Archiv für den Tag: 13. Oktober 2018

(II) – NZZ, 12.Okt. – Wir sind zum Vertrauen verurteilt

Drei Menschen erzählen, wie ihr Vertrauen missbraucht wurde: von der Partnerin, der Mutter, dem Chef

Die Anfrage erreichte mich rein zufällig, aus Gründen, die ich nie aufklären konnte. Er lag die ganze Zeit in einem Kühlhaus, deshalb die verspätete Meldung an das Sterberegister in Sangersdorf. In jener Amtstube erinnerte sich eine Beamtin an die Wochen vorher beantragte Auskunft, deshalb konnte man mich überhaupt finden.
Das war vielleicht ein Saftladen in Erfurt, hatte mehrfach versucht, den verantwortlichen Typen zu erreichen. Ließ schließlich ausrichten, an einem bestimmten Tag dort aufzukreuzen und jemand sollte es ihm stecken.
Wir waren in der Nähe von Weimar auf einem Bauerngehöft abgestiegen, die Landschaft ganz toll, auch die umgebaute Scheune, aber…
Das geschmackvoll eingerichtete Zimmer müffelte abartig nach frischer Auslegeware, im Bad hingen mehrere Stinketannenbäumchen und pünktlich zur Morgendämmerung begannen, hunderte kleine Schwalbenmonster, etwa ein Meter über dem Fenster, mit infernalischem Geschrei. Auf der gesamten Länge des Hauses, von vielleicht 25 Metern, hing eine Nest neben dem anderen…
Zumindest gab es ein gigantisches Frühstück!
Obwohl sehr geladen, ging es mit dem Nachlasspfleger sofort in die Wohnung des verblichenen, anderthalb Zimmer, alles sehr sauber und gepflegt.
Anfangs kam ich mir vor, wie ein Leichenfledderer, nur gut, dass meine Freundin keine Skrupel hatte. Sie fand auf Anhieb die wichtigsten Sachen, geordnet in zwei großen Schubladen, dort machte ich eine Entdeckung, die mich kreischend auflachen ließ und alles ward gut.
Fand seine Geburtsurkunde auf einer Familienbibel liegend vor, unter diesem Folianten wiederum, lag zusammengefaltet die Sondernummer der SED-Bezirkszeitung, FREIHEIT, zum Todestag von Иосиф Виссарионович Сталин, vom März 1953!
Der Rest Jahrgangsweise penibel geordnet in den Fächern, teilweise mit Fäden zusammengebunden oder Schnippgummis drumherum.
Einige Papiere fanden wir in einer DIN A4 Hartpapiertüte, Unterlagen aus seiner kurzen Westzeit…
Nur der Inhalt beider Schübe interessierten mich, den Rest hätten sie in die Tonne treten können.
Anschließend gingen viele Monate ins Land, bis ich endlich den Erbschein besaß, entgegen aller Warnungen von der Schefffin.
Abzüglich sämtlicher Kosten, Miete, Zeitungsabonnements und sonst was, blieben 21 000 an Cash übrig.
Glücklicherweise gab es ein frisch besetztes Haus, mit mehreren Punkies. Sie waren sofort Feuer und Flamme, wollten fast alles haben, als äußerst hilfreich stellten sich eine nagelneue riesige Glotze und ein Öko-Lavamat heraus. Emsig wie Bienen halfen sie mir an zwei Tagen beim Ausräumen der Wohnung.
Was gab es noch erwähnenswertes für die jungen Leute? Ein Plastiksack, mit ehemals 500 Gummihirschen, jene Kondome besaßen solch eine Wandstärke, dass es nur einem Typen gelang einen davon aufzupusten, einen Zehnlitereimer mit Vaseline, einen großen Sack mit 10 Kilo Talkum. Als absoluter Hammer stellte sich ein ziemlich großes Heizkissen heraus, ein Mädel registrierte gleich, dass es sich dabei um ein neuwertiges beheizbares Vibratorkissen handelte… Weiterlesen