler-Zweck-Kriegs-Gemein­schaft USA, Großbritannien und Sowjetunion gegen Nazideutschland vorbereitet – besiegelt im Sommer 1945 in Potsdam, an einem korrekten Runden Tisch des Schlosses Cecileinhof. So richtig ist mir nie klar geworden, warum anschließend Frankreich auch ein relativ großes Stück vom Kuchen Berlin und dem Reich bekam. Aber dies war einmal Politik, ist nun Geschichte und hat außer den Franzosen eigentlich nie jemanden interessiert.
Da politische Entscheidungen oft mit Eitelkeiten zu tun haben, ferner beeinflusst werden durch eingebildete Kränkungen, wobei besonders Großmächte anfällig sind, taten sich die westlichen Besatzer auch im zerstörten Marktflecken Berlin sehr schnell zusammen – nun als Koalition gegen ihren einstigen Verbündeten aus dem Osten. Infolgedessen entstanden die so genannten „Westsektoren“, auf einer Fläche von über 400 Quadrat km, mit über zwei Millionen Einwohnern. „Der kapitalistische Coca-Cola-Sektor“, wie es damals manch „witziger“ Politiker aus dem illegalen, sowjetzonalen Regierungssitz in Pankow, kurz und knapp formulierte.
Durch ein Missgeschick vom Klapperstorch in der SBZ (Sowjetische Besatzungszone) abgeworfen, lernte ich später in den dortigen Schulen, dass man diese „imperialistischen Sektoren“ mit einem Pfahl im Körper „unser Deutschn Demo­kratschn Replik“ vergleichen konnte.
Möglicherweise resultiert aus dieser Metapher mein eigentlich, kindliches Trau­ma. Weshalb ich auch immer tiefer in „westlich/dekadente Anschauungen “ abglitt, und meine Phantasien dabei recht weit ins Kraut schossen. In der Umgebung Aufgeschnapptes und der Ire Bram Stoker übten infolgedessen, einen nicht geringen Einfluss auf mich aus. Als großer Fan von ihm war mir schließlich bekannt, dass nur mit Hilfe eines etwas größeren Zahnstochers die Möglichkeit bestand, das schändliche Treiben eines Vampirs zu beenden. Indem der nach Knoblauch stinkender Held, Kreuze schlagend, jenem blutgierigen Wicht dieses angespitzte Holz in sein Herz, oder was sich sonst dort befand, hineinrammte.
Hat ziemlich lange gedauert, bis dieser politische Pfahl zum Schluss die erhoffte Wirkung zeigte…
Es nützte nicht viel, dass Dachdecker, Tischler oder sonst was für Hilfsarbeiter mit rasantem politischen Aufstieg in der Zone, alle Wundränder dieser großen ideologischen Verletzung immer wieder mit Unmengen von Stacheldraht flickten. So en passant wurden die Massen auf beiden Seiten von jedem und allen auch noch verscheißert. Aber ausnahmslos konnte jedermann, wenn er es nur wollte, mit seinen Komplexen und Macken hausieren gehen und sie beharrlich auf Kosten der Allgemeinheit ausleben, auf seine spezielle und bekloppte Art. Das galt für Ost und West, von unten nach oben und zurück. Dieses merkwürdige Lebensgefühl wurde gemäß der Verfassung des jeweiligen Landes „demokratisch“ garantiert und entsprechend interpretiert.
Eines Tages (Ich glaube es begann am 13. August 1961) rammten uniformierte Handwerker im Osten, wohlgeformte Autobahnteile zum Trocknen in den märkischen Sand. Gott sei Dank, vom Westen aus betrachtet, vor den kunstvoll geknüpften Stacheldraht. Von fast 100 englischen Landmeilen Sektorengrenze, waren Innerstädtisch, ungefähr 40 km aus Beton.
Allerdings habe ich so manches Mal dieses drahtige Makramee, von einer Plattform aus bewundert. Man muss es ihnen lassen, sie haben sich immer sehr viel Mühe gegeben. Besonders wenn nach gewisser Zeit, 101%-ige Genossen auf westlicher Seite, von einem durchschnittlich, gerade mal 2 Meter breiten Streifen DDR-Staatsgebiet aus, der Wand ein gleißendes Weiß verpassten. Anschließend, das frisch gestrichene Mauerwerk kurz an ein erstarrtes Leichentuch erinnerte. Diese perfekte Grundierung war immer sofort Basis für teilweise durchgeknallte Happenings.
Zu einer Zeit, als die Ruine vom „Haus Vaterland“ noch auf dem Potsdamer Platz stand und dort an das „Tempodrom“ noch nicht zu denken war, befand ich mich stoned in einem Rudel, das nächtens die Mauer illuminierte. Ganz simpel, Mollies hergestellt aus Flaschen einer Feinkost-ALDI-Biersorte. Diese Teile lagen richtig geil in der Hand. Es würde zu weit führen, wenn ich mich hier über die unterschiedlichsten Flammenarten auslassen würde, die bei den mannigfaltigsten Wurftechniken entstanden, es war einfach genial… (Scheinbar in weiser Voraussicht wurde dem Beton deshalb Unmengen von Asbest zugesetzt.)
Fast eine halbe Stunde dauerte es, bis alle möglichen westlichen Uniformträger unser pyromanisches Treiben ruckartig beendeten, angeführt von englischer Militärpolizei. Denn Westberliner Polizei durfte unmittelbar vor der Mauer keine Maßnahmen ergreifen, sie betätigten sich bis zum Schluss nur als Büttel der Alliierten.
An einen schizophrenen Aufruf des DGBs, kurz nach dem Mauerbau, möchte ich hier auch noch erinnern: „Wer im Westen mit der Ostzonalen S-Bahn fährt, der finanziert Ulbrichts Stacheldraht“. Vielleicht war es wirklich nur die Unwissenheit der Gewerkschaftsfunktionäre, denn jener Spruch war nicht koscher. Schließ­lich tat jeder Bahnfahrer damals etwas für die Erhaltung von Arbeitsplätzen in den Stahlwerken von NRW.
Zu meinen Ostzeiten raffte ich es nie, wenn mir gegenüber irgendwelche Flachzangen abließen, der „Antifaschistische Schutzwall“ sei auch zu „meiner Sicherheit“ errichtet worden. Erst nach meiner Übersiedlung – in Westberlin habe ich geschnallt was damit gemeint war – aber scheinbar wieder alles falsch verstanden. Von der westlichen Seite gab dieser Spruch mir plötzlich einen Sinn. Die Floskel stimmte. Richtig, zu meinem Schutz! Die Mauer hielt mir jahrelang die Leute vom Hals, wegen denen ich als Ableger eines Stalinistischen Rotkäppchens schon mit 14 Jahren das erste Mal versuchte in den West zu gelangen. Nur gut, dass ich es elf Jahre später nochmals probierte. Denn dadurch war es mir vergönnt, von den 10043 Tagen Trocknungszeit der senkrecht stehenden Zonen-Autobahn, wenigstens die letzten rund 700 Wochen, vom 23. Oktober 1975 bis zum 9. November 1989, auf der bunten Seite jener Betonplatten, in der drittgrößten türkischen Stadt (Was würde Jan Sobieski heute dazu sagen?) den absterbenden Kapitalismus zu genießen.
Es war ein langsamer, aber ein sehr schöner Tod – der bedauerlicherweise abrupt beendet wurde…
auch durch solche Nasen aus der „Heldenstadt“ Leipzig, die mir Mauer und Zaun auf Distanz hielten. Jene, die dann montags durch die Strassen torkelten, irgendwelchen Blödsinn krähten und sich an riesige Transparente klammerten. Auf einer dieser mobilen Schlagagitation hatten ehemalige Genossen folgenden Spruch gepinselt, den ich bezeichnend fand! Zu dem mir allerdings nichts mehr einfiel, der da lautete: „Lieber Helmut nimm uns an die Hand und führ uns in Dein Wirtschaftswunderland.“
Zugegeben, in jener Zeit gab es schon überall sehr breite Schneisen die bei ALDI führten…

Heute vor …

Zumindest auf den Führungsebenen in Amiland und der Sowjetunion, war dieser länger anhaltende Maurereinsatz abgekaspert. Die sowjetzonalen Lakaien aus Pankow, unter Ulbrichts Führung, ließen Taten folgen. Am Sonntag, den 13. August ´61, begannen Hochleistungshandwerksarbeiten in Berlin und der Interzonengrenze…
Vier Jahre später, während meiner zehnten Klasse, vernahm ich folgenden Witz:
– Ein junger Westberliner hängt über der Mauer und beobachtet auf dem Grenzstreifen einen bewaffneten Hundeführer, der Streife läuft.
Nach geraumer Zeit seine Frage: „ Ehh, sach mal, wat hast du denn für ein Schwein an der Leine?“
Der Oster reagiert nicht.
„Ehh, Keule! Verstehst du mir nich? Icke hab dir wat jefraacht!“
Etwas später: „Ehh, kannst ´e mir nich antworten?“
Keine Reaktion von der anderen Seite.
„Ehh, hörst´e nich? Mann, mach dein Maul auf! Wat hast du da für ein Schwein an deiner Leine?“
Endlich reagiert der Soldat genervt: „ Mach deine Ochen off! Siehs d´e nich, das is een Deudscher Schäwerhund!“
Kommt von hüben: „Halt da Schnauze Männeken! Icke hatte dir doch jar nich jefraacht!“

12.8.o8/2o:15 – 21:oo/27oo sec. – rbb

Nach dem Blick auf meinen hängenden Wandschätzwecker, mussten die „Nachrichten“ in der Verdummungslaterne dem Ende zugehen. Seit zwei Tagen schon blieb das Teil aus. Wenn sie wenigstens mal zeigen würden, wenn irgendwo in Peking ein Reissack umkippt, das würde mich schon interessieren…
Laut Radio, soll ja die weiter westlich stattfindende Ersatzolympiade schon wieder beendet sein. Kam ja auch nicht so prickelnd rüber. Eigentlich ganz schön langweilig, so´n technisch aufgemotzter Killerbiathlon. Wenn sie wenigstens farblich verschiedene Dresse tragen würden, aber nein – alles latscht und kurvt in dezentem Ernstfallgrün rum, gleiche Helme, gleiche Fahrzeuge, identisch hassverzerrte Gesichter bei allen Beteiligten. Wer sind denn nun die Guten – wo bleibt ein neuer Djugaschwili? – der Kreml-Napoleon ist doch fad!
Was sich auch nie ändern wird, sind die Betroffenheitslarven aller Politiker unseres Planeten – richtig langweilig – da glotzt ein Schwarzer mit der gleichen, gestanzten Mine wie ein Weißbrot, oder ein Gelber, oder Grüner in die Kamera. Nur gut, dass ich bei diesem Babylonischen Sprachgewirr nur Promille dieses inflationären Bestürzungspalavers verstehe. Wird sich auch nichts geändert haben, beim Angriff auf Karthago werden sie bestimmt den gleichen Scheiß abgelassen haben… Weiterlesen