Weiß der Teufel, weshalb ich mit 9 Jahren ausgerechnet Lew Tolstois „Auferstehung“ griff, jene ellenlange Geschichte, um endlich die Kursivschrift zu erlernen. Mein Großvater schüttelte den Kopf, ließ aber verlauten, dass er jederzeit auf meine Fragen eingehen würde…
Dies geschah, als ich gerade in die vierte Klasse gekommen war und die Mutter meiner Schwester es vehement ablehnte, auf den Vorschlag der alten Frau Teichmann hin, jenes Schuljahr versuchsweise zu überspringen. Dies würde nicht gehen, weil in der 5. Klasse Russischunterricht hinzukam und mein weiteres Fortkommen dann in der Naumburger Kadettenanstalt weitergehen sollte. Es war Fügung des Schicksals, dass diese Einrichtung geschlossen wurde, hinzu kam, dass ich eine kleine Lehrerin (Fräulein W.) auf dem Schulhof zusammengefaltet hatte. Daraufhin meine Erziehungsberechtigte sofort vom Amt der „Elternbeiratsvorsitzenden“ (Zum großen Glück für alle Schüler, Lehrer der Thälmannschule und den Eltern!) zurücktrat und mir wochenlangen Stubenarrest aufbrummte. Scheinbar kompensierte ich mit dem Wälzer ebenso die vorangegangenen Schuljahre. Hatte doch die leerende Pädagochen-Mumie von Anbeginn des ersten Schultages (Dritte Reihe ganz rechts meine Wenigkeit und hinten links die alte Maulsolff.), statt gegen meine dauerhafte Unterforderung anzugehen, mit Hilfe des Mobbings vieler meiner Mitschüler, aus mir innerhalb eines Vierteljahres den Rechtshänder heraus geprügelt. Eigentlich hätte ich nach dem Heimaufenthalt von Alt Töplitz, sofort im 2. Schuljahr landen müssen.
Opa Lesebetreuung war ausgiebig, irgendwann gab es bei aufkommenden Fragen nur noch die Hinweise auf andere Literatur. Später fand seine Tochter, dass die permanente Leserei schädlich für mich sei, wegen der daraus resultierenden falschen Schlussfolgerungen meinerseits.
In jenen Tagen registrierte ich auch, dass es bei meinem Urgroßvater, einem Goldschmied und Juwelier, Parallelen zur Handlung in Tolstois Roman gab. Denn er kümmerte sich rührend um ein gefallenes Mädchen, deren gewisse Dienstleistungen man finanziell entlohnte – daran zerbrach schließlich seine Ehe…
Nun prangt heute in allen erreichbaren Printmedien jener Artikel, muss aber ablassen, den dort erwähnten Film mit Julia Roberts und Richard Gere kenne ich nicht. Außerdem gehen mir solche kleinbürgerlich/spießigen Handlungen des kranken Mittelstandes aus Amiland sowieso mächtig auf den Sack.
– Da wird sich ja Gail Dines, die mopplige Aktivistin der Anti-Porno und anderer Bewegungen auch mal wieder melden… Weiterlesen
#FacesofProstitution – “Mein Körper, meine Entscheidung”
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