Archiv für den Tag: 23. April 2013

Richie Havens geht nicht mehr einkaufen – Goodbye old Ben!

Zwei kurze Geschichten zum Verblichenen.
Für mich war auf dem Dreieralbum vom Woodstock-Festival der Mitschnitt von Richie Havens eins der schönsten Stücke.
1971 wurden mir diese Scheiben auf Grund von vielen Verwicklungen als Geschenk offeriert.
Am 23. Dezember waren Jimi und ich für einige Tage bei einem Freund in Kraków eingerastet, wir wollten anschließend Silvester in Zakopane feiern.
Der Aufenthalt bei unserem Landlord stand unter einem schlechten Stern, dies lag an seiner recht merkwürdigen Freundin, jung, sehr hübsch und bereits mittags immer schon leicht dröhnig. Bei ihr handelte es sich um eine reiche Passamerikanerin mit polnischen Wurzeln, kurz vorher war das Mädel aus Dänemark eingereist, besser gesagt, von dort ausgewiesen worden. Kurz in der Christiania eingerastet, hatte sie gleich einen PKW gekauft und war öfters recht bezecht hopp genommen worden. Die Kopenhagener Behörden stellten schließlich ein Ultimatum, entweder die Karre verkaufen und niemals mehr dort fahren oder ab nach Polen…
Heilig Abend stand von Madame die Einladung zum Weihnachtsbeißen in einem Nobelhotel an, wobei fast alles in die Hose ging, da sie kurz vor dem Aufbruch darauf bestand, die wenigen Meter mit ihrer Karre zufahren – sie aber schon wieder recht angesoffen. Die Streiterei erreichte während der kurzen Fahrt den Höhepunkt, irgendwann schaut ich von hinten auf den Tacho, wir waren zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach mit quietschenden Reifen um die Tuchhallen gerast und raunte zu Jimi, „eh, die Tusse spinnt vollends! Die hat auf gerader Strecke fast 80 Sachen drauf!“ Mein Kumpel schaute nach vorn und schrie entsetzt, „Alter – das sind Meilen, das sind Meilen!!!“
Dann ging alles ganz schnell, weil plötzlich die Miliz an uns klemmte, der Beifahrer zog nach der letzten Kurve vorsichtig die Handbremse bis zum Anschlag und kamen am Ziel zum Stehen, schräg vor uns hielten die Gendarmen.
Was wir dann sahen verblüffte uns reichlich. Die Frau zog den Zündschlüssel, stieg aus kramte aus ihrer Handtasche ein Bündel zerknüllte Scheine, fischte mehrere Zehndollarnoten heraus, torkelte mehrere Schritte auf die Uniformierten zu, drückte jedem einen Schein in die Hand und schwankenden Schrittes ging es in Richtung eines livrierten Knechtes vor dem Hotel. Dem Herrn rief sie etwas zu, schmiss ihm in hohem Bogen die Schlüssel entgegen, der fing sie gekonnt auf, der erhielt im Vorbeigehen auch seinen sawbuck und parkte den Wagen korrekt.
Mann, unserer Auftritt in Richtung Speisesaal war mir doch recht unangenehm.
Erstmalig in solch nobler Hütte. Ewig wuselten irgendwelche Knechte herum und alles glotzte amüsiert. Das hing etwas mit dem Outfit zusammen. Wir beide in hellgelben Fransenstiefeln, dazu in den bunten geknüpften Jacken, Jimi mit einer tief violetten Ballonmütze (die ich ihm nach seinen Anweisungen genäht hatte) und mein Haupt zierte eine weiße Pelzmütze aus tibetanischen Bergziegenfell, deren Ausmaße den Afrolook von Angela Davis um vieles übertraf. Die Jeans an den Schenkeln kunstvoll, vielfarbig in sehr kleinkarierten Schachbrettmustern gestopft, am Hals hing Gebamsel aus Lederschnüren mit Strass, teilweise fein geflochten und auf meiner 50er-Jahre GST-Jacke prangte der hebräische Schriftzug: „Shalom“.
Von den anwesenden Gästen wäre bestimmt niemand auf die Idee gekommen, dass wir aus dem mustergültigem sowjetischen Appendix westlich der Oder-Neiße-Friedensgrenze stammten.
Nebenher die permanenten Streitereien unserer Gastgeber, mal lauter, mal leiser. Die verfügten aber über Narrenfreiheit, denn alle Bediensteten in dem Schuppen schienen mit ihrer Art vertraut…
Werde jetzt alles etwas abkürzen Weiterlesen